Bundesgerichtshof Katjes darf nicht „klimaneutral“ in Werbung nutzen
Unternehmen sollen klimafreundlich und nachhaltig wirtschaften. Bei grünem Marketing mit Schlagworten wie „klima- oder umweltfreundlich“ ist allerdings Vorsicht geboten. Schnell entsteht dann der Verdacht des „Greenwashing“. Nach Angaben der EU-Kommission waren im Jahr 2020 42 Prozent der Umweltschutzaussagen in Onlineshops übertrieben, falsch oder irreführend. Doch wann grüne Werbung die Grenze zum Greenwashing überschreitet, darüber herrscht seit Jahren Unklarheit und Streit. Am Donnerstag hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) geäußert – und strenge Maßstäbe angelegt.
Die Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie „klimaneutral“ sei regelmäßig nur dann zulässig, wenn „in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt“, teilte der BGH mit. Die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen seien „keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität“. Vielmehr sei die Verringerung von Treibhausgasen gegenüber der Kompensation unter Klimaschutzgesichtspunkten vorrangig. Entsprechende aufklärende Hinweise in der umstrittenen Werbeanzeige selbst hätten aber gefehlt (Az.: I ZR 98/23)
Der BGH gab damit der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in einem Rechtsstreit mit dem Süßwarenhersteller Katjes recht. Die Wettbewerbshüter hatten sich gegen eine Werbung für Süßigkeiten in einer Fachzeitschrift der Lebensmittelbranche gewandt. Dort hieß es: „Seit 2021 produziert (Katjes) alle Produkte klimaneutral“. Ein Logo zeigte den Begriff „klimaneutral“ und verwies mit QR-Code zu einer Internetseite eines „ClimatePartner“. Darüber unterstützt Katjes Klimaschutzprojekte. Der Herstellungsprozess der beworbenen Süßigkeit ist indes nicht CO2-neutral.
Vorherige Urteile sehen Information als ausreichend an
Die Gerichte der Vorinstanzen hatten keine Einwände; die Werbeanzeige sei nicht irreführend. Der integrierte Hinweis auf weiterführende Klimaschutzinformationen sei ausreichend gewesen. Dem BGH genügte die Verweisung jedoch nicht. Katjes wurde zur Unterlassung verurteilt.
Der Süßwarenhersteller hatte argumentiert, die Anzeige habe sich an Leser mit Fachwissen gerichtet. Der Informationsbedarf zu den Umweltaussagen sei hier weniger groß als der von Endverbrauchern. Die höchsten Zivilrichter sind dem nicht gefolgt. Der Begriff „klimaneutral“ könne sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden.
Er sei damit mehrdeutig, egal ob die Adressaten Leser einer Fachzeitung oder Verbraucher seien. Würden Bezüge zu Umwelt und Klima hergestellt, sei die Gefahr der Irreführung – ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung – besonders groß. Deswegen sei ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis anzunehmen.
Marketing von Katjes verzichtet schon auf den Begriff
Katjes teilte mit, der Begriff „klimaneutral“ werde schon seit einiger Zeit nicht mehr verwendet. „Diese Änderung war Teil einer strategischen Neuausrichtung unseres Marketings“, sagte eine Sprecherin der F.A.Z. Von dem Urteil des BGH zeigte sich der Süßwarenhersteller überrascht. Es handle sich um eine „rechtliche Veränderung, mit der wir und die Vorinstanzen nicht rechnen konnten“. Allerdings hatte der I. Zivilsenat schon in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung zu verstehen gegeben, dass womöglich strengere Maßstäbe anzulegen seien als vom Berufungsgericht.
Die Wettbewerbszentrale hob hervor, nur wenn die Aussage „klimaneutral“ schon in der Werbung selbst näher erläutert werde, „kann eine Wettbewerbsverzerrung verhindert werden und ein Innovationswettbewerb um die nachhaltigsten Leistungen entstehen“. Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, wertete das Urteil auch als Bestätigung dafür, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu mehr Transparenz von Umweltaussagen in Werbung beitragen könne. Neue EU-Regulierung zu Greenwashing bringt aus Sicht Münkers hingegen wenig Nutzen. Sie sei nur wesentlich kleinteiliger und führe vermutlich zu neuen Rechtsfragen.
Eine EU-Richtlinie, mit der die Verbraucher besser vor irreführenden Nachhaltigkeitsversprechen geschützt werden sollen, ist schon beschlossen und muss bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Produkte dürfen demnach nicht mehr als klimaneutral beworben werden, wenn die Maßnahmen auf Kompensation von Treibhausgasen außerhalb der Lieferkette beruhen.
Ob die Begriffe zulässig sind, hängt von den Belegen ab
Werbung mit „klimakompensiert“ ist erlaubt, wenn die Behauptung unterfüttert wird. Die Liste unlauterer Geschäftspraktiken ist außerdem um Nachhaltigkeitssiegel zu erweitern, die sich nicht auf ein Zertifizierungssystem stützen können oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurden. Allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, die fälschlicherweise den Eindruck einer ausgezeichneten Umweltleistung erwecken, werden künftig ebenfalls verboten.
Noch nicht abgeschlossen sind die Verhandlungen über eine zweite EU-Richtlinie zum Schutz gegen Greenwashing. Umstritten ist unter anderem ein aufwendiges Zertifizierungssystem für Umweltaussagen. Das in den Verhandlungen federführende Bundesumweltministerium kritisiert, die geplante Richtlinie sei zu bürokratisch. „Insbesondere halten wir es für nicht praktikabel, dass auch für einfache Umweltaussagen, die kein Label darstellen, eine Vorab-Zertifizierung gefordert wird“, sagte ein Sprecher von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne).
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte im Interview mit der F.A.Z. gesagt, dass Unternehmen, die für umweltfreundliche Produkte werben wollten, Kosten in Höhe von bis zu 54.000 Euro je Umweltaussage für die geplante Zertifizierung entstünden. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung der EU-Umweltminister über die Richtlinie Mitte des Monats enthalten.