Business-Guru Scott Galloway übrig junge Unternehmer: „Es gibt keine Obergrenze zu Händen dies, welches man verdient“

Scott Galloway ist Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University. Hier sprach er beim OMR Festival 2024 in Hamburg.

Scott Galloway ist Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University. Hier sprach er beim OMR Festival 2024 in Hamburg.
picture alliance / ABB

Scott Galloway ist in der Digitalszene eine wahre Größe. Bisschen Social-Media-Ikone, Tech-Experte und ganz viel Online-Marketing-Pionier. Er lehrt als Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University. Elon Musk soll ihn einmal als einen „unerträglicher Dummkopf“ bezeichnet haben, Philipp Westermeyer ist ein bekennender Fan. Vor Kurzem ist Galloways neustes Buch erschienen: „Die Algebra des Geldes. Die genial einfache Strategie für finanzielle Unabhängigkeit – im Grunde ein Personal-Finance-Guide.


Wohlstand ist jedem möglich, schreibt er darin, es bedarf aber vier wesentlicher Faktoren: Stoizismus, Fokus, Zeit und Diversifizierung. Im Kapitel „Fokus“ widmet Galloway sich dem Unternehmertum als eine Karriereoption für die, die finanzielle Unabhängigkeit anstreben. Was er zum Typus des Unternehmers zu sagen hat, lest ihr hier.

Eines der unzähligen Dinge, die ich bei meiner Arbeit bei Morgan Stanley gelernt habe, war, dass ich nicht bei Morgan Stanley arbeiten wollte, weder dort noch bei einem anderen Großunternehmen. Oder überhaupt für jemand anderen. Ich ärgerte mich über meine Vorgesetzten, konnte keine Kritik vertragen, ärgerte mich über triviale Ungerechtigkeiten und war nur dann motiviert, wenn ich eine unmittelbare Verbindung zu einer Belohnung sah. Siehe oben: Mir fehlen die Fähigkeiten, die es braucht, um in einer großen Organisation erfolgreich zu sein. Zum Glück ist das genau die Eigenschaft, die man als Unternehmer braucht. Die amerikanische Gesellschaft sieht das Unternehmertum in einem romantischen Licht. 

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Ich habe Hunderte, womöglich Tausende von Unternehmern kennengelernt, und ich bin überzeugt, dass die meisten von ihnen ihr Unternehmen nicht gegründet haben, weil sie dazu in der Lage waren, sondern weil sie keine andere Möglichkeit sahen. Junge Leute scheinen enttäuscht zu sein, wenn ich ihnen das sage, aber die Arbeit bei einer Organisation oder einer Plattform bietet – risikobereinigt – den besseren Ertrag. Die Organisation existiert, weil sie Ressourcen zu bündeln vermag und mehr sein kann als nur die Summe ihrer Teile. Seien Sie einer dieser Teile und sie wird diesen überschüssigen Wert mit Ihnen teilen. Wenn Sie die Fähigkeiten und die Geduld haben, sich durch die Hindernisse und die politischen Manöver zu navigieren, zu schweigen von der Reife, die garantierten Ungerechtigkeiten zu ertragen, werden Sie mittel- und langfristig die Ernte dafür einfahren. Ich fing bei Morgan Stanley zusammen mit einem Kollegen an, der heute Vice Chairman ist. Ich vermute, dass wir wirtschaftlich eine vergleichbare Situation erreicht haben. Ich würde aber auch vermuten, dass er wesentlich weniger Stress und Unbeständigkeit hinter sich hat als ich. 

Mythologisierung des Unternehmertums

Die US-Wirtschaft profitiert von der Mythologisierung des Unternehmertums, insofern wir Menschen brauchen, die die Entwicklung auf eine Weise vorantreiben, die orthodoxe Denkweisen infrage und traditionelle Unternehmen auf den Kopf stellt. Nur basieren die Geschichten, die wir uns über das Unternehmertum erzählen, fast ausschließlich auf den wenigen Unternehmen, die phänomenal erfolgreich sind. 20 Prozent der Neugründungen scheitern im ersten Jahr und in gewisser Weise haben sie da noch Glück. In den nächsten zehn Jahren sehen sich weitere 45 Prozent von ihrem Elend erlöst und weniger als 15 Prozent aller Neugründungen sind mehr als zwei Jahrzehnte beschert.

Die Medien stürzen sich dabei auf die Ausreißer unter den Ausreißern – Verbraucher-Apps und Produkte beziehungsweise Dienstleistungen, die uns vertraut beziehungsweise verständlich sind. Die meisten dieser Ausnahmen, die Start-ups also, die ihre Gründer und Investoren reich machen, finden sich in Kategorien angesiedelt, die wir kaum als sexy bezeichnen würden (die höchsten Überlebensraten haben Unternehmen in der Versorgungswirtschaft und im Fertigungsbereich) und die Branchenerfahrung und Fachkenntnisse er- fordern, nicht nur eine gute Idee und etwas Ehrgeiz. Zwei Kids, die in einer Garage einen Computer basteln, können die Welt verändern, das ist schon ein paar Mal passiert, aber als Strategie zur Erlangung wirtschaftlicher Sicherheit arbeitet man besser bei Google und behält sich das Basteln in der Garage für die Wochenenden auf. 

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Dem nicht genug, verpflichten Sie sich, wenn Sie sich als Unternehmer versuchen, egal ob Sie nun gewinnen oder verlieren, zu Arbeit und Stress rund um die Uhr. Je größer der Anfangserfolg, desto mehr Stress haben Sie. Mal angenommen, Ihre Produktidee ist überzeugend und Sie sichern sich die Finanzierung. In die Realität übersetzt bedeutet »Finanzierung« Geld, um Leute einzustellen. Wenn Sie am ersten Morgen in Ihr neues Büro kommen (für das Sie wahrscheinlich einen zweijährigen Mietvertrag unterschrieben haben, den zu bezahlen Ihnen die Mittel fehlen) und die unverbrauchten Gesichter der ehrgeizigen jungen Leute sehen, die Sie von Ihrer Vision überzeugen konnten, ist das ein tolles Gefühl.

Dieses Gefühl hält bis zum Mittagessen an, dann beginnt Ihnen die Realität aufzugehen: Von Ihrer verrückten Idee hängt nicht mehr nur Ihre eigene wirtschaftliche Sicherheit ab, Sie haben jetzt auch noch die Verantwortung für die wirtschaftliche Zukunft anderer am Hals. Und mit jedem neuen Mitarbeiter, jedem neuen Kunden wächst die Verantwortung, wächst der Stress – die Mitarbeiter müssen krankenversichert und bezahlt werden, der Neue, den Sie sich kaum leisten konnten, wird nach zwei Tagen im Büro arbeitsunfähig, und Ihr Kontaktmann bei Ihrem wichtigsten Kunden verliert seinen Job. Oh, und Ihre wichtigste Mitarbeiterin zeigt Anzeichen einer ernsthaften psychischen Erkrankung, und Sie überlegen den ganzen Abend, ob Sie ihre Eltern anrufen sollen. Und zu allem Überfluss sagt Ihnen ihr Finanzchef, dass Sie eine Vorstandssitzung einberufen müssen, weil Ihr opiatabhängiger Assistent Ihre Kreditkarte in Manhattans Apotheken mit 120 000 Dollar belastet und sich des Rezeptbetrugs schuldig gemacht hat. All das ist in ein und demselben Monat in ein und derselben Firma passiert. Ein Hurra auf das Unternehmertum! Aber da Sie offensichtlich immer noch hier sind: Wie sehen denn die positiven Voraussetzungen für die erfolgreiche Gründung eines eigenen Unternehmens aus? 

Man muss in der Lage sein, wieder auf die Beine zu kommen

Erfolgreiche Unternehmer sind im Normalfall exzellente Kommunikatoren, die es sowohl verstehen, ein Team zu motivieren, als auch, Investoren zum Engagement zu bewegen und Kunden an Bord zu holen. Unternehmer ist ein Synonym für Verkäufer. Wir verkaufen unsere Vision an Investoren, Mitarbeiter und Kunden, denn sie ist am Anfang alles, was wir haben. Aber woher wissen Sie, ob Sie ein Verkaufstalent sind? Nun, in der Regel weiß man schon relativ früh, ob man in dieser Richtung begabt ist oder nicht. Man entgeht der Strafe für nicht gemachte Hausaufgaben, man bringt die Mama dazu, einem das Auto zu leihen, man baggert jemanden um seine Telefonnummer an. All das ist nichts anderes als Verkaufstraining für Jugendliche. Man muss in der Lage sein, wieder auf die Beine zu kommen, wenn man auf der Matte gelandet ist. Unternehmer verfehlen das Tor öfter, als sie es treffen, und sie kassieren eine Menge Treffer. Bei mir begann das an der Highschool. Ich kandidierte drei Jahre als Klassensprecher und verlor jedes Mal. Trotz dieser Bilanz beschloss ich, für das Amt des Schülersprechers zu kandidieren, wo ich – warten Sie – wieder verlor. Amy Atkins gab mir einen Korb für den Abschlussball und ich flog aus dem Baseball- und Basketballteam. Dann lehnte mich die University of California, Los Angeles, ab, das einzige College, das ich mir leisten konnte (da ich zu Hause wohnen konnte). 

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Aber nicht einen Augenblick habe ich meinen Enthusiasmus verloren. Ich legte Einspruch gegen den Bescheid ein, die UCLA nahm mich auf und im Abschlussjahr war ich Präsident des Interfraternity Council. Schwaches Bild, ich weiß, aber mir war das damals wichtig. Ich machte meinen Abschluss mit einem Durchschnitt von 2,27, aber das hielt mich nicht davon ab, einen Job im Analystenprogramm von Morgan Stanley zu ergattern (ich bewarb mich bei dreiundzwanzig Firmen, bekam ein Jobangebot). Ebenso wenig wie es mich daran hinderte, in Berkeley zu studieren (ich bewarb mich bei neun Unis, sieben lehnten mich ab). Kurz gesagt, das Geheimnis meines Erfolgs ist: abgelehnt zu werden. 

Je mehr Sie ausgeben, desto mehr brauchen Sie

Für den Kleinunternehmer ist Cashflow das Wichtigste. Wer nicht willens und in der Lage ist, Tag für Tag darauf zu achten, was reinkommt und, noch wichtiger, was rausgeht, wird baden gehen. In dem Augenblick, in dem Ihre Verpflichtungen über Ihre Möglichkeiten hinauswachsen, ist Ihre Pleite perfekt. Wenn Sie in der Tech-Branche sind und der Konjunkturzyklus in einer Boomphase, wird sich vermutlich ein Risikokapitalgeber finden, der bereit ist, einen Batzen Geld in Ihr Unternehmen zu stecken. Aber nicht aus reiner Freundlichkeit, lassen Sie sich da bloß nicht täuschen. Je mehr Sie ausgeben, desto mehr brauchen Sie, und schließlich gehört das Unternehmen Ihren Geldgebern, und Sie werden vom Unternehmer zum Angestellten. Sehen Sie zu, dass Ihr Unternehmen so schnell wie möglich mit dem arbeitet, was hereinkommt. Das Produkt ist wichtig, Market-fit unerlässlich, Unternehmenskultur und Bindung von Talenten sind von kritischer Bedeutung, aber der Cashflow ist der Lebensnerv Ihres Unternehmens. 

Zu guter Letzt müssen Gründer gleichzeitig zwei diametral entgegengesetzte Weltanschauungen unter einen Hut bringen. Zum einen müssen sie von einem irrationalen Optimismus in Bezug auf ihren endgültigen Erfolg beseelt sein. Das ist natürlich die Voraussetzung für Geschäftstüchtigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Misserfolge, aber seine Bedeutung reicht noch viel tiefer. Ist die Idee für Ihr Startup rational, haben Google oder GE sie längst umgesetzt. Der einzige Grund, aus dem Marktführer Ihnen die freie Bahn überlassen haben, ist der, dass Ihre Idee aller Wahrscheinlichkeit nach irrational ist. Es braucht Optimismus, das zu übersehen. Gleichzeitig müssen Sie Tag für Tag der größte Pessimist Ihrer Firma sein und sich um wirklich alles sorgen. Ist ein Account gefährdet, könnten wichtige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Sind Sie einen schlechten Monat davon entfernt, Ihre Mitarbeiter nicht bezahlen zu können?
Die Antwort darauf ist: Ja. 

Die gute Seite des Unternehmerdaseins gleicht der Erfahrung von Eltern: Sie setzen etwas in die Welt, kümmern sich darum, lieben es, und vermutlich wird nichts in Ihrer Laufbahn Ihnen so viel Stress oder so viel Freude machen. Wenn alles läuft wie am Schnürchen, ist es ein echtes Erfolgserlebnis, etwas begonnen zu haben, das tatsächlich funktioniert. Die Leute erkennen an, wie schwer es ist, ein Unternehmen zu führen, und zeigen ein Maß an Wertschätzung und Respekt, das dem Gefühl ähnelt, geliebt zu werden. Außerdem gibt es keine Obergrenze für das, was man verdienen kann. Angestellte, selbst CEOs, sind in gewisser Weise an das gebunden, was an Vergütung »fair oder vernünftig« erscheint. Ich habe in den Jahren, in dem ich meine Firmen verkauft habe, zig Millionen verdient. Kein Arbeitgeber hätte mir so viel gezahlt, und wäre ich noch so gut gewesen.

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Source: businessinsider.de