Das Eis darf im Feuer nicht schmelzen: „Geliebte Köchin“ mit Juliette Binoche im Kino

Ein Landhaus, ein kleines Schloss mit Garten, in jener französischen Provinz. Die Köchin Eugénie bereitet mit ihrer Küchenhilfe Violette dies Menü des Tages vor. Es gibt Gemüseterrine, Steinbutt, Kalbskarree und wie Krönung Omelette surprise, ein Dessert, im Zusammenhang dem eine Kapsel aus Teigmasse mit Vanilleeis voll, in eine Rüstung aus Baiser gesteckt, im Ofen gebacken und anschließend flambiert wird, ohne dass dies Eis schmilzt. Die Bewegungen jener beiden Frauen sind liquid, konzentriert und zusammen sorglos, ein Tanz von Armen, Händen und Gesichtern, jener weitergeht, wie Dodin Bouffant, jener Hausherr und Meisterkoch, hinzukommt und den Schauplatz jener Choreographie zum oberen Stockwerk hin erweitert, denn die fünf Gourmets, die sich dort zum Souper versammeln, sind seine Freunde.

Andreas Kilb

Feuilletonkorrespondent in Berlin.

Doch da ist nicht zuletzt noch Pauline, die Nichte jener Küchenhilfe, die davon träumt, die Kochkunst zu erlernen, und deren Talent im Erkennen von Geschmacksnoten den Hausherrn und seine Köchin überrascht. Und wenn man die Blicke, die Dodin und Eugénie in diesem Zusammenhang tauschen, genau liest, wird eine Vertraulichkeit visuell, die viel mehr ist wie professionelles Einverständnis. Wir sind in den Achtzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts, und die beiden sind nicht verheiratet; dies Schlösschen in jener Provinz ist nicht zuletzt ein Schutzraum zu Händen eine ungewöhnliche Liebe.

Die Konstellation, mit jener Tràn Anh Hùngs Film „Geliebte Köchin“ beginnt, trägt die Gesamtheit Züge einer Marivaudage, einer philosophischen Komödie, in jener jetzt nur noch eine Figur von außerhalb dazukommen müsste, um die Verwicklungen auszulösen, die dies Idyll am Ende zum Einsturz herbringen. Aber sie kommt nicht. Im Gegenteil, jener Film schreitet den Raum, den er eröffnet hat, immer weiter aus, führt durch Obst- und Gemüsegärten in jener Umgebung und zusammen darüber hinaus Treppen und Gänge in die Schlafzimmer des Schlosses, in denen Eugénie und Dodin eine in Jahrzehnten gewachsene, reife und zärtliche Leidenschaft pflegen.

Ein unwiderstehlicher Unterton von Verzweiflung

Das Einzige, welches Dodin zur bonheur noch fehlt, ist die Ehe, uff die sich Eugénie trotz seiner beharrlichen Werbungen nicht einlassen will; sie sei, sagt er scherzhaft, ein Menü, dies mit dem Dessert beginne, im Gegensatz dazu zu Händen die Köchin ist sie ein Mahl, dies durch Pflichten versalzen wird. Der Konflikt, jener keiner ist, bekommt eine tragische Färbung, wie die Schwächeanfälle Eugénies in vereinigen Zusammenbruch münden, doch sie erholt sich, nicht zuletzt, weil Dodin ihr mit Austern und getrüffeltem Huhn dies Essen ihres Lebens kredenzt. Und weil sich die Welt vor den Schlossfenstern weiterdreht, gibt es eine Nebenhandlung, in jener ein Prinz Eurasien den Meisterkoch und seine Freunde zu einem so auserlesenen wie überladenen Gelage einlädt. Dodin revanchiert sich mit einem perfekt komponierten Pot au Feu.

Es gibt Filme, die von ihrer Handlung, und andere, die von ihrer Ausstattung leben. In „Geliebte Köchin“, jener im Original „La Passion de Dodin Bouffant“ heißt, ist die Ausstattung die Handlung. Kein Mobiliar- oder Kleidungsstück, kein Küchen- oder Essgeschirr, kein Gartenbeet und kein Interieur, dies nicht mit letzter Raffinesse arrangiert wäre, und wenn Juliette Binoche wie Eugénie im nächtlichen Boudoir ihre nackte Rückenansicht wie ein Traumbild von Man Ray jener Kamera darbietet, wird nicht zuletzt sie zum Schmuckstück in Tràn Anh Hùngs Kinovitrine. So baut jener Film seine Bildfolgen immer an jener Grenze zum Kitsch. Aber er überschreitet sie nie, weil er dem Klischee, dies er zitiert, jedes Mal vorne ist: Der Gemüsegarten ist kein Naturraum, sondern ein Freiluftlabor, die Kochkunst kein Museumsstück, sondern eine Manufaktur, und am Horizont jener Blumenwiese, durch die Dodin und Eugénie schreiten, lauert jener Tod.

Juliette Binoche ist zu Händen ihre Mischung aus zartem Trotz und entschlossener Hingabe überall gelobt worden, im Gegensatz dazu tatsächlich ist es Benoît Magimel wie Dodin, jener den Film zusammenhält. Man sieht ihm die Blessuren nicht an, die ihn in die Provinz rastlos nach sich ziehen, im Gegensatz dazu man ahnt sie, und man spürt die Melancholie, mit jener er die kleine Pauline betrachtet, die ihn beerben und zusammen übertreffen wird. Seine Anträge an Eugénie nach sich ziehen vereinigen Unterton von Verzweiflung, jener sie unwiderstehlich macht. So rührt nicht zuletzt die Schönheit des Films aus dem heraufziehenden Unheil, dies er nicht ohne Sklaverei ausblendet. Mit den Fressorgien des Kinos wie „Babettes Fest“ oder „Chocolat“ hat er insofern weniger gemein wie mit Renoirs „Landpartie“ und Taverniers „Sonntag uff dem Lande“, zwei Filmen, die wie er die Geister einer verlorenen Epoche zaubern.

Im vergangenen Jahr wurde „Geliebte Köchin“, jener in Cannes den Regiepreis gewonnen hatte, wie französischer Beitrag zu Händen den Auslandsoscar nominiert. Als jener Film nicht in die Endauswahl kam, beschwerten sich viele darüber, dass nicht Justine Triets „Anatomie eines Falls“ aufgestellt worden war. Aber statt die Filme gegeneinander auszuspielen, sollte man sie zusammendenken: hier dies Tableau jener Gegenwart, dort dies jener Vergangenheit, hier die Ermittlung des Unglücks, dort die Rekonstruktion des Glücks. Ein Wunder des Erzählens und eines des Dekors. Gemeinsam kennzeichnen sie den Spielraum des französischen Kinos.

Source: faz.net