Chefwechsel: Gerresheimer holt seinen alten Vorstandsvorsitzenden zurück

Der angeschlagene Spezialverpackungshersteller Gerresheimer trennt sich von seinem Vorstandsvorsitzenden Dietmar Siemssen. Das teilte das Düsseldorfer Unternehmen am Dienstagnachmittag mit. Siemssen legt demnach „im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat“ sein Amt als Vorstandsvorsitzender zum 31. Oktober nieder. Der Manager stand sieben Jahre an der Spitze des M-Dax-Unternehmens. „Wir danken Dietmar Siemssen für sein Engagement und seinen Beitrag zur strategischen Weiterentwicklung der Gerresheimer“, ließ sich der Aufsichtsratsvorsitzende Axel Herberg in einer Mitteilung zitieren.

Interimistisch folgt auf Siemssen in der Person von Uwe Röhrhoff jemand, der das Unternehmen noch aus früheren Zeiten gut kennt. Momentan ist er vor allem als Berater und Aufsichtsrat für verschiedene Unternehmen tätig, wie etwa beim Stahlhändler Klöckner & Co. Zuvor arbeitete Röhrhoff 26 Jahre lang für Gerresheimer: Seit 2003 saß er im Vorstand, den er zwischen 2010 und 2017 als Vorsitzender auch führte.

Röhrhoff hatte das Unternehmen einst auf eigenen Wunsch verlassen und das schon zwei Jahre zuvor angekündigt, um eine geordnete Übergabe zu ermöglichen. Nachdem der Manager das Unternehmen verlassen hatte, blieb sein Nachfolger allerdings nicht einmal sechs Monate an der Spitze des Konzerns, ihm wiederum folgte dann Siemssen.

Im Fokus der Bafin

Unter seiner Führung hat sich Gerresheimer deutlich verändert, statt hoher Produktionsvolumina im Glasbereich bietet Gerresheimer inzwischen vermehrt hochwertige Produkte für die Kosmetikindustrie und Pharma- und Biotechnologieunternehmen an. Dazu gehören sowohl Impffläschchen als auch Injektoren und auch Flakons aus Glas und Kunststoff.

Zuletzt hatte Gerresheimer seine Anleger verunsichert. Wegen mehrfacher Prognosesenkungen war der Aktienkurs des Spezialverpackungsherstellers in diesem Jahr ohnehin unter Druck geraten. Doch kam es für Gerresheimer noch schlimmer: Im September hatte die Finanzaufsicht Bafin veröffentlicht, dass sie das Unternehmen wegen des Verdachts untersuche, gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen zu haben. Daraufhin stürzte der Aktienkurs ab. Seit einem Jahr hat das Papier jetzt gut zwei Drittel an Wert verloren.

Am Wochenende teilte Gerresheimer das Ergebnis einer vorläufigen Untersuchung mit: Demnach wurde wahrscheinlich ein Drei-Millionen-Euro-Umsatz falsch verbucht. Der Untersuchung zufolge hätte dieser offenbar nicht schon im Geschäftsjahr 2024 verbucht werden dürfen. Dabei geht es um sogenannte „Bill-and-Hold“-Vereinbarungen, bei denen ein Unternehmen Ware schon in Rechnung stellt, obwohl sie die bislang nicht an den Käufer übergeben hat – etwa weil der Käufer die Ware aus logistischen Gründen erst später haben möchte. Solche Vereinbarungen sind legal und nicht unüblich.

Gerresheimer kündigte an, auch weitere Bill-and-Hold-Vereinbarungen aus dem Geschäftsjahr nun vollständig untersuchen zu lassen. An der Börse hatte das zu Wochenbeginn bei den Anlegern zunächst für etwas Zuversicht gesorgt. Allerdings schrieb etwa der Analyst Harald Hof von MWB dazu: „Obwohl das Problem an sich beherrschbar erscheint, können Bedenken hinsichtlich der Unternehmensführung und die eingeschränkte Transparenz die Stimmung weiter belasten.“

Zweifel am Management will der Aufsichtsrat offenbar nicht bestehen lassen und hat deshalb jetzt die Reißleine gezogen. Röhrhoff wird zum 1. November als Interims-Vorstandsvorsitzender in den Vorstand berufen. Röhrhoff sei ein „exzellenter Kenner des Unternehmens und versteht das Geschäft und seine Herausforderungen sehr genau“, sagte Aufsichtsratschef Herberg.

Das Kontrollgremium hat den Vorstand zuletzt enorm umgebaut: Im September hatte Wolf Lehmann den langjährigen Finanzvorstand Bernd Metzner abgelöst, ebenfalls zum 1. November folgt zudem Achim Schalk auf Lukas Burkhard als Mitglied des Vorstandes mit Verantwortung für den Geschäftsbereich „Primary Packaging Glass“.