Bundestag: Schülerproteste gegen Wehrdienst in vielen Städten

Schülerinnen und Schüler haben bundesweit gegen den vom Bundestag beschlossenen Wehrdienst demonstriert. Unter dem Motto „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ gingen nach Angaben der Organisatoren Menschen in fast 90 Städten und Regionen auf die Straße. Sie kritisierten unter anderem ein fehlendes Mitspracherecht der Betroffenen.

„Ich will einen Staat, der ein Sondervermögen für Bildung schafft, nicht für Waffen“, forderte ein Schüler in Magdeburg. Andere Redner kritisierten, dass junge Menschen bei den Überlegungen zum neuen Gesetz nicht eingebunden worden seien. „Vor allem finde ich, dass Jugendliche zu wenig in diese Diskussion einbezogen wurden“, sagte ein Schüler aus dem Sauerland.

Die Proteste waren auch Gegenstand der Debatte im Bundestag, der zeitgleich über das Gesetz abstimmte. „Geht auf die Straße, streikt heute gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht“, sagte die Linken-Abgeordnete Desiree Becker. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius, der für das Gesetz geworben hatte, begrüßte die Proteste ausdrücklich. „Das ist eine Diskussion, die notwendig ist“, sagte Pistorius.

Tausende Demonstranten in Berlin

In Berlin zogen nach Angaben der Polizei etwa 3.000 Demonstranten durch den Stadtteil Kreuzberg. In Hamburg gingen demnach 1.700 Menschen auf die Straße, die Organisatoren sprachen sogar von 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Genauso sollen sich in Dortmund rund 1.000 Menschen versammelt haben.

In anderen Städten kamen die Proteste nach Schätzungen der Polizei auf dreistellige Zahlen. In Köln, Düsseldorf, Bochum und Essen zählten die Beamten jeweils mehrere hundert Teilnehmer. In Süddeutschland kamen Demonstranten in München, Stuttgart, Freiburg und Heidelberg zusammen, im Osten vor allem in den Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz.  

„Kein Mensch, kein Cent der Bundeswehr“, skandierten die überwiegend jungen Menschen bei einer Demonstration in Dresden. „Für Wahlen zu jung, aber für Krieg reicht’s“, hieß es auf einem Spruchband. An den Demonstrationen nahmen auch Eltern mit kleineren Kindern sowie Grundschulklassen mit selbstgebastelten Plakaten teil.

Auch die Lehrergewerkschaft äußert Kritik

Nach dem Vorbild der Klimaproteste von Fridays for Future fanden viele der Demonstrationen während der Unterrichtszeit am Vormittag statt. Die Bundesschülerkonferenz hatte die Schulen dazu aufgerufen, die Anwesenheitspflicht für diesen Tag auszusetzen.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die unter anderem Lehrer vertritt, äußerte Kritik am Wehrdienst. Sie verlangte, ausschließlich auf Freiwilligkeit zu setzen. „Pflichtdienste bedeuten immer einen starken Eingriff in die Entscheidungsfreiheit junger Menschen, gegen den wir uns klar positionieren“, sagte die Vorsitzende Maike Finnern. Die Novelle dürfe nicht zum Einfallstor für eine Reaktivierung der Wehrpflicht werden.

Das Gesetz, das am Freitag beschlossen wurde,
sieht eine Wiedereinführung des Wehrdienstes vor. Junge Männer werden
damit verpflichtet, zur Musterung zu erscheinen und einen Fragebogen
auszufüllen. Frauen ist die Teilnahme freigestellt. Angesichts der
Bedrohung durch Russland soll so die Zahl der aktiven Soldaten und
Reservisten im Land gesteigert werden. 

Gelingt das
nicht, behält sich der Bundestag vor, eine sogenannte Bedarfswehrpflicht
auszurufen. Dann wäre auch eine verpflichtende Einberufung möglich.