„China hat sich in Richtung Elektrifizierung gewandelt, da spielen Europäer leider keine Rolle mehr“

Während der Verkündung der Jahresbilanz hatte Porsche-Chef Oliver Blume noch einmal seine Elektropläne bestätigt. „Wir stehen zu unserer Strategie, der Hochlauf der Elektromobilität ist wichtig, weil der Elektromotor dem Verbrenner langfristig überlegen ist“, erklärte Blume im März in Leipzig. Und die Strategie war ehrgeizig: Der Plan, der vor wenigen Monaten noch galt, sah vor, dass Porsche 2030 mehr als 80 Prozent seiner Fahrzeuge mit einem vollelektrischen Antrieb ausliefert.

Aber die Vorzeichen haben sich geändert. Angesichts der schwachen Nachfrage nach Elektroautos und des Preiskampfes auf dem chinesischen Markt ändert der Sportwagenhersteller zurzeit seine Pläne. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken“, sagte Finanzchef Lutz Meschke anlässlich der Quartalszahlen am Freitag. „Wir beschäftigen uns gerade damit, dass die ursprünglich rein elektrisch geplanten Fahrzeuge in Zukunft doch noch einen Hybrid-Antrieb oder einen Verbrennungsmotor erhalten. Da sind wir gerade mitten in den Konzeptionsentscheidungen. Klar ist, wir halten deutlich länger am Verbrenner fest.“

Eigentlich hatte Porsche im Frühjahr noch für seine Elektro-Offensive geworben. Die Quote an elektrischen Fahrzeugen sollte stark ansteigen – vor allem durch die zweite Generation des elektrischen Taycan und dem elektrischen Macan, der das Verbrenner-Modell ablöst. Zudem bringt Porsche das Modell Panamera und einen neuen 911er jeweils mit konventionellem Antrieb und als Hybrid auf den Markt. Diesen Anläufen sollen eigentlich bis zum Ende der Dekade vollelektrische Versionen des Cayenne sowie des 718er und ein weiterer vollelektrischer SUV folgen.

Fabriken für alle Antriebsarten

Porsche ist nach Angaben von Finanzchef Meschke zwar auch weiterhin darauf vorbereitet, zum Ende der Dekade 80 Prozent der Autos mit elektrischen Motoren auszuliefern. Voraussetzung sei allerdings, dass die Nachfrage auch in den oberen Preiskategorien da ist, was im Moment aber vor allem auch in China nicht der Fall sei. „Da muss sich erst ein Luxussegment herausbilden, um auf die dem Verbrennerbereich entsprechenden Stückzahlen zu kommen“, erklärte er.

Bis dahin werde sich Porsche in der Produktion so flexibel wie in der Fabrik in Leipzig aufstellen, damit auch in anderen Werken auf derselben Produktionslinie Autos mit Verbrennungsmotoren, mit Elektroantrieben oder Hybrid-Aggregaten gefertigt werden können. „Wir schauen, dass wir die zukünftig geplanten Plattformen so ausrichten, dass alle Antriebsarten eingebaut werden können.“

Andere Automobil-Unternehmen dagegen hätten im Unterschied zu Porsche schon lange nicht mehr die wirtschaftliche Stärke, sich so flexibel auf die aktuelle Lage einzustellen, wie das der Sportwagenhersteller gerade tue, warnt Meschke. „Viele Bereiche unserer Industrie sind nicht in der Lage, den so langsamen Hochlauf der Elektromobilität zu gestalten, wir sehen das beim Mittelstand, insbesondere bei unseren Zulieferern“, sagt der Auto-Manager, und er fügt hinzu. „Hier fehlt einfach die Rendite. Ich bin mir nicht sicher, ob der Rest der europäischen Industrie eine einseitige Ausrichtung in Richtung Elektrifizierung überleben wird.“

Die Schlussfolgerung, die Meschke zieht, ist klar. „Das für 2035 geplante Verbrennerverbot muss fallen, damit auch die Zulieferer wieder in innovative Verbrenner-Technologie investieren können.“ Denn im Moment haben die Unternehmen nach Beobachtung von Meschke oft Schwierigkeiten, von ihren Banken die notwendige Finanzierung für Investitionen in konventionelle Antriebstechnik zu bekommen.

Nach Ansicht des Porsche-Finanzchef braucht die Industrie „deutlich mehr Zeit“, damit sich die Unternehmen auf die andauernd wechselnden Rahmenbedingungen einstellen können, um wettbewerbsfähig zu werden. Das gelte nicht in erster Linie für Luxusanbieter wie Porsche, sondern vor allem für die Volumenhersteller in Europa, „die sicherlich noch einige Jahre brauchen, um auch im Hinblick auf den Wettbewerb aus China konkurrenzfähig zu werden“. Meschke fordert ein „massives Eintreten unserer Regierung“ bei der Kommission der Europäischen Union in Brüssel, um die Deindustrialisierung abzuwenden. Denn eines sei klar, wenn „wir Europa deindustrialisieren, laufen wir die Gefahr, zum Armenhaus in Europa zu werden, und gefährden den sozialen Frieden“.

Forderung nach synthetischen Kraftstoffen

Der Porsche-Manager mahnt eine Technologie-offene Regulatorik an, zu der für ihn neben einer Rücknahme des Verbrenner-Verbots auch eine Förderung von synthetischen Kraftstoffen und „Direct Air Capturing“-Verfahren gehört. Diese sogenannten E-Fuels werden mittels elektrischer Energie aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt, das der Umgebungsluft entnommen wird. Sie gelten als klimaneutral, wenn die Wasserstoff-Elektrolyse erneuerbare Energien verwendet. „Wir brauchen diese Kraftstoffe unbedingt. Denn wenn man das Kohlendioxid direkt aus der Luft nimmt und mit grünem Wasserstoff verbindet, können Verbrennungsmotoren nahezu CO2-neutral betrieben werden“, erläutert Meschke, dem für den Start Beimischungsvorgaben von bis zu 50 Prozent vorschweben.

Notwendig sei auch eine Anpassung der Regeln bei den CO2-Strafzahlungen, „die die europäische Industrie nicht stranguliert, sondern innovative und nachhaltige Ideen fördert“, sagt Meschke weiter. „Ich glaube, dass es Deutschland und Europa immer stark gemacht, in Innovationen und Technologiesprüngen zu denken und nicht nach strikten Vorgaben zu arbeiten.“

Hintergrund für die Überlegungen und die damit verbundenen Forderungen ist die Einschätzung Meschkes, dass China für europäische Autohersteller auf kurze und mittelfristige Sicht verloren ist. „Wir dürfen in Zukunft einfach nicht mehr davon ausgehen, dass der Markt dort für europäische Anbieter wieder dahin zurückkommt, wo er einmal war“, sagt Meschke. „China hat sich in Richtung Elektrifizierung gewandelt, da spielen Europäer leider keine Rolle mehr.“ Das Elektrosegment im größten Automarkt der Welt werde von lokalen Anbietern beherrscht, die „ganz andere Kostenstrukturen haben und die von ihrer Digitalisierung und Konnektivität ganz anders aufgestellt sind als die Europäer“. Das gelte für Premiumanbieter genauso wie für Volumenhersteller.

Keine Erholung im chinesischen Markt

Die erhoffte Erholung für ausländischen Anbieter im chinesischen Markt werde in den nächsten Jahren nicht eintreten. „Wir bei Porsche gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr auf etwa dem gleichen Niveau wie 2024 sein werden“, sagt Meschke. „Und je weiter die Elektrifizierung geht, desto mehr wird der Druck zunehmen.“ Wie groß der Druck und vor allem die Preisunterschiede in China schon seien, machte der Manager mit einem Beispiel deutlich: Im Premiumbereich geben chinesische Autohersteller Fahrzeuge für einen Preis von 30.000 Euro in den Markt, für die europäische Anbieter gewohnt waren, zwischen 70.000 und 80.000 Euro zu erzielen.

Die aktuellen Zahlen von Porsche zeigen, wie auch ein Luxusanbieter in China zu kämpfen hat. Schon im Jahr 2023 sank der Absatz in der Volksrepublik um 15 Prozent auf knapp 80.000 Autos. In den ersten sechs Monaten 2024 kauften nur 30.000 Kunden bei dem Sportwagenhersteller ein Fahrzeug, ein Minus von einem Drittel. Das Unternehmen tauschte daraufhin seinen China-Chef aus. Zurzeit liegt der Anteil der Autos, die Porsche in der Volksrepublik verkauft, im Hinblick auf den Gesamtabsatz bei 18 Prozent. „Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir da einen Anteil von mehr als 32 Prozent. Wir haben das in der Zwischenzeit schon sehr gut kompensiert. Nicht vollständig, aber wir sind auf einem guten Weg und werden die Investitionen in andere Märkte weiter vorantreiben“, sagt Meschke.

Mit dem Fokus auf Märkte jenseits von China strebt der Sportwagenhersteller auch weiterhin das Ziel einer Umsatzrendite (Ebit) von 20 Prozent an. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das Ziel langfristig erreichen können“, sagt Meschke. Aktuell ist der Sportwagenhersteller von seinen Margenziele allerdings weiter entfernt denn je. Im dritten Quartal 2024 brach die Marge auf 10,8 Prozent ein. Im Sommer hatte Porsche eigentlich noch zuversichtlich in die Zukunft geschaut, nachdem sich die Geschäfte zwischen April und Juni stabilisiert hatten und das Unternehmen die Umsatzrendite von 14,2 Prozent im ersten auf 17 Prozent im zweiten Quartal gesteigert hatte.

Insgesamt erwirtschaftete das Unternehmen in den ersten neun Monaten des Jahres einen operativen Gewinn von 4,04 Milliarden Euro, das ist ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26,7 Prozent. Der Umsatz sank um 5,2 Prozent auf nun 28,56 Milliarden Euro. Bei der Umsatzrendite (Ebit) auf die gesamten neun Monate bezogen liegt Porsche nun bei 14,1 Prozent. Die Jahresziele für 2024 hatte Porsche bereits im Sommer korrigiert, nachdem ein Unwetter in der Schweiz mehrere Lieferanten von bestimmten für Porsche wichtigen Aluminiumlegierungen lahmgelegt hat. „Sofern sich die Rahmenbedingungen nicht signifikant verschärfen“, rechnet Porsche für das Gesamtjahr mit einer operativen Rendite zwischen 14 und 15 Prozent statt der im ersten Halbjahr angepeilten 15 bis 17 Prozent. Der Umsatz soll zwischen 39 und 40 Milliarden Euro (zuvor: 40 bis 42 Milliarden) liegen.