COP in Belém: UN-Klimachef warnt: „Keine einzige Nation unter Ihnen kann sich dies leisten!“

Zum Auftakt der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém hat der Klimachef der Vereinten Nationen, Simon Stiell, die Fortschritte der Staatengemeinschaft zum Schutz des Planeten gelobt. „Die Emissionskurve wurde [seit Paris] nach unten gedrückt. Das ist geschehen, weil in Räumen wie diesem Vereinbarungen getroffen wurden, Regierungen Gesetze erlassen haben und die Märkte darauf reagiert haben“, sagte Stiell. Die Anstrengungen reichten aber bei weitem noch nicht aus, um die Erderwärmung auf ein tragbares Maß zu verringern, sagte Stiell am Montag.

Stiell leitet als Exekutivsekretär das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen zu Klimaänderungen mit Sitz in Bonn. Die Organisation richtet die jährlichen Klimakonferenzen (COP) aus. Ungewohnt deutlich gestand Stiell ein, dass das auf der Tagung in Paris vor zehn Jahren in Aussicht gestellte und später verbindlich gemachte globale Klimaziel schon verfehlt sei. „Die Wissenschaft spricht eine eindeutige Sprache: Nach einer zeitweiligen Überschreitung können und müssen wir die Temperaturen auf den 1,5-Grad-Pfad zurückbringen“, mahnte Stiell.

„Individuelle Verpflichtungen allein verringern die Emissionen nicht“

Die fast 200 Vertragsstaaten hatten sich in der Vergangenheit dazu verpflichtet, den Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad zu begrenzen. Im Jahr 2024 war diese Grenze erstmals überschritten worden, doch gilt das Ziel in der UN-Terminologie noch nicht als verfehlt, weil dafür ein mehrjähriger Durchschnitt entscheidend ist. Stiell deutete jetzt an, dass die überjährige Überschreitung bald zu erwarten sei.

Besonders wichtig war Stiell die Feststellung, dass in dieser brenzlichen Situation nicht einzelne Länder oder Staatengemeinschaften den Planeten retten könnten. Dieser Appell richtete sich auch an Politiker und Bewegungen in der westlichen Welt, die glauben, durch isolierte europäische, nationale, regionale oder gar kommunale Aktionen Veränderungen herbeizuführen.

„Individuelle Verpflichtungen allein verringern die Emissionen nicht“, so der UN-Klimachef, der eine Analogie zum Austragungsort am Rande des Regenwalds an der Amazonasmündung bemühte. „Wir können viel von diesem mächtigen Strom lernen, der keine Einheit bildet, sondern ein riesenhaftes Flusssystem aus mehr als tausend Zuflüssen ist“, rief er den fast 200 Delegierten zu. „Um unsere Ziele schneller zu verwirklichen, muss der COP-Prozess auf die gleiche Weise unterstützt werden, angetrieben von vielen Strömen der internationalen Zusammenarbeit.“

Solar- und Windenergie sind die preisgünstigsten Stromquellen

Eigentlich hätten vor Beginn der Großveranstaltung, zu der bis zu 50.000 Teilnehmer erwartet werden, alle Vertragsstaaten verschärfte nationale Klimaschutzbeiträge (NDC) vorlegen müssen. Nur ein Drittel hat das aber getan. Stiell nahm die Teilnehmer ungewohnt deutlich ins Gebet, um endlich zu liefern: „Keine einzige Nation unter Ihnen kann sich das leisten, denn Klimakatastrophen vertilgen zweistellige Prozentsätze vom Bruttoinlandsprodukt“, sagte er. „Während Klimakatastrophen das Leben von Millionen Menschen zerstören, obwohl wir bereits die Lösungen haben, wird uns das niemals vergeben werden.“

Zu den Lösungen zählte er, dass in 90 Prozent der Welt Solar- und Windenergie die preisgünstigsten Stromquellen seien. Die Erneuerbaren hätten 2025 in der Bedeutung erstmals die Kohle übertroffen. Die Investitionen in die grünen Techniken erreichten 2025 einen Rekord, sie überträfen die Geldmittel für fossile Brennstoffe im Verhältnis zwei zu eins.

In Belém gehe es jetzt darum, den verabredeten Wandel weg von Kohle, Öl und Gas „fair und geordnet“ zu gestalten, dazu zählten auch die beschlossene Verdreifachung erneuerbarer Energien sowie die Verdopplung der Energieeffizienz. Die Klimafinanzierung – unter Führung der Industrieländer – sei auf der COP29 vergangenes Jahr in Aserbaidschan auf 300 Milliarden Dollar im Jahr verdreifacht worden.

„Jetzt müssen wir die Baku-Belem-Roadmap umsetzen und uns auf den Weg zu den 1,3 Billionen Dollar machen“, so Stiell. Das ebenfalls vereinbarte globale Ziel zur Klimafolgenanpassung müsse jetzt von verlässlichen Indikatoren flankiert werden, um das „volle Potential zu entfalten“.

Weiter mahnte Stiell: „In Belém müssen wir die Welt der Verhandlungen mit den nötigen Maßnahmen in der realen Wirtschaft verbinden.“ Wer sich verweigere oder zu kleine Schritte mache, werde „mit Stagnation und höheren Preisen konfrontiert, während andere Volkswirtschaften voranschreiten.“ Die grüne Wirtschaft nannte Stiell „die Wachstumsgeschichte des 21. Jahrhunderts, die wirtschaftliche Transformation unserer Zeit.“