Darf ich 16 Bier einzeln mit dieser Karte zahlen?

Es ist eine dieser Geschichten, die man zwei mal lesen muss, um sie auch wirklich zu glauben. Am Montagabend sitzt ein 21-jähriger Lette in einem Restaurant in Mamming, einem Ort mit weniger als 3000 Einwohnern im tiefsten Niederbayern, irgendwo im Dreieck zwischen Regensburg, Passau und München. Der lettische Gast bestellte ein Bier und bezahlte es mit der Karte. Und dann bestellte er noch ein Bier. Und noch eins. Am Ende kamen nacheinander 16 Bier zustande, und jedes bezahlte er einzeln mit Karte. Über die Größe der Biergläser, oder ob er sie für sich selbst bestellte oder anderen Gästen eine Runde ausgab, ist nichts bekannt.

Jedenfalls geriet er über seine Art der Bezahlung mit dem Wirt in Streit, der schließlich die Polizei rief. Der Grund dafür waren wohl Verständigungsschwierigkeiten, sagt Jan Pache, Sprecher der Dingolfinger Polizei, der F.A.Z. Der Lette verstand wohl einfach nicht das Problem, warum er seine Biere nicht einzeln mit der Karte zahlen kann. Und tatsächlich: In vielen, gerade englischsprachigen Ländern, ist es Gang und Gebe, seine Getränke an der Theke zu bestellen und direkt mit der Karte zu bezahlen.

Bargeld hat in Deutschland einen hohen Stellenwert

Doch in Deutschland sind die Gepflogenheiten andere. Auch wenn die Kartenzahlung gerade in Coronazeiten zugenommen hat, so akzeptieren viele Läden immer noch keine Kartenzahlung. Zwar wurden zumindest im stationären Einzelhandel laut Einzelhandelsinstitut EHI im Jahr 2023 mehr als 60 Prozent der Umsätze mit Karte beglichen, doch nur 40 Prozent der Transaktionen. Nirgendwo in Europa – mit Ausnahme vielleicht von Österreich – hat Bargeld noch immer diesen Stellenwert. Für Deutsche ist das ganz normal, viele in Europa schütteln darüber den Kopf, gerade jetzt zur Europameisterschaft.

Doch warum war der Wirt über die Art der Bezahlung nun so erbost? Er erklärte gegenüber der Polizei, er müsse pro Transaktion 20 Cent zahlen – der Gast aus Lettland hatte dafür aber kein Verständnis oder verstand tatsächlich das Problem nicht.

Ungünstige Verträge können zu hohen Kosten führen

Und tatsächlich, Transaktionen sind nie umsonst – und was man zahlen muss, kann sehr unterschiedlich sein. Doch die 20 Cent sind sehr realistisch und müssen nicht das Ende der Fahnenstange sein – eine Transaktion kann bis zu 50 Cent kosten. Doch von vorn: Möchte man als Händler oder Wirt Kartenzahlungen anbieten, schließt man einen Vertrag mit einem Zahlungsdienstleister ab, erklärt Bezahlexperte Rudolf Linsenbarth im Gespräch mit der F.A.Z. Dieser Vertrag beinhaltet variable und fixe Kosten. Fixe Kosten können etwa der Kaufpreis oder eine monatliche Mietgebühr des Terminals sein. Nun gibt es Anbieter wie SumUp, die Terminals zum Kauf ab 25 Euro anbieten und dann von jeder Transaktion 1,39 Prozent Gebühren abzwacken – das wären bei einem Bier von 4 Euro dann weniger als 6 Cent.

Doch es gibt auch deutlich ungünstigere Verträge, wie Linsenbarth erklärt, und rechnet es am Beispiel einer Girocard-Zahlung einmal durch: Hier stehen lediglich 0,2 Prozent Gebühren für die Transaktionen zu Buche. Allerdings gibt es eine Einzelgebühr, die durchaus 5 bis 9 Cent betragen kann. Wenn dann noch dazu kommt, dass die Buchungen einzeln gutgeschrieben werden, kommen hier Gebühren von 10 Cent dazu – da ist man schnell bei den 20 Cent, die der Wirt nicht für jedes Bier obendrauf zahlen wollte. Andere Branchenfachleute nennen sogar 30 Cent je Gutschrift, so dass eine Transaktion dann sogar bei 50 Cent stehen kann. Bei Kreditkarten kann das durch schlechte Verträge dann noch teurer werden.

Viel Transparenz auf dem Markt

Doch das Übel sind nicht Kartenzahlungen per se, sagt der Bezahlfachmann Jochen Siegert, der früher für Paypal und die Deutsche Bank gearbeitet hat: „Es ist ein grundlegendes Übel, dass kleine und mittlere Unternehmen hier von den Hausbanken über den Tisch gezogen werden“, sagt der Bezahlfachmann von der Deutschen Bank der F.A.Z. Deswegen rät er, genau wie Linsenbarth, Händlern unbedingt dazu, die Kosten zu vergleichen. Linsenbarth sagt: „Am besten ist es, sich mit dem spitzen Bleistift hinzusetzen und einmal nachzurechnen, was Kartenzahlungen einen im Monat kosten.“ Es bestehe viel Transparenz in dem Markt, so dass man hier schnell seine Kosten senken könne.

Grundsätzlich gibt es in Deutschland auch keine Pflicht, Kartenzahlungen zu akzeptieren – wie es übrigens auch keine Pflicht dazu gibt, Bargeld zu akzeptieren. Aber, wenn man Kartenzahlung akzeptiert, dann darf man auch keine Einschränkungen vornehmen, sagt Siegert. Das ist in den so genannten „Scheme Rules“ geregelt, welche die Zahlungsdienstleister mit ihren Kunden vereinbaren, und gesetzlich sogar in der Interchange-Regulierung. Doch noch immer finden sich, gerade bei vielen kleineren Läden Einschränkungen, beispielsweise dass die Kartenzahlung erst ab 10 Euro oder ab drei Artikeln zugelassen ist. Wie kann das sein? „Das müsste erst einmal jemand durchsetzen wollen, sagt Bezahlfachmann Linsenbarth dazu – aber der Wille sei dafür oftmals nicht da. Wenn der Wirt nicht wolle, dass die Biere einzeln bezahlt werden, müsse er vor der Bestellung darauf hinweisen, sagt Linsenbarth – dann sei das kein Problem. Ob das hier geschah ist unklar.

Und wie ging es in Mamming aus? Der Lette wurde des Wirtshauses verwiesen und bekam ein Hausverbot erteilt. Allerdings lagen keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegenüber dem Touristen vor und der Mann musste auch nicht in eine Ausnüchterungszelle, sondern konnte weiter seiner Wege ziehen. Was ihn nach Mamming verschlagen hatte und wie es für ihn weiterging, das konnte der Polizeisprecher allerdings nicht beantworten.

Source: faz.net