Bürgergeldbezieher kosten Kassen 9,2 Milliarden Euro

Theoretisch müssten die Krankenkassenbeiträge nicht steigen, sondern könnten sinken – wenn sich die Ampelregierung an ihren eigenen Koalitionsvertrag hielte. Darauf weist der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hin. Wie im Vertrag vereinbart, müsste dazu der Bundesetat einen größeren Anteil der Beiträge für Bürgergeldempfänger übernehmen. Bisher reichen die staatlichen Überweisungen bei Weitem nicht aus, wie ein neues Gutachten des IGES-Instituts zeigt, das der Verband nun in Berlin vorgestellt hat: Die GKV-Ausgaben für Bürgergeldempfänger lagen 2022 um 9,2 Milliarden Euro höher als die vom Bund gezahlten Beiträge. 2016 waren es 9,6 Milliarden gewesen. Für 2023 und 2024 werden rund 10 Milliarden erwartet.

Insgesamt seien 2022 lediglich 39 Prozent der Kassenausgaben für Bezieher von Arbeitslosengeld II, inzwischen Bürgergeld genannt, aus dem Haushalt gekommen, sagte Richard Ochmann vom IGES-Institut. Der Bund habe monatlich 108,48 Euro gezahlt, die tatsächlichen Kosten hätten aber 311,45 Euro betragen: „Eine kostendeckende Pauschale hätte fast dreimal höher ausfallen müssen.“

Der letztgenannte Betrag dient auch der Finanzierung mitversicherter Kinder im Alter von weniger als 15 Jahren. Die Leistungsausgaben je Bürgergeldempfänger betrugen 2022 rund 2735 Euro im Jahr oder 228 Euro im Monat. Im Durchschnitt aller Versicherten waren es 3718 Euro im Jahr, 310 im Monat. Dieser Wert umfasst auch Rentner, jener zu den Bürgergeldempfängern indes nicht.

Fehlmeldungen zu Notfallstufen

Dass der Bund durchaus in der Lage sei, die vollen Kosten zu tragen, zeigt sich für die GKV an den Privatversicherten. Dort zahle der Staat bis zu 421,77 Euro im Monat für die Bürgergeldbezieher. „Durch die systematische Unterfinanzierung gehen der GKV jedes Jahr Milliardenbeträge verloren“, monierte Doris Pfeiffer, die Vorsitzende des Spitzenverbands. „Hier spart der Bund zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Gäbe es eine ausreichende Haushaltsfinanzierung, „hätten wir zu Jahresbeginn über Beitragssenkungen sprechen können, statt Beitragserhöhungen umsetzen zu müssen“.

Im Koalitionsvertrag von Anfang Dezember 2021 heißt es: „Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln.“

Pfeiffer sagte, die Beitragszahler hätten den Haushalt 2022 um 9,2 Milliarden Euro „entlastet“. Diese Sichtweise verkennt freilich, dass es einen regelhaften Bundeszuschuss von jährlich 14,5 Milliarden Euro an die GKV gibt; im Coronajahr 2022 waren es sogar 28,5 Milliarden.

Unterdessen wächst die Kritik am neuen Onlineklinikatlas von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Es seien viele Fehler bekanntgeworden, teilte die Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG mit. So würden Fallzahlen zu gering angegeben, ein zertifiziertes Lungenzen­trum werde nicht als solches ausgewiesen. Es gebe Fehlmeldungen zu Notfallstufen und zur Personalausstattung. „Hier handelt es sich um Fehler, die im Zweifel entscheidend in das Leben eines Menschen eingreifen können“, rügte die DKG.