Bürgerkrieg im Sudan: Rückkehr in Ruinen

Inmitten der Zerstörung spielen Walid und seine Freunde jetzt wieder Fußball. In ausgelatschten Schuhen zwischen Trümmern und Einschusslöchern zwar – aber sie spielen. Es ist ein kleiner Sieg an einem Ort, wo es schon lange nichts mehr zu gewinnen gibt: in Khartum, der Hauptstadt des Sudan.  


Bürgerkrieg im Sudan: Kinder spielen Fußball zwischen Trümmern. Sie leben in Omdurman. Die Stadt ist die größte des Landes und eng verbunden mit der Hauptstadt Khartum. Gemeinsam sind sie praktisch eine Metropole, nur getrennt durch den Nil.

Kinder spielen Fußball zwischen Trümmern. Sie leben in Omdurman. Die Stadt ist die größte des Landes und eng verbunden mit der Hauptstadt Khartum. Gemeinsam sind sie praktisch eine Metropole, nur getrennt durch den Nil.

Das Land im Osten Afrikas leidet seit anderthalb Jahren unter einem Bürgerkrieg, in dem zwei machtgierige Generäle sich gegenseitig bekämpfen. Ruinen säumen die Straßen der Hauptstadt, Tausende wurden getötet oder verletzt. Verstümmelt und vergewaltigt von Kriegsverbrechern

Auf der einen Seite kämpft die einst staatliche Armee, auf der anderen die Miliz der Rapid Support Forces (RSF). Nach einem Putsch übernahmen beide Generäle gemeinsam die Kontrolle über das Land. Zwei Jahre lang konnten sich der RSF-General Mohammed Daglo und SAF-General Abdel Fattah Burhan nicht einigen, wer die alleinige Macht im Land übernehmen sollte. So begann der Bürgerkrieg zwischen beiden Truppen im April 2023. 

Weit mehr als zehn Millionen Menschen sind auf der Flucht – mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung des Landes. Es ist die derzeit weltweit größte Vertreibung. Dem Sudan droht zudem die global größte Hungerkatastrophe. Es sind Superlative des Grauens.

Die Welt nimmt davon kaum Notiz. Zu weit weg erscheint der Konflikt, er konkurriert mit zu vielen anderen, mit denen in der Ukraine und im Nahen Osten. Und zu wenig dringt aus dem Land nach draußen. Die Armee und die Rebellen lassen kaum Hilfsorganisationen ins Land, auch für Journalisten ist es nur schwer bis gar nicht zugänglich. Genehmigungen vom Militär sind mühsam einzuholen, Reisen im Land sind teuer und gefährlich. 

Dem Fotografen Arthur Larie ist es dennoch gelungen, monatelang hat er geplant und mit lokalen Behörden verhandelt. Der Franzose kennt das Land gut, er war auch vor dem Bürgerkrieg bereits häufiger dort. Mit der Kamera hat er das Leben zwischen den Fronten festgehalten, um die Geschichten der Menschen dort zu erzählen. Im Gespräch mit ZEIT ONLINE beschreibt er, was er dort erlebt hat. 


Bürgerkrieg im Sudan: Ein junger Mann mit seiner Mutter im einzigen funktionierenden Krankenhaus von Khartum. Der Mann wurde von einem Granatsplitter getroffen.

Ein junger Mann mit seiner Mutter im einzigen funktionierenden Krankenhaus von Khartum. Der Mann wurde von einem Granatsplitter getroffen.

So wie die von Walid, dem Fußball spielenden Jungen aus Omdurman. Die Stadt am Westufer des Nil ist die größte des Landes, gleichzeitig ist sie eine Art Zwillingsstadt Khartums, die direkt gegenüber am anderen Flussufer liegt. Seit diesem Juni sind er und seine Eltern wieder vereint und zu Hause. Die Armee hat das Viertel von den RSF zurückerobert.  

Als der Bürgerkrieg seine Nachbarschaft erreichte und die Rebellen kamen, war Walid mit seiner Mutter geflohen. „Sie kamen in unser Haus und haben uns geschlagen. Sie haben meinen Vater verprügelt, uns befohlen, zu verschwinden“, erzählt er dem Fotografen Larie. Walid und seine Mutter suchten Schutz in einem Vorort im Norden der Stadt. Der Vater blieb.  


Bürgerkrieg im Sudan: Die Menschen in Khartum und Omdurman sind auf Lebensmittelspenden angewiesen. In dieser Gemeinschaftsküche bekommen sie kostenlose Mahlzeiten.

Die Menschen in Khartum und Omdurman sind auf Lebensmittelspenden angewiesen. In dieser Gemeinschaftsküche bekommen sie kostenlose Mahlzeiten.

Doch nur die wenigsten konnten wie Walids Familie in ihr Zuhause zurückkehren. Die meisten sind in andere Regionen geflohen, weit weg von der Stadt. Mehr als zwei Millionen Menschen haben das Land verlassen, suchen Schutz in Nachbarländern wie dem Tschad. Für Tausende gibt es nichts mehr, wohin sie zurückkehren könnten. Der Krieg brach im Frühjahr 2023 in der Hauptstadt aus, hier fanden vor allem in den ersten Monaten die schwersten Gefechte statt. 


Bürgerkrieg im Sudan: Imam Scheich Ibrahim betreibt eine Gemeinschaftsküche für die Not leidende Bevölkerung.

Imam Scheich Ibrahim betreibt eine Gemeinschaftsküche für die Not leidende Bevölkerung.

Auch wenn das Leben noch immer schwer sei, so sei er doch froh, wieder zu Hause zu sein. „Es gibt keinen besseren Ort“, sagt Walid. „Hier kann ich meine Freunde wiedersehen und mit ihnen spielen.“

Dabei hat sich die Situation im Sudan seitdem kaum verbessert. Ein von den USA initiierter Friedensgipfel im August endete praktisch ergebnislos. Die Kämpfe dauern an, lediglich die Fronten haben sich etwas gefestigt. Beide Seiten haben ihre Territorien einigermaßen gesichert, es wird nicht mehr überall täglich gekämpft. Für manche, wie für Walids Familie, war das Grund genug, in ihre Häuser zurückzukehren – oder das, was davon übrig ist. 

Die Menschen im Sudan mussten schon viele Konflikte erleben, aber dieser ist besonders brutal. Sowohl die sudanesische Armee SAF als auch die RSF unterstanden einst dem langjährigen sudanesischen Diktator Omar al-Baschir. Nach massiven Protesten der Bevölkerung gegen dessen Regime putschten die Generäle von RSF und SAF gemeinsam gegen Al-Baschir. Sie setzten einen zivilen Übergangsrat ein. 2021 putschten beide Generäle gemeinsam gegen dessen Interimspremier und übernahmen wieder die Kontrolle über das Land. Wenig später wandten sie sich gegeneinander.

„Überall wurde geschossen, es fielen Bomben. Im Oktober 2023 wurde es für mich und meine Familie zu gefährlich, also flohen wir“, erzählt Khalid. Er will seinen richtigen Namen nicht öffentlich nennen, zu groß ist die Angst vor Repressionen. Beiden Konfliktparteien werden von Menschenrechtsorganisationen schwerste Kriegsverbrechen vorgeworfen. 


Bürgerkrieg im Sudan: Im sudanesischen Bürgerkrieg ringen zwei Generäle um die Macht. Dieser Mann hat sich der staatlichen Armee angeschlossen, um gegen die Rebellen der RSF zu kämpfen.

Im sudanesischen Bürgerkrieg ringen zwei Generäle um die Macht. Dieser Mann hat sich der staatlichen Armee angeschlossen, um gegen die Rebellen der RSF zu kämpfen.

Auch Khalid und seine Familie sind im August in ihre Heimat zurückgekehrt, nachdem die Armee die Kontrolle – wenigstens einigermaßen – zurückerobert hatte. Ihr Haus wurde vom Beschuss schwer beschädigt. Was nicht eingestürzt ist, haben Plünderer mitgenommen. „Aber wir bauen das alles wieder auf“, sagt Khalid.  

Die Menschen unterstützen sich dabei gegenseitig. Doch in vielen alltäglichen Dingen sind sie auf die Hilfe von anderen angewiesen. So wie die von Imam Scheich Ibrahim. Er betreibt eine Gemeinschaftsküche im Viertel Wad Nubawi, wo auch Khalids Familie lebt. Ibrahim und sein Team verteilen hier kostenlose Mahlzeiten an diejenigen, die in die Ruinen ihrer Häuser zurückkehren. Täglich essen hier mehr als 500 Menschen. „Die Menschen, die zurückkommen, sind depressiv, traumatisiert“, sagt der 50-Jährige. „Hier sollen sie ihr Lächeln wiederfinden.“ Das sei ebenso wichtig wie Nahrung.  


Bürgerkrieg im Sudan: Während Millionen Sudanesen auf der Flucht sind, kehren einige wenige in ihre zerstörten Viertel zurück. Mitten im Bürgerkrieg wollen sie ihre Häuser wieder aufbauen.

Während Millionen Sudanesen auf der Flucht sind, kehren einige wenige in ihre zerstörten Viertel zurück. Mitten im Bürgerkrieg wollen sie ihre Häuser wieder aufbauen.