Chemiekonzern unter Druck: Bayers erstaunliches Comeback

Die Aktionäre von Bayer reiben sich die Augen: Zwei gute Nachrichten vom Leverkusener Dax-Konzern kurz hintereinander? Und das auch noch inmitten einer grundsätzlich optimistischen Stimmung für die weitere Entwicklung des Pharma- und Agrarchemiekonzerns? Nachdem kürzlich ein längst abgeschriebenes Medikament überraschend doch noch sein Blockbusterpotential entfaltet hat und nun Milliardenumsätze winken, ist in der Nacht auf Dienstag eine Entscheidung aus Amerika gekommen, die das Risiko weiterer Milliardenkosten deutlich reduzieren könnte.
Kein Adventswunder
Ein Vertreter der US-Regierung hat sich dafür ausgesprochen, dass sich das höchste amerikanische Gericht eines Falles annimmt, der für Bayer das Rechtsrisiko rund um Glyphosat enorm eindämmen könnte. Seit der Übernahme des amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto ist Bayer mit hunderttausenden Klagen zur angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat konfrontiert.
Mehr als zehn Milliarden Euro an Vergleichszahlungen hat der Konzern dafür ausgegeben und damit mehr Geld in Rechtsstreitigkeiten als in die Forschungs- und Entwicklungspipeline gesteckt. Der Aktienkurs hat seit der Übernahme drei Viertel an Wert verloren, Bayer ist nur etwas mehr als die Hälfte davon wert, was es einst für Monsanto bezahlt hat.
Doch jetzt gibt es einen Punktsieg im Heimatland des Bayer-Vorstandsvorsitzenden Bill Anderson: eine Entscheidung des höchsten Gerichts zu Glyphosat wird wahrscheinlicher – und sie könnte niedrigeren Instanzen die Grundlage entziehen. Das bedeutet nicht, dass Bayer nie wieder verklagt werden kann und noch ist der Konzern weit entfernt von früheren Höhen. Doch es ist ein wichtiger Schritt.
Und es ist kein Adventswunder, sondern Ergebnis einer Strategie, die Bayer unter Andersons Führung konsequent verfolgt. In diesem Jahr ist der Aktienkurs um drei Viertel gestiegen. Das Unternehmen befindet sich im größten Umbau seiner Geschichte, Tausende Stellen und zahlreiche Führungsebenen werden gestrichen. Die Verschuldung soll sinken, der Mittelzufluss steigen. Jeder Schritt für sich ist wichtig – Anderson tut gut daran, das Tempo hoch zu halten. In Sicherheit wiegen darf sich der Amerikaner dabei nicht. Dafür gab es schon zu viele böse Überraschungen. Dazu braucht er bloß seine leidgeprüften Aktionäre zu fragen.