BSW qua Die Schwarzen-Koalitionspartner: Osten wählt, Süden lautert, Westen gerät in Panik
Ob sie beim BSW vor lauter Osten jetzt den Süden vor Augen haben? In Italien gibt es eine Partei, deren – auch außenpolitische – Programmatik der des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ähnlich ist. Der Aufstieg der 5-Sterne-Bewegung dauerte allerdings weit länger als die acht Monate von der Gründung des BSW bis zum Status als Wahlgewinner, an dem bei einer Regierungsbildung kein Weg vorbeiführt. Italienweit erhielten die „Cinque Stelle“ mit ihrer selbst nicht angetretenen Gallionsfigur Beppe Grillo 2018 fast 33 Prozent, es folgte der Regierungseintritt, später der Fall in der Wählergunst: Zehn Prozent waren es im Juni 2024 bei den Europawahlen noch. Im Kreis der frisch nach Brüssel gewählten Abgeordneten des BSW gab es Überlegungen, mit den 5 Sternen dort eine Fraktion aufzubauen. Daraus wurde vorerst nichts.
Seine ersten Fraktionen baut das BSW nun in Sachsen und in Thüringen auf, mit je 15 Mandaten sind es die drittstärksten der Landtage – und die sollen jetzt gleich noch Landesregierungen mit aufbauen. Verglichen mit Erfurt mutet das in Dresden fast schon wie ein Spaziergang an. Regierten hier eben noch CDU, Grüne und SPD miteinander, soll in dieser Konstellation nun das BSW die Grünen ablösen. Mit letzteren wäre Ministerpräsident Michael Kretschmers (CDU) Vorschlag einer Volksbefragung zur Stationierung neuer US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland ebenso wenig machbar wie das Eingeständnis, dass sich der Ukraine-Krieg nur mit Diplomatie, nicht mit mehr Waffenlieferungen beenden lässt. Auch in der Sozialpolitik werden sich zwischen BSW, der SPD von Sozial-, früher Integrationsministerin Petra Köpping und Kretschmer Gemeinsamkeiten finden lassen – ohne kreative Auslegung oder sogar Reform der Schuldenbremse wird sich allein die Reparatur des Schulsystems nicht bewerkstelligen lassen. In der Migrationspolitik sind die Schnittmengen groß und die Erwartungshaltung vieler Wähler klar. Der Idee einer Landesgrenzpolizei des CDU-Landeschefs wird sich das BSW kaum entgegenstellen.
Russland, Söder und die CSU
Kretschmer hat sich diese Idee im Süden abgeschaut, bei Markus Söder (CSU). Panischen Stimmen aus dem Westen zufolge stehen Bayerns Ministerpräsident und eine „heimliche Liebe der CSU zu Russland“ ohnehin Pate, wenn die CDU nun „in die Arme einer Ex-Kommunistin getrieben wird, die die USA hasst und die Nato ablehnt“, so die Hamburger Zeit – Sahra Wagenknecht wolle nicht weniger als „die CDU aufspalten“ und damit ihre Loyalität „gegenüber den USA, ihre proisraelische Haltung, ihre kritische Position gegenüber Russland und konkret jetzt die Unterstützung der Ukraine“. CDU-Mitglieder wie der Bürgermeister von Gummersbach fordern bereits einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem BSW, das der Aalener Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dabei zum „verlängerten Arm des Kreml“ erklärt. Derweil versichert die Westberliner taz angesichts der Voten Ostdeutscher, dass „über die Westbindung Deutschlands nicht in den Landtagen verhandelt wird“.
Mit diesen Voten und mit der freien Koalitionswahl ostdeutscher CDU-Verbände tut sich Söder tatsächlich hörbar leichter als der Westfale Friedrich Merz. Was damit zu tun haben mag, dass sich die Stimmenanteile rechter Parteien vor allem in Bayerns Grenzregionen zu Thüringen und Sachsen von denen dort nicht groß unterscheiden. Vor allem aber mit dem Ringen um die Kanzlerkandidatur der Union. Besteht CDU-Chef Merz hart auf dem Unvereinbarkeitsbeschluss allein gegenüber der Linken, droht ihm aus Erfurt Ungemach wie jenes, dem Annegret Kramp-Karrenbauer zum Opfer fiel. Söder steht parat.
Retter Ramelow?
Denn in Thüringen fehlt der CDU-BSW-SPD-Konstellation eine Stimme zur Mehrheit, und die gibt es, wenn nicht bei der AfD, dann nur bei der Linken zu holen. Mithilfe derer darf CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt eigentlich nicht Ministerpräsident werden, weil sie den „Sozialismus“ will – mithilfe des BSW schon, denn von genau diesem Wort im Parteiprogramm hat sich Wagenknecht längst verabschiedet. Ein Schelm, wer diesem Abschied strategisches Kalkül zur Herstellung von Regierungsfähigkeit im seit Jahren fast unregierbaren Thüringen unterstellt.
Dass sie regieren wollen, daran lassen BSW-Vertreterinnen jedenfalls keinen Zweifel mehr. Für eine sich aus Proteststimmen speisende Partei ist das gewagt, und doch wohnt auch dem vielleicht Kalkül inne – um in Zukunft eine noch nennenswertere Zahl von AfD-Wählern zurückzugewinnen: Wozu weiter eine Partei wählen, die bisher ohnehin keine Aussicht auf Gestaltungsmacht hat, wenn eine andere Partei eben diese Gestaltungsmacht im Nu erlangt?
Italien, Meloni und die Westbindung
BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf deutet an, wie die Regierungsbildung gelingen soll: Thüringen könne „beweisen, dass es im positiven Sinn ein Politiklabor ist, wo sich Grenzen zwischen Regierungstätigkeit und Opposition möglicherweise ein Stückchen auflösen“. Es fehlt ja nur eine Stimme. „Eine Stimme sitzt vor Ihnen“, sagt der Linke Bodo Ramelow dem Spiegel. Sollen sich auflösende Grenzen also bedeuten, dass der scheidende Ministerpräsident in der Linksfraktion und die Linke in der Opposition verbleibt, Ramelow jedoch einer Regierung aus CDU, BSW und SPD zur Mehrheit verhilft?
Den Süden jedenfalls dürfte Ramelow gut im Blick haben, seine Frau kommt aus Italien. Dort bürgt für Westbindung und NATO-Treue mit Giorgia Meloni heute eine Faschistin. Die 5-Sterne-Bewegung hat sich derweil im Europaparlament statt dem BSW der Fraktion angeschlossen, zu der auch Ramelows deutsche Linkspartei gehört.