„Das Imperium“: Das All hallt in uns

Was ist in dem beschaulichen Küstenort los? Passanten gehen vor einem pausbäckigen Kleinkind in die Knie. In einem Vorgarten trainieren junge Leute mit Laserschwertern. Ein Halbstarker spricht mit verzerrter Stimme unverständliche Sätze.

In dem französischen Science-Fiction-Film Das Imperium von Bruno Dumont findet der Krieg der Sterne nicht in fernen Galaxien statt, er hat sich auf die Erde geschummelt, zwischen die Billighäuser und Vorgärten eines nordfranzösischen Städtchens am Ärmelkanal. Hier bekämpfen sich zwei galaktische Mächte und schlüpfen dafür in die Körper junger Menschen.

Die Außerirdischen tragen Jeans, Tanktop und Arbeitsklamotten und nehmen kein Blatt vor den Mund („Arsch“, „Schlampe“). Anführerin der guten Seite ist die charismatische Jane (Anamaria Vartolomei). Über die Dorfstraße schreitet sie wie eine Kriegerin, ihren Bikini trägt sie wie eine Rüstung. Chef der Gegner ist der drahtige Jony (Brandon Vlieghe), sein kleiner Sohn gilt als Prinz des Bösen. Zug um Zug entreißt man sich gegenseitig das blonde Kleinkind. So entsteht ein verblüffender Doppeleffekt, eine Neujustierung des Science-Fiction-Genres: die mythologische Aufladung des irdischen Gewurschtels und die Entzauberung des intergalaktischen Gerangels.

Gesteuert und beobachtet wird der Kampf von zwei gigantischen Raumschiffen. Das Schiff der Guten sieht aus wie eine Kathedrale mit Raketenzündstufe, das andere wie Schloss Versailles auf einem Surfbrett. Doch die außerirdischen Pläne werden durchkreuzt – von der Physis und Erotik der kämpfenden Körper, von Liebe und Verlangen.

Das Imperium verströmt eine schöne Melancholie, auch Trauer. Wenn die Raumschiffe über nebligen Wiesen schweben und die Sonne über der rauen Küstenlandschaft untergeht, erfüllt Vergeblichkeit die Szene. Warum, so scheint der Film zu fragen, müssen sich die Menschen das gegenseitig antun? Warum lassen sie ihre Körper von Ideologien und Mächten bewegen, wo sie doch ganz andere Dinge tun könnten: rumlungern, schwimmen, mit dem Moped über Dorfstraßen cruisen. 

Schon in seinen Anfängen hob Bruno Dumont die Bewohner seiner nordfranzösischen Heimat ins Metaphysische. Arbeitslose Jugendliche und Polizeikommissare wurden zu Märtyrern (La vie de Jésus, L’humanité), die Landschaft erschien im Licht der Transzendenz. Nun befördert er das Dorfproletariat in den Stand der Sternenkrieger – und dekonstruiert die Mythenwelten der Star Wars- und Superhelden-Filme, ihr Geschwurbel über Mächte, Ritter und Erlöser.

In Das Imperium schieben sich Reiter der Apokalypse auf schwerfälligen weißen Gäulen über abgeerntete Felder. Wenn die Herrscherin des Kathedralen-Raumschiffs für eine Visite im Dorf die Gestalt der Bürgermeisterin annimmt, begegnen ihr ältere Damen mit irdischen Problemen („Mein Wasserzähler muss repariert werden“). So hallt das Echo von uns Menschen im ewigen All, und das All hallt in uns.