Colbert und Kimmel: „Wow“

„Ich hoffe, wir kriegen niemals wieder so einen Präsidenten!“ Mit diesem Satz wollte Late-Night-Host Jimmy Kimmel wohl zeigen, dass er sich von Donald Trump nicht einschüchtern lässt – und dass die Redefreiheit nach wie vor gilt, auch im Fernsehen und auch bei ABC, dem Sender, der seine Show kurzzeitig ausgesetzt hatte. Am Dienstag sprach Kimmel den Satz aber nicht einfach in die Kamera, er sagte ihn zu Stephen Colbert, dessen „Late Show“ bei CBS vor dem Aus steht.
Beide Hosts trafen sich in New York, wo Kimmel einmal im Jahr ein paar Shows vor Publikum in der Brooklyn Academy of Music (BAM) aufzeichnet, statt wie sonst in Los Angeles. So konnte er nicht nur Colbert einladen, sondern ein paar Stunden später auch noch Gast in dessen Show in Manhattan sein. „Mein erster Gast heute ist ein mit dem Emmy ausgezeichneter Talk-Show-Host, der dank der Trump-Regierung nur noch für eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht“, sagte Kimmel zur Begrüßung.
Colbert kritisiert „dickes, fettes Bestechungsgeld“
In beiden Shows beschrieben die Moderatoren, wie es ihnen in den letzten Monaten erging. Im Juli hatte CBS entschieden, Colberts Sendung im kommenden Mai auslaufen zu lassen – offiziell aus ökonomischen Gründen, aber offenbar unter Druck von Trump. Colbert hatte wenige Tage zuvor den Deal zwischen dem Präsidenten und der Konzernmutter Paramount kritisiert, der Trump 16 Millionen Dollar einbrachte – für den Verzicht auf eine Klage gegen ein angeblich parteiisches Interview mit Trumps Gegnerin Kamala Harris im letzten Präsidentschaftswahlkampf. Ein „dickes, fettes Bestechungsgeld“ hatte Colbert das im Hinblick auf die anstehende Fusion von Paramount und Skydance genannt.
Seinen Rauswurf hatte er live im Fernsehen verkündet – auch daran erinnerte sich Colbert nun in Kimmels Show. Den vermeintlichen „Gag“ habe er zweimal verhaspelt, und als das Publikum dann verstanden habe, dass es kein Witz war, habe niemand gelacht. Als Gast seines Freundes wiederum berichtete Kimmel, wie ABC ihn vom Schirm genommen hatte. In seiner Sendung hatte er fälschlicherweise behauptet, der mutmaßliche Mörder des rechten Aktivisten Charlie Kirk gehöre selbst dem MAGA-Lager an. „Ich dachte, das war es jetzt, ich komme nie wieder ins Fernsehen zurück“, sagte Kimmel.
Colbert zeigt erstmals Video von seiner Reaktion auf Kimmels Rauswurf
Dass es dann anders kam, hatte auch mit dem ökonomischen Druck auf den Disney-Konzern zu tun, von dem ABC ein Teil ist: Viele Menschen kündigten ihre Abos, es gab Solidaritätsbekundungen von Prominenten, Kritiker warnten vor einer Beschädigung der Verfassung durch die offene Zensur. Colbert zeigte am Dienstag erstmals ein Video von seiner Reaktion auf Kimmels Rauswurf, der es nicht in seine Sendung geschafft hatte: „Wow“ sagte er darin mehrfach mit schockiertem Gesichtsausdruck, in seinem TV-Set sitzend. Kimmel durfte kurze Zeit später wieder auf den Schirm, richtete einige Worte der Reue an Kirks Witwe – doch gerade bei dem gemeinsamen Auftritt mit Colbert machte er erneut klar, dass seine Zivilität keine Selbstzensur bedeute, wenn es um Kritik an Trump geht. „Hi Donald!“, kommentierte Kimmel ein Foto, das er auf seinem Instagram-Profil veröffentlichte und das ihn Arm in Arm mit Colbert und dem Comedian Seth Meyers zeigt, der ebenfalls zu Gast war.
Beim Publikum kam die gemeinsame Showeinlage in New York gut an. Kimmel wurde mit Jubel empfangen, auch Colbert riefen die Fans in der Konzerthalle in Brooklyn „Stephen, Stephen“ zu. Zum Abschluss von Kimmels Gastspiel bei Colbert gab es einen Toast mit Tequila „auf gute Freunde, großartige Jobs und aufs Late Night TV“. Kuschelig könnte man diese Atmosphäre nennen, denn natürlich ist New York ein Heimspiel für beide, wenn es um die Inszenierung des gemeinsamen Kampfes für die Meinungsfreiheit geht. Was bleibt ihnen als Entertainer aber auch übrig, als diese Widerständigkeit und die gegenseitige Unterstützung maximal fernsehtauglich in Szene zu setzen, als die trotzige Bromance zweier Aufrechter?
Kimmel und Colbert sind schon öfter so in ihren jeweiligen Shows aufgetreten. Sie sind mehr denn je und vor allem im Netz wichtige Kritiker Trumps, während die Publikumstrends im Fernsehen seit Jahren nach unten weisen – einst hatten beide Hosts um die drei Millionen Zuschauer, nun sind es unter zwei. Aber eine Antwort darauf, wie es abseits der kulturellen Blase, die man bespielt, weitergeht, wie man vielleicht sogar Programm machen könnte für Menschen, die Trump gut finden, haben auch die beiden Late-Night-Stars noch nicht gefunden.
Source: faz.net