BSW, Die Schwarzen und SPD münden in Thüringen Koalitionsgespräche. Einigung ebenfalls in Potsdam
Nach zähem Ringen werden CDU, BSW und SPD in Thüringen Koalitionsverhandlungen aufnehmen, ebenso BSW und SPD in Brandenburg. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hatte friedenspolitische Forderungen zur Verhandlungsbedingung gemacht
In Brandenburg und Thüringen stehen die Zeichen auf Koalitionsverhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). In Erfurt verkündeten die Landesvorsitzenden von CDU, BSW und SPD nach harten Verhandlungen einen Kompromiss zu umstrittenen außenpolitischen Forderungen der Wagenknecht-Partei für die Präambel eines möglichen Regierungsvertrags.
Katja Wolf, Partei- und Fraktionsvorsitzende des BSW in Thüringen, spricht von den „schwierigsten Verhandlungen meines Lebens“. Koalitionsgespräche sollen am heutigen Dienstag starten.
Wagenknecht kritisiert Erfurter Kompromiss
BSW-Parteigründerin Sahra Wagenknecht kritisierte den Erfurter Kompromiss zwar deutlich. Er bleibe deutlich hinter dem Verhandlungsergebnis in Brandenburg zurück, sagte sie dem Spiegel. Gegenüber dem MDR sagte sie aber auch: „Trotzdem werden wir jetzt in Gespräche eintreten.“
In Brandenburg stimmten die Landesvorstände von BSW und SPD am Abend der Aufnahme von Koalitionsgesprächen zu, wie die beiden Regierungspartner mitteilten. Sie sollen nach Angaben der SPD am Montag beginnen. Am Vormittag hatten die beiden Parteichefs Dietmar Woidke (SPD) und Robert Crumbach (BSW) die Ergebnisse der mehrwöchigen Sondierungsgespräche vorgestellt.
Friedenspolitischen Forderungen
Das BSW und seine Bundesparteichefin Wagenknecht hatten bei den Verhandlungen auch eine Positionierung der möglichen Koalitionäre zu ihren friedenspolitischen Forderungen verlangt, konkret zu diplomatischen Bemühungen im Ukraine-Krieg sowie zur geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. In Erfurt stand das Projekt einer sogenannten Brombeer-Koalition deshalb zwischenzeitlich auf der Kippe.
Die nun in den beiden Ländern gefundenen Kompromisse unterscheiden sich. Die Verhandler von SPD und BSW in Brandenburg schrieben in ihren Entwurf, dass sie die von SPD-Kanzler Olaf Scholz mit den USA vereinbarten Raketenpläne kritisch sähen.
Das Erfurter Papier erkennt dagegen nur an, dass „viele Menschen in Thüringen“ die Stationierung kritisch sähen beziehungsweise ablehnten. „Die künftige Regierung des Freistaates Thüringen fördert eine breit angelegte Debatte und verleiht auch dieser Haltung im Sinne eines nachhaltigen Einsatzes für Frieden eine öffentliche Stimme.“
Unterschiede offen ausgesprochen
Zudem heißt es dort: „Im Rahmen der europäischen und bundesstaatlichen Ordnung unterstützen wir alle diplomatischen Initiativen, den von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg zu beenden.“ Unterschiede werden offen ausgesprochen: CDU und SPD sähen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. Das BSW stehe für einen kompromisslosen Friedenskurs.
Im Brandenburger Entwurf heißt es: „Wir sind übereingekommen, dass wir uns (…) dafür einsetzen, eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts und den Abbau der damit verbundenen Spannungen innerhalb Europas durch Verhandlungen mit den Konfliktparteien mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben.“ Zugleich bekennt sich das Papier aber zur „Verteidigungsfähigkeit unseres Landes“ und zur Stärkung der Bundeswehr.
Verhandlungen zwischenzeitlich unterbrochen
„Es ist uns gelungen, einen Konsens zu finden“, sagte Thüringens CDU-Chef Mario Voigt. Die Verhandlungen waren am Freitag zunächst gestoppt und am Sonntag wieder aufgenommen worden. BSW-Landeschefin Katja Wolf sagte mit Blick auf Bundesparteichefin Sahra Wagenknecht, die Einigung sei intensiv diskutiert worden, aber „Zustimmung ist rein formal nicht vorgesehen.“
Der Thüringer BSW-Vorstand und vor allem Wagenknecht hatten vor mehr als einer Woche die Einigung auf eine Friedensformel für die Präambel eines möglichen Koalitionsvertrages zur Bedingung für den Start von Koalitionsverhandlungen in Erfurt gemacht. Vor dem Streit hatten sich die drei Parteien bereits auf ein Sondierungspapier geeinigt, dem auch die Parteivorstände schon zugestimmt haben.
Sehr knappe Mehrheiten in Thüringen
CDU, BSW und SPD haben im Thüringer Landtag nur die Hälfte der Sitze, um das Patt aufzulösen, wäre also mindestens eine Stimme der Opposition nötig. Zu einer Brombeer-Koalition gibt es nach dem Ergebnis der Landtagswahl dennoch kaum eine Alternative, weil alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, die CDU auch mit der Linken. Einzige Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung der CDU möglicherweise zusammen mit der SPD, die allerdings sowohl das BSW als auch die Linke für Mehrheiten bräuchte. Die AfD war in Thüringen mit 32,8 Prozent erstmals in Deutschland stärkste Partei bei einer Landtagswahl geworden.
In Brandenburg ist die Lage etwas einfacher, dort hätte ein Bündnis aus SPD und BSW eine Mehrheit im Landtag. „Es ist jetzt die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Brandenburg ein Land ist, das eine sichere Regierung bekommt“, sagte Woidke. Das Sondierungsergebnis sei eine „Zwischenetappe“. Die richtige Herausforderung käme mit den Koalitionsverhandlungen.
Auch in Sachsen gehen Bemühungen um eine Regierungsbildung von CDU, BSW und SPD weiter, nachdem die Sozialdemokraten sie zwischenzeitlich ausgesetzt hatten. Grund dafür war, dass die Mehrheit der BSW-Abgeordneten im Landtag einem AfD-Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Corona-Pandemie zugestimmt hatte. Die Spitzen der drei Parteien einigten sich nun auf eine Fortsetzung der Sondierungen. „Das Abstimmungsverhalten im Plenum sowie Missverständnisse im Umgang miteinander wurden dabei angesprochen und ausgeräumt“, teilten die Parteien mit.