Comedy: Warum Brit:medial nicht gut Minderheiten lachen und Inder:medial schon

Im Sommer 2010 schrieb Anuvab Pal einen Artikel über die Eröffnung eines neuen Veranstaltungsorts in der indischen Stadt Mumbai: Comedy-Producer Don Ward wollte mit seinem Comedy Store den britischen Stand-up-Stil in Indien einführen. Pal, der damals hauptsächlich als Drehbuchautor arbeitete, kam, um Ward zu interviewen. Der erklärte, dass Berichterstattung schön und gut sei, aber was er wirklich brauche, seien Leute, die auftreten. Ob Pal sich vorstellen könnte, sich dafür zu bewerben?

Pal sagte zu, blieb aber skeptisch. „Damals sagte ich zu meiner Familie: ‚Das ist nur ein kleines Hobby. Ich glaube nicht, dass englische Comedy sich in Indien durchsetzt‘“, erinnert er sich. „14 Jahre später sitzen wir hier und führen dieses Gespräch. Ich wache immer noch jeden Morgen auf und denke: ‚Bald ist das vorbei. Muss ja.‘“

Das aber ist höchst unwahrscheinlich. Nicht nur hat die indische Stand-up-Comedy in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Sie kehrt derzeit wie ein Bumerang nach Großbritannien zurück. Im vergangenen Jahr gewann die 28-jährige Comedian Urooj Ashfaq aus Mumbai den Preis für den Besten Newcomer beim legendären Kulturfestival Fringe in Edinburgh. Einige Wochen später war Zakir Khan der erste asiatische Komiker, der in der traditionsreichen Royal Albert Hall in London als Haupt-Act auftrat. Und im Dezember sorgte Vir Das – in seiner Heimat ein Superstar – für ein ausverkauftes Haus in der Konzerthalle Hammersmith Apollo im Londoner Stadtteil Hammersmith. Als einer der Gründerväter des indischen Stand-up – Ashfaq bezeichnet ihn als „eine Legende“ – hat auch Pal sich in Großbritannien einen Namen gemacht: Von Mitte Mai bis Anfang Juni tourte er durchs Land.

„In nur zehn Jahren hat sich die Branche von null zu einem Riesending entwickelt“, sagt Kanan Gill, ein Star der indischen Comedy-Szene, der jüngst ebenfalls durch Großbritannien tourte. Live dargebotene Comedy gab es natürlich in Indien auch schon vor 2010, aber die sah sehr anders aus und es gab keine speziellen Clubs für Comedy. Pal erinnert sich an eine Zeit, als einzelne Performer Mehrzweckhallen für ihre Auftritte mieteten. Gezeigt wurden meist „Imitationen von Persönlichkeiten, von Stimmen, oder es wurden Geschichten mit vielen Anekdoten erzählt“. Das angloamerikanische Comedy-Format, bei dem ein Mensch am Mikrofon „so tut, als erzähle er aus dem eigenen alltäglichen Leben, war völlig unbekannt“, erklärt Pal. Als das Format nach Indien kam, „brach es viele Tabus. In den Anfängen verließen auch einige Zuschauer den Raum. Die Leute riefen: ‚Was ist das?‘“

Man teilt den Zynismus

Anfangs wirkte dieser neue Comedy-Stil „wie ein britisches Exportgut“, erzählt Gill. Zumal die meisten Programme in englischer Sprache sind. Da das indische Fernsehen eher traditioneller, meist auf Hindi aufgeführter Comedy eine Bühne bot, fand die neue Form ihre Heimat online. Mit der zunehmenden Verbreitung im Internet entstand dann wiederum eine reale Infrastruktur mit Comedy-Clubs „in allen indischen Städten“, erzählt Pal.

Als die erfolgreichen indischen Comedians begannen, nach Großbritannien zu kommen, zielten sie auf ein Publikum aus der südasiatischen Diaspora, das sie aus den sozialen Medien kannte. Aber das verändert sich gerade. Nicht zuletzt Ashfaqs Auszeichnung in Edinburgh und seine anschließende Großbritannien-Tour zeigten, dass es beim breiteren britischen Publikum durchaus Interesse an indischer Stand-up-Comedy gibt. Durch ihren Erfolg „betrachten das viele indische Comedians jetzt als etwas, das wir tun können“, erklärte Sapan Verma, Stand-up-Comedian und Mitbegründer des East-India-Comedy-Kollektivs. „Es zum Fringe-Festival zu schaffen, ist ein Karriereziel.“ Kürzlich bemerkte Verma fasziniert, dass bei einem seiner Gigs in London in der ersten Reihe zwei Besucher aus der nordwestenglischen Stadt Manchester saßen. „Inder verstehe ich ja – sie folgen mir auf Instagram oder verspüren ein bisschen Nostalgie. Aber Nicht-Inder frage ich immer, was sie bewogen hat zu kommen. Ich finde das spannend.“ (Die beiden waren zufällig auf eins von Vermas Youtube-Videos gestoßen.)

Comedy basiert in der Regel auf etwas, das vertraut sein muss, angereichert durch ungewöhnliche Perspektiven. Diese beiden Elemente tragen dazu bei, dass die indischen Stand-ups beim britischen Publikum ankommen. Im Vergleich zu Indien fühlt sich Urooj Ashfaq bei ihren Auftritten in Großbritannien „einzigartiger“, weil sie unterschiedliche Sichtweisen überbrücken kann, die das Publikum denken lassen: „Wow, daran haben wir noch nie gedacht!“ Manchmal müssen auch Witze angepasst werden, um die unterschiedlichen kulturellen Empfindlichkeiten zu spiegeln. Am Anfang funktionierte etwa ein Gag über Scheidung nicht richtig, weil sie darüber sprach, „als ob es in Großbritannien ein ebenso verpöntes Tabu sei wie in Indien“. Aber der grundlegende Humor benötigt selten Übersetzung. In ihrer jüngsten Show las Ashfaq aus ihren Tagebüchern als Kind vor und war überrascht von der Universalität des Witzes: „Ich dachte, ich sei auf eine sehr indische Art und Weise peinlich gewesen – aber eigentlich ist es überall dasselbe, ein Kind zu sein.“

Zwischen der britischen und der indischen Kultur gibt es Überschneidungen. Das ist zum Teil auf die strukturellen Auswirkungen des Kolonialismus zurückzuführen, aber auch auf eine gemeinsame Sensibilität: Ashfaq beobachtet zum Beispiel den „Zynismus“, der in beiden Ländern vorherrscht, während Pal auf den „Pessimismus“ hinweist, die „Ach, lassen wir das, es wird schon regnen“-Einstellung.

Wenig überraschend bestehen aber auch Unterschiede. Ashfaq hat den Eindruck, dass „die Menschen in Indien viel leichter von liberalen Ideen geschockt sind, die Menschen in Großbritannien dagegen stärker durch traditionelle Vorstellungen“. Aufgefallen ist ihr, dass das Publikum in London weniger bereit ist über „marginalisierte Menschen und Minderheiten“ zu lachen als das indische Publikum – was Sinn ergebe, weil „ein großer Teil des indischen Publikums ebenfalls marginalisiert ist oder Minderheiten angehört, sodass man unter seinesgleichen Witze macht“.

Geprägt von „The Office“

Ein Grund dafür, dass indische Comedy beim britischen Publikum gut ankommt, ist sicherlich, dass sie von britischer Comedy inspiriert ist. Pal hat einen ausgesprochen anglophilen Geschmack („selbstironische“ Serien wie The Office zum Beispiel), während Ashfaq schon als Studentin „trockene und sarkastische“ britische Comedy auf Youtube lieben lernte. Als relativ junge Variante des Genres steht beim indischen Stand-up weitgehend Beobachtung und autobiografisches Erzählen im Mittelpunkt. Von den experimentelleren Formen in Großbritannien kann es daher noch profitieren. Ashfaq war von der Clownerie auf dem Fringe im vergangenen Jahr „fasziniert“, während Vermas Besuch dort ihn dazu inspirierte, Requisiten zu verwenden. Daran hätte er „in Indien nie gedacht“, sagt er, „selbst wenn ich die Show noch die nächsten zehn Jahre gemacht hätte“. Und doch unterstützt die angesprochene Requisite – eine Nebelmaschine – einen Witz, der nie von einem britischen Komiker geschrieben worden wäre. „Ich hatte etwas Kritisches über eine politische Partei zu Hause getwittert. Daraufhin brachten sie eine Fake-News-Story in Umlauf, in der es hieß, Sapan Verma benutzt in seinen Comedy-Shows Lachgas“, erklärt er. Ursprünglich habe er sein Programm mit „Standardpointen beendet, aber jetzt sage ich: ‚Leute, das würde ich euch nie antun.‘“ Einsatz Nebelmaschine.

Man kann unmöglich über Comedy in Indien sprechen, ohne die staatliche Kontrolle der Kunstform zu erwähnen. Im Jahr 2021 kam Munawar Faruqui für 35 Tage ins Gefängnis, weil er an einem Comedy-Abend Hindugötter beleidigt haben soll – mit Witzen, die er nie erzählt hat. Im selben Jahr führte Vir Das in Washington, D.C. seinen Zwei-Indien-Monolog auf – einen Katalog der Heucheleien und Widersprüche in seinem Heimatland („Ich komme aus einem Indien, das die größte arbeitende Bevölkerung unter 30 Jahren auf der Welt hat, aber weiter auf 75-jährige Politiker mit 150 Jahre alten Ideen hört.“). Daraufhin leiteten mehrere Politiker rechtliche Schritte gegen ihn ein.

Die Lage vor Ort in Indien ist schwierig: Ashfaq sagt, sie vermeide es, „die Regierung zu kritisieren“. Pal dagegen macht „ziemlich oft Witze über Politik. Allerdings bin ich vorsichtig, was ich in den sozialen Medien veröffentliche. Ich habe aber die wachsende politische Vorsicht unter Künstlern in Anwesenheit des indischen Premierministers und einigen anderen Ministern angesprochen, in einen Witz verpackt. Es gab ziemlich viel Gelächter“.

Für indische Comedians, die in Großbritannien auftreten, ist ohnehin eine andere politische Dynamik wichtiger: der Kolonialismus. In seiner Show für Großbritannien von 2018 – The Empire – verkörperte Pal auf ironische Weise einen von Großbritannien besessenen Inder. Der Blick auf die britisch-indische Dynamik habe ihn schon lange gefesselt – von den „schrecklichen Dingen“, die Großbritannien angerichtet hat, bis zur Popularität von Dishoom, der britischen Kette von Cafés im Stil Mumbais der 1950er Jahre. Seine neue Show The Department of Britishness plädiert ironisch dafür, die britische Kultur erneut nach Indien zu exportieren.

Für Sivaraman ist die Eröffnung eines Gesprächs über die Kolonialgeschichte nicht auf tatsächliche Gespräche über das britische Empire beschränkt – es kann auch allein durch Comedy-Erfolg angestoßen werden. Sie beschreibt „das herrlich kribbelnde Gefühl, sich gegen den Kolonialismus in Großbritannien aufzulehnen“, das sich einstellt, wenn indische Comedians in Großbritannien Lacher ernten. „Als Zakir Khan in der Royal Albert Hall auftrat, kam der Moment, der einfach zeigte: Guck, was wir erreicht haben, wir haben die Bühnen erobert! Das bedeutet viel für jeden, der sich als südasiatisch identifiziert und hier ist – es ist eine brillante Wiedergutmachung“.

Rachel Aroesti ist Autorin des Guardian