COP16: Das Ziel war, die Artenvielfalt zu schützen – zwar dasjenige Gegenteil ist welcher Fall
Die Biodiversität schwindet dramatisch: Nur drei Prozent der Ökosysteme sind intakt, 40.000 Arten bedroht. Bei der COP 16 wird verhandelt, wie Zerstörung eingedämmt werden soll – doch Indigene und Umweltgruppen sehen nur Lippenbekenntnisse
Die Zahlen sind dramatisch: Nur drei Prozent der globalen Ökosysteme sind noch intakt. Laut der Weltnaturschutzunion sind mehr als 40.000 Tier- und Pflanzenarten akut bedroht. Seit Jahren scheitert die Weltgemeinschaft jedoch daran, ihre Biodiversitätsziele zu erfüllen. Auch Deutschland und die EU. Seit mehr als einer Woche wird im kolumbianischen Cali verhandelt, wie das Abkommen zur Eindämmung der Zerstörung umgesetzt und finanziert werden soll, das 2022 im chinesischen Kunming beschlossen wurde. Bringt die COP 16 nun die nötige Wende?
Mitnichten. Und das liegt nicht daran, dass nur 30 der 200 Vertragspartner mit nationalen Strategien anreisten und bisher nur 250 Millionen US-Dollar in den Global Biodiversity Framework Fund eingezahlt wurden, obwohl 20 Milliarden Dollar bis 2025 vorgesehen waren. Es liegt an den Zielen des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework selbst. Besonders umstritten ist das sogenannte 30-mal-30-Ziel, bis 2030 insgesamt 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen.
Nationalparks – Treiber für Landraub gegen Indigene
Nationalparks und abgeriegelte Schutzgebiete sind bis heute der größte Treiber für Landraub und Gewalt gegen indigene Völker. 80 Prozent der biologisch vielfältigsten Gebiete der Erde sind Heimat Indigener. Die rassistische Idee, dass sie der Natur schaden, von der sie leben, hat mehr als 130 Millionen Indigene zu Naturschutzflüchtlingen gemacht. Zwar werden Indigene im Entwurf an vielen Stellen erwähnt, was als historischer Sieg gefeiert wurde. Auch soll der Fonds eine „auf Menschenrechten basierende“ Umsetzung der Ziele unterstützen: 20 Prozent der Mittel sind für indigene Gemeinschaften vorgesehen.
Doch laut einer Untersuchung der Organisation „Survival International“, die sich für die Rechte und den Schutz Indigener einsetzt, richtet sich nur ein einziges der 22 bisher genehmigten Projekte des Global Biodiversity Framework Fund tatsächlich an Indigene. Mehr als die Hälfte der Mittel geht an umstrittene Naturschutzmultis wie WWF und Conservation International, die einen „Festungsnaturschutz“ umsetzen und mit Unternehmen arbeiten, die für die Zerstörung von Klima und Natur mitverantwortlich sind. In einigen Projekten des Fonds gebe es bereits Vertreibungen und Konflikte – etwa im Schutzgebiet Tri-National Sangha. Eine menschenrechtliche Absicherung, etwa die Einholung der freien, vorherigen und informierten Zustimmung indigener Völker, fehle oder sei zu schwach.
Der Handel mit Biodiversitätszertifikaten
Eine ebenfalls verheerende Bilanz: Ein Ziel des Kunming-Abkommens war der Handel mit Biodiversitätszertifikaten, um Geld für den Naturschutz zu generieren. Er soll ähnlich funktionieren wie der umstrittene Handel mit Verschmutzungsrechten im Klimabereich. Wer Natur schädigt, soll dies per Gutschrift anderswo auf der Welt ausgleichen. Doch die bereits bestehenden Projekte sind nicht nur gescheitert, sondern haben gleichzeitig die Zerstörung der Artenvielfalt etwa durch den Bau von Infrastruktur oder Rohstoffförderung vorangetrieben.
Was wirklich verhandelt werden müsste? Nichts anderes als beim Klima auch: der Ausstieg aus Öl und Gas sowie aus der industrialisierten Landwirtschaft mit Monokulturen und Fleischproduktion. Doch das steht – bis auf die Reduzierung von Pestiziden – nicht auf der Agenda. So hat sich die Biodiversitäts- der Klima-COP angenähert: Um die Beseitigung der Ursachen geht es nicht, sondern um den Erhalt des Status quo auf dem Rücken von Mensch und Natur unter einem grünen Mantel.