Bundesweite Schülerproteste gegen Wehrdienst
Der Bundestag stimmt heute über einen neuen Wehrdienst ab. Gegen die Pläne ruft die Initiative „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ heute zu Demonstrationen in 90 Städten auf.
Während der Bundestag heute über die mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht berät, demonstrieren in rund 90 Städten Schülerinnen und Schüler gegen die Pläne der Bundesregierung. Unter dem Motto „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ richten sich die Proteste vor allem gegen die geplante Musterung aller Jugendlichen ab Jahrgang 2008.
Sollte das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 2026 in Kraft treten, müssten künftig alle 18-jährigen Männer Fragebögen ausfüllen und zu einer Musterung erscheinen. Unter dem Slogan „Wir wollen nicht als Kanonenfutter enden“ wollen Jugendliche in ganz Deutschland gegen die Pläne der Bundesregierung demonstrieren – viele davon während der Schulzeit.
Breite Kritik unter jungen Menschen
Viele junge Menschen fürchten, dass eine Wehrpflicht sie in einer entscheidenden Lebensphase zusätzlich belasten würde. Tamme, 25, kritisiert: „Die Unis und Schulen werden kaputtgespart, alles Soziale geht den Bach runter – und alles, was die Kids hören, ist: ‚Hey, wir wollen wissen, ob ihr theoretisch mit ’ner Waffe an die Front gehen könnt.'“
Jan, 18 Jahre, sieht die Sache differenziert: „Mit der Musterung habe ich kein großes Problem, aber man muss natürlich dann schauen, wo die Musterung hinführt.“
Stimmen für die Wehrpflicht
Neben der Kritik gibt es auch Stimmen, die die Pläne der Regierung unterstützen. Der 25-jährige Justin Mehling aus Perleberg, der mit 18 Jahren selbst zur Bundeswehr ging und Mitglied der Jungen Union ist, hält eine neue Wehrpflicht für sinnvoll. Er betont, die Bundeswehr sei nicht nur militärische Ausbildung: „Neben der militärischen gibt es auch eine zivile Ausbildung. Mir persönlich hat es viel gebracht.“
Zugleich zeigt er Verständnis für die Proteste: „Ich finde es gut, dass Leute demonstrieren gehen, weil sie nicht dafür sind. Das zeigt ja auch, dass unsere Demokratie funktioniert.“ Grundsätzlich aber spricht er sich klar für eine verpflichtende Erfassung aus: „Um unsere Sicherheit zu verbessern und unsere Gesellschaft resilienter zu machen, finde ich eine Wehrpflicht doch sehr gut.“
Der Berliner Landesschülerausschuss unterstützt die Proteste ausdrücklich. In einer Mitteilung heißt es, die politische Debatte berücksichtige die Perspektiven junger Menschen zu wenig: „Mit der neuen Zwangsmusterung für alle Jugendlichen des Jahrgangs 2008 belasten politische Entscheidungsträger Jugendliche erneut, ohne zu fragen, wie es ihnen geht.“ Viele Jugendliche würden „aus ihrer Lebensrealität herausgerissen“.
Lehrerverbände warnen vor unentschuldigtem Fehlen
Der Deutsche Lehrerverband sieht den geplanten „Schulstreik“ kritisch. Verbandspräsident Stefan Düll erklärte: „Wer gegen die Reaktivierung der Wehrpflicht demonstrieren möchte, kann dies jederzeit außerhalb der Unterrichtszeit tun.“
Unentschuldigtes Fehlen könne „bis hin zu einem Verweis“ führen. Zudem betont er, dass sogenannte Schulstreiks rechtlich keine Streiks seien: „Schülerinnen und Schüler sind keine Arbeitnehmer.“
Entscheidung mit Signalwirkung
Die Bundestagsabstimmung gilt als wichtiger Schritt in der sicherheitspolitischen Neuausrichtung Deutschlands. Während die Regierung auf wachsende internationale Spannungen verweist, warnen Kritiker vor einer Überforderung junger Menschen und vor einer Militarisierung der Gesellschaft.
Wie das Parlament entscheidet, dürfte nicht nur über die Zukunft der Bundeswehr, sondern auch über das Verhältnis zwischen Politik und junger Generation mitbestimmen.
Source: tagesschau.de