Cum-Ex, Steuern: Holt dasjenige Geld im Kontext den Reichen – nicht beim Bürgergeld!
Eine Nullrunde klingt nach Stillstand, nach Weiter-So, nach Stagnation. Wenn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) aber für 2025 eine Nullrunde im Bürgergeld ankündigt, dann ist das keine Stagnation, sondern eine Kürzung. Es ist die Ankündigung: Ab 2025 haben 7,2 Millionen Menschen in Bürgergeld und Grundsicherung noch weniger Kaufkraft. Gerechtfertigt wird diese Notrunde mit knappen Kassen und einer sich beruhigenden Inflation.
Wer aber in den vergangenen Wochen mal einen normalen Supermarkt von innen gesehen hat, weiß: Die Preise sind horrend. Der Euro mag im Vergleich zum Dollar gestiegen, Benzin, Diesel und Heizöl wieder billiger geworden sein, aber ein Brot kostet heute im Vergleich zu 2020 rund 38,5 Prozent mehr. Die Preise von Olivenöl haben sich teils verdreifacht: 750 ml Eigenmarke kosteten Anfang 2022 noch 3,89 Euro, aktuell 9,49 Euro.
Lebensmittel – also das, wofür Menschen in Armut hauptsächlich ihr Geld ausgeben – sind am stärksten von der Teuerung betroffen. 6,40 Euro wird im Bürgergeld einem Erwachsenen zum Essen gegönnt, pro Tag. Für jede Mahlzeit also 2,15 Euro. Für Kinder bis fünf Jahre gibt’s nur 1,27 Euro pro Mahlzeit, ab 6 Jahren dann müde 1,67 Euro. Na dann: Guten Appetit! Und viel Durchhaltevermögen und Kreativität all den Eltern, oft alleinerziehenden Müttern, die daraus etwas Gesundes zubereiten wollen.
Eine Absenkung des Bürgergeldes ist verboten – aber das will die FDP ändern
Wenn die FDP nun fordert, dass das nicht wenig genug ist und das Bürgergeld sogar um 14 bis 20 Euro abgesenkt werden soll, dann ist der Grund nicht, dass die Inflation sinkt, und auch nicht, dass die Sozialkassen leer sind, sondern dann liegt die Ursache einzig in der FDP-eigenen Not, dass ihr Markenkern inzwischen auf ein Wort zusammengeschrumpft ist: Schuldenbremse. 4 Prozent bekommt die FDP dafür noch in Umfragen. Ihre Not scheint groß.
Die geforderte Absenkung der Regelsätze verbietet bislang ein Gesetz im SGB XII, aber Gesetze kann die FDP ja ändern, wenn die SPD mitzieht (auch deren Not ist nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen groß). Aber auch jetzt schon stehen Asylsuchende nicht explizit in der Gesetzesklausel. Für sie sinkt der Regelsatz zum kommenden Jahr sogar, dabei werden Asylsuchende aus unerfindlichen Gründen ohnehin schon mit hundert Euro weniger als das Existenzminimum abgespeist. Offenbar haben sie nach Ansicht des SPD-Arbeitsministers eine andere Art von Menschenwürde und brauchen deswegen ein anderes Minimum zum (Über)Leben.
Wer den Golf erfassen kann, kann das auch beim Jaguar
Setzen wir einmal die FDP- und SPD-Wahlkampf-Brille ab und schauen nüchtern auf unsere gesellschaftlichen Zustände: Wir befinden uns mitten in einem existenziellen Verteilungskampf. Geld ist im Überfluss da. Nur leider türmt es sich da, wo es bereits ist. Und das hat System. Auf große Erbschaften entfallen kaum Steuern und die Vermögenssteuer ist seit 1991 ausgesetzt. Wie Justizminister Marco Buschmann (FDP) neulich zu bedenken gab, sei eine Vermögenssteuer in der Theorie zwar toll, aber in der Praxis nun wirklich zu kompliziert. Gemälde, Jaguare, Immobilien und Diademe einzeln schätzen zu lassen, wo käme man da hin?! Ja, liebe FDP, das mag kompliziert sein.
Aber im Bürgergeld klappt das doch auch! Da müssen die Menschen alles von Wert angeben, sei es der alte Golf oder der vererbte Goldring der Oma, bis hin zum Fuffi unterm Kopfkissen, den man zum Geburtstag bekam. Das alles wird auf Heller und Cent mit dem Anspruch auf Bürgergeld verrechnet. Notfalls muss man den Ring verschachern, bevor die Sozialleistungen fließen. Durch die ausgesetzte Vermögenssteuer hat der Fiskus seit 1996 auf schätzungsweise 380 Milliarden Euro verzichtet.
Sondervermögen, Diäten für Abgeordnete, Cum-Ex: Dafür ist Geld da
Dass „die Kassen leer“ sind, ist kein Naturgesetz. Dahinter stehen immer politische Entscheidungen, für wen oder was Geld locker gemacht werden will. Ein „Sondervermögen“ für die Zeitenwende konnte über Nacht aus dem Hut gezaubert werden. Die Diäten der Bundestagsabgeordneten wurden diesen Juli um satte sechs Prozent erhöht: 635 Euro. Die stärkste Erhöhung seit 30 Jahren. Die Liste lässt sich verlängern. Das sind Privilegien für Privilegierte und die wissen von sich abzulenken: Der Hass auf die Armen („selbst schuld“) kaschiert die Eigenliebe der Reichen („selbst erarbeitet“).
Erbschaften, Schenkungen, geschickte Steuervermeidung, lobby-getriebene Steuererleichterungen, Milliarden-Tricksereien mit Cum-Ex und Cum-Cum. Da ist das Geld. Damit könnten wir den Haushalt sanieren.
Populismus wirkt! Aber nur rechts der Ampel
Stattdessen: „Weniger Sozialleistungen“ und „konsequent Abschieben“. Das sind die vermeintlichen Heilsbringer in einer gespaltenen, angsterfüllten Gesellschaft. Populistische Verkaufsschlager. Und nicht nur FDP, sondern auch SPD und Grüne bereiten der AfD den Boden, indem sie ihre Narrative nicht nur im Chor mitsingen, sondern auch sozial- und migrationspolitische Verschärfungen vorbereiten, die selbst einen Horst Seehofer, ehem. CSU-Innenminister glücklich machen würden (Der schenkte sich selbst zum 69. Geburtstag 69 Abschiebungen). In der Eskalation müssen doch irgendwann die Stimmanteile der Parteien wieder wachsen, oder? Tun sie. Aber eben nicht bei der Ampel, sondern rechts davon.
Es ist grotesk. Wir leben in einer Zeit, in der Reiche immer reicher werden und die Politik sie dabei auch noch aktiv unterstützt oder schützt. Anstatt die Schuldenbremse zu lockern und progressive Steuermodelle zu ersinnen, müssen die herhalten, die sich ohnehin nicht wehren können: Erwerbslose, Flüchtlinge, Alte, Kranke und Niedriglohn-Schufter. Dabei ist hier noch nicht einmal nennenswertes Geld zu holen. Doch parteitaktische Manöver sind wichtiger als jede politisch seriöse Ambition. Es geht nicht um die Staatskasse, es geht um die Wahlurne. Hier wird um jedes Promille gekämpft. Die Not ist groß.