Café Nilus in Tel Aviv: Die weißen Tischdecken fehlen, die Songs sind trauriger
Die schönste Bar, die ich kenne, liegt nicht in der Stadt, in der ich lebe, sondern in der Stadt, in der ich vielleicht einmal leben werde. Immer wenn ich alle paar Jahre dort bin, im Nilus auf der Allenby Street, erzähle ich den Leuten, die aneinandergereiht neben mir an kleinen Tischen sitzen, dass ich mir gut vorstellen kann, eines Tages nach Tel Aviv zu ziehen, weil mir das Leben, Denken und Reden unter nervösen, herzlichen Israelis in der nahöstlichen Hitze einfach mehr Spaß macht als unter kühlen Berlinern. Viele der Leute im Nilus schauen mich dann erschrocken an. Denn für sie – überwiegend linke Schauspieler, Musiker, Schriftsteller, die sich hier, in der Bar der Tel Aviver Boheme, treffen, um ihre Politiker und deren Entscheidungen wutentbrannt zu kritisieren – ist es oft genau umgekehrt: Sie denken darüber nach, wie es wäre, nicht mehr hier zu leben. Sie lieben ihr Land, träumen aber insgeheim vom alten und absolut unprovinziellen Westen, von London, Los Angeles, New York oder Paris.