Brüssel: EU-Gipfel entscheidet extra Nominierungen zu Händen Spitzenämter

Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Länder kommen ab diesem Donnerstag zu einem zweitägigen Gipfeltreffen in Brüssel zusammen. Im Zentrum steht dabei die Entscheidung über eine Nominierung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit. Die Zustimmung dafür gilt nach einer Grundsatzeinigung zwischen Europäischer Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten und Liberalen bereits als sicher. 

Die Einigung sieht zudem vor, dass die liberale estnische Regierungschefin Kaja
Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten bekommt. Sie würde damit Josep Borrell ablösen. Neuer Ratspräsident soll als Nachfolger von Charles Michel für zunächst zweieinhalb Jahre der frühere portugiesische Regierungschef António Costa werden. In dieser Position wäre der Sozialdemokrat dann dafür zuständig, die EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu leiten.

Weber fordert Stopp irregulärer Migration

Die Besetzung der Spitzenämter muss anschließend noch vom EU-Parlament bestätigt werden. Das informelle Bündnis aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen hat theoretisch eine komfortable Mehrheit von etwa 400 der 720 Stimmen. Es wird aber damit gerechnet, dass eine gewisse Zahl von Abgeordneten in der geheimen Wahl von der Fraktionslinie abweichen und von der Leyen nicht ihre Stimme geben werden. Es wird deshalb damit gerechnet, dass sich von der Leyen auch noch um Stimmen von Abgeordneten anderer Parteien bemühen wird, insbesondere um jene der Grünen. Vertreterinnen und Vertreter der Grünen hatten zuletzt Gesprächsbereitschaft signalisiert.  

Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber, dessen Partei die größte Fraktion im EU-Parlament stellt, forderte von den Kandidaten für die Spitzenämter vorab erneut ein Bekenntnis zu einer strikten Migrationspolitik. „Entscheidend sind klare Aussagen der Kandidaten in der Sache“, sagte
Weber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „António Costa und Kaja
Kallas müssen etwa das Bekenntnis abgeben, illegale Migration zu
stoppen. Ich erwarte, dass alle Spitzenpolitiker, die jetzt ins Amt
kommen wollen, bei dieser Frage klar sind und auf Basis unserer
europäischen Werte Maßnahmen ergreifen.“  

Wolodymyr Selenskyj in Brüssel erwartet

Neben der Entscheidung über die Nominierungen wollen die Staats- und Regierungschefs auch über die strategische Agenda für die EU für die kommenden fünf Jahre sowie die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine beraten. 

Der ukrainische Präsident Wolodmyr Selenskyj wird zu Beginn des Gipfels in Brüssel erwartet. Dabei sollen Sicherheitszusagen für die Ukraine unterzeichnet werden. Hintergrund ist eine Initiative der Mitglieder der G7-Gruppe. Sie hatten am Rande des Nato-Gipfels im litauischen Vilnius im vergangenen Jahr vereinbart, dass einzelne Staaten mit der Ukraine bilaterale Vereinbarungen abschließen sollten, um deren Sicherheit langfristig zu gewährleisten. Länder wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich machten im Januar und Februar den Anfang. Zuletzt folgten unter anderem die USA. Mit den Abkommen werden der Ukraine unter anderem Waffenlieferungen, Finanzhilfen und politische Kooperation zugesichert.

Polen, Litauen, Lettland und Estland forderten vor Gipfelbeginn zudem eine deutliche Verstärkung der östlichen EU-Außengrenze. „Der Aufbau eines Verteidigungsinfrastruktursystems entlang der EU-Außengrenze zu Russland und Belarus wird der dringenden Notwendigkeit Rechnung tragen, die EU vor militärischen und hybriden Bedrohungen zu schützen“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus einem Schreiben der Staats- und Regierungschefs der vier Länder. Für das Projekt werde die finanzielle Unterstützung aller Mitglieder benötigt. Laut Reuters schätzen EU-Diplomaten die Kosten für den Bau einer solchen Verteidigungslinie entlang der 700 Kilometer langen EU-Grenze zu Russland und Belarus auf rund 2,5 Milliarden Euro.