Candace Owens vs. Erika Kirk: Wohin führt jener offene MAGA-Machtkampf?
„Der Bürgerkrieg der Rechten“ ist der Titel der aktuellen Sendung von Tucker Carlson, dem vielleicht wichtigsten Journalisten der Rechten in den USA. Er interviewt zu diesem Thema Matt Walsh, einen Kommentator von „The Daily Wire“, ebenfalls einem der wichtigsten Kanäle der Rechten. Walsh sagt, es gebe nicht eine Spaltung, sondern eine allgemeine Fragmentierung der Rechten: Jedes Thema spalte die Rechte an unterschiedlichen Fronten. Was man dagegen tun könne, fragt Carlson. „Ich weiß es nicht“, antwortet Walsh.
Tatsächlich vergeht kein Tag, an dem sich rechte Prominente nicht an neuen Themen gegenseitig an die Gurgel gehen. Ein Jahr nach der Machtübernahme schmilzt die Hegemonie des Trump-Projekts dahin. Die im kommenden Jahr anstehenden Midterm-Wahlen für Kongress und Senat drohen für die Republikaner zu einem Desaster zu werden. Nichts deutet darauf hin, dass sich die Stimmung in den kommenden Monaten wenden könnte.
Zentrale Konfliktlinien der MAGA-Bewegung: Außenpolitik, Epstein, Wirtschaft
Grob gesprochen drehen sich die Konflikte um Außenpolitik – allen voran um Israel –, um den Umgang mit dem Epstein-Skandal, um Wirtschaftspolitik und auch immer noch um die Ermordung von Charlie Kirk. Sogar die Abschiebungskampagne, eigentlich das vereinende Thema der Rechten, hat zu Rissen innerhalb der MAGA-Bewegung geführt. Diese Fragmentierung ist eine Art Diffusion der Rechten, die in alle Richtungen ausschlägt. Während die ehemalige Trump-Paladin Marjorie Taylor Greene (MTG) nach links abdriftet, radikalisiert sich die rechte Jugend, was sich vor allem im Aufstieg der Figur Nick Fuentes zeigt.
Die Ermordung von Charlie Kirk ist nach Walsh das Schlüsselereignis für die Desintegration der Rechten. Kirk und seine Organisation Turning Point USA hätten mehr zusammengehalten, als viele geahnt hätten. Nun führte sein Tod zu massiver Skepsis in der MAGA-Basis. Während das republikanische Establishment den Mord den Linken zuschob und zum heiligen Krieg gegen sie aufrief, war die verschwörungstheoretisch geschulte Basis damit nicht zu erreichen.
Candace Owens vs. Erika Kirk: Machtkampf nach dem Mord an Charlie Kirk
Allen voran war es der ehemalige MAGA-Star Candace Owens, eine gute Freundin von Charlie Kirk und ehemalige Mitarbeiterin von TPUSA, die die offizielle Version anzweifelte. Mit ihr waren es viele israelkritische Rechte, die den „Tiefen Staat“ und auch Israel hinter dem Attentat vermuteten, da Kirk sich von Israel abgewandt habe.
In der letzten Woche platzte nun Kirks Ehefrau und politische Erbin Erika Kirk der Kragen, und sie forderte Owens mit einem „Stop it!“ auf, ihre Thesen für sich zu behalten.
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Owens würde mit dem Mord Geschäfte machen – auf Kirks Rücken –, während sie mit diesem Thema tatsächlich zum Podcast Nummer eins aufgestiegen war und sich als echte Freundin und vielleicht wahre Erbin Kirks präsentierte. Der Podcaster Tim Pool sagte dazu, Owens brenne alles nieder, was Kirk aufgebaut habe. Der Streit wiegelte die MAGA-Bewegung dermaßen auf, dass Owens und Kirk sich am Montag zu einem privaten Gespräch treffen wollten, um die Wogen zu glätten.
Beeindruckend war auch die Absetzbewegung von Marjorie Taylor Greene. Die Kongressabgeordnete aus Georgia war Trump-Unterstützerin der ersten Stunde und galt lange als rechtsextrem; sie verbreitete früher QAnon-Narrative der extremen Rechten. Sie wurde dann zu einer scharfen Kritikerin der Israel-Unterstützung der USA sowie des Angriffs auf den Iran und geriet zunehmend in Konflikt mit dem Trump-Establishment. Taylor Greene ging wegen der Vertuschung des Epstein-Skandals ebenso auf die Barrikaden wie gegen Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie gegen Streichungen von Sozialleistungen während des Shutdowns.
Marjorie Taylor Greene: Bruch mit Trump und Annäherung an linke Themen
Bemerkenswert ist Greenes Wendung zu eigentlich klassisch linken Themen. Die dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Situation betrifft natürlich auch rechte Wähler:innen und hinterlässt Spuren im rechten Lager. Insbesondere der Erfolg von Zohran Mamdani in New York hat die Frage der Lebenshaltungskosten auf die Agenda gebracht.
Während Trump das Thema „Affordability“ als Hoax der Demokraten bezeichnete, ging Greene in die Opposition und machte sich dafür stark. Sie stellte sich auch gegen die Massenabschiebungen und erklärte, sowohl menschlich als auch in ihrer Rolle als Unternehmerin in der Baubranche könne sie das Vorgehen der Rechtsradikalen in der Trump-Administration nicht gutheißen. Trump ignorierte dies lange, ging dann aber frontal gegen sie vor und bezeichnete sie als Verräterin. Daraufhin erhielten Greene und ihre Familie eine Rohrbombe sowie mehrere Morddrohungen. Unter diesem Druck gibt sie zu Beginn des Jahres 2026 ihren Sitz im Kongress auf und entschuldigte sich dafür, lange Teil dieser toxischen Politik gewesen zu sein.
Doch in dieser Entwicklung blieb Greene eine Ausnahme. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik – den vermutlich wahlentscheidenden Themen – gibt es keine gefestigte Opposition innerhalb der Rechten, eher ein Wegbrechen vieler Wähler:innen. Anders in der Außenpolitik, wo Isolationisten und Kriegsgegner, die sich vehement gegen Israel wenden, inzwischen deutlich an Terrain gewonnen haben. Mit dem Gaza-Deal konnte Trump die dramatisch wachsende Kritik an seiner Nahost-Politik zunächst von seiner Person weg lenken. Der Konflikt tobt jedoch weiter, die Lobby für die israelische Regierung und die Neokonservativen verlieren an Boden.
Tucker Carlson besuchte Katar, das Land, das zuletzt von Israel bombardiert wurde. Er sprach öffentlich auf einem Panel mit dem Premierminister Katars Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, wo sehr harsche Worte gegen Israel fielen, und besuchte ein palästinensisches Flüchtlingslager.
Tucker Carlson, Katar und die Abkehr von Israel
Anschließend veröffentlichte er mehrere herzzerreißende Berichte über die Kinder dort. Carlson betonte, Trump habe Katar eine Sicherheitsgarantie gegeben, was historisch sei, da sich diese faktisch gegen Israel richte.
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In seinem letzten Beitrag führt Carlson ausführlich aus, warum Katar und viele andere Länder am Golf – ebenso wie Russland – für die USA bessere Alliierte seien als Israel: Sie verfügten über Ressourcen, investierten gerne und viel in den USA, kauften amerikanische Waffen, beherbergten US-Basen und seien kulturell sowie in ihrer sozialen Ordnung dem konservativen Amerika kulturell näher als Tel Aviv mit seinen Gay-Pride-Paraden.
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Carlson spricht sich inzwischen vehement gegen Islamophobie aus. Diese sei eine Erfindung der Neokonservativen und der Israel-Lobby, um die USA in große Kriege hineinzuziehen. Gleichzeitig argumentiert er mit aus dem Christentum hergeleiteten universellen Menschenrechten, die selbstverständlich auch für palästinensische Kinder gelten müssten – während er zugleich unablässig die These vom „Großen Austausch“ predigt, also von globalistischen Eliten geförderten Migrationswellen, die den homogenen weißen christlichen Westen zerstörten.
Die Inkohärenz der Narrative im Mainstream der Rechten ist atemberaubend. Trump will Friedenspräsident sein in einer Bevölkerung, die extrem kriegsmüde ist, gleichzeitig zieht er eine Armada vor Venezuela zusammen für einen möglichen Krieg und führt Militärmanöver mit Japan gegen China durch. Carlson beschwört den Universalismus der Menschenrechte und ruft zugleich zum Bürgerkrieg gegen die Linken und gegen „Millionen gewalttätige illegale Invasoren“ auf. In diesem Rauch des Chaos wächst ein noch weiter rechts stehendes Lager heran – ein neuer Nazismus in den USA, der inzwischen offensichtlich eine Massenbasis bekommt.
Nick Fuentes und der Aufstieg einer neuen extremen Rechten
Die neue extreme Rechte schart sich um den radikal antisemitischen, rassistischen und frauenfeindlichen Influencer Nick Fuentes. „Die Gesellschaft wird von Juden dominiert, Frauen müssen die Fresse halten, und Schwarze müssen in den Knast – die allermeisten zumindest“ ist eines seiner immer wieder bestätigten Zitate. „Es sind nicht die Zionisten, es sind die Juden!“, lautet seine Antwort auf den öffentlichen Ekel über die Grausamkeiten der israelischen Armee in Gaza. Ein Typ mit solchen Aussagen ist ein Hit auf allen sozialen Medien in den USA.
Die Zerfaserung der Rechten ist letztlich darin begründet, dass Trump seine Wahlversprechen – mit Ausnahme der Remigration – nicht einlösen konnte und sein korruptes Establishment sich in Skandale wie rund um Jeffrey Epstein verstrickt hat. So befriedigend Massenabschiebungen der USA für den rechtsradikalen Rand auch sein mögen, als Regierungsprojekt reichen sie nicht aus.
Hinzu kommt, dass die Rechtsradikalen – anders als etwa die NSDAP in den 1920er Jahren – kein kohärentes Narrativ besitzen. Am Ende des Gesprächs mit Carlson sagte Walsh, die Rechte müsse sich auf ihre Grundwerte besinnen: erstens die absolute Wahrheit der göttlichen Schöpfung, zweitens Familie und drittens die nationale Identität. Doch diese nationalistische Theokratie ist zu allgemein, um die Widersprüche der sozialen Realität eines untergehenden Imperiums zu befrieden.
So bleibt ein Establishment mit schwindender Hegemonie, ein 27-jähriger Incel, der vereinsamten jungen Männern Halt durch Antisemitismus, Frauenhass und weiße Überlegenheit verspricht – während demokratische Sozialisten Wahlen gewinnen.