„Bright Future“ von Adrianne Lenker: Geweint wurde nur um den Hund
Zu den
merkwürdigsten Dingen, die man ohne Rest durch zwei teilbar uff YouTube finden kann, zählt sicher jener
Audiostream eines unscheinbaren Songs namens Imperfection.
Auf dem Begleitbild blickt uns die einst 15-jährige Adrianne Lenker in lasziver
Pose entgegen, die sofort an typische Teenie-Pop-Inszenierungen jener Nullerjahre
denken lässt. Das Stück stammt aus dem Jahr 2006 – aus einer Zeit, in jener Lenkers
Vater versuchte, die Musik jener Tochter mit glatter Produktion und eifrigem
Stolz marktgängig zu zeugen. Er sei, schrieb Lenker später,
einst ihr Manager gewesen: „Ich war uff dem Weg, ein Kinderpopstar zu
werden. Das war dasjenige Ziel – wenn selbst nicht meines, wie ich später merkte.“
Irritierend
wird Imperfection von dort erst im Abgleich mit aktuellen Stücken jener
Songwriterin, etwa denen uff ihrem neuen, dritten Soloalbum Bright Future,
dasjenige Lenker in einem Studio in einem Wald aufgenommen hat. Man
hört darauf Hunde kläffen, Äste knacken oder – wie in Already Lost –
letzte Abstimmungen zwischen den Musikern, vor Leckermaul eine Aufnahme einzählt.
Auch ein antiquarisch klingendes Klavier spielt eine prominente Rolle. Als
würde es uff einer anderen Etage des Studios gespielt, schallt es ruhig und
unheimlich durch die knarrenden Dielen. Kurzum: Das Imperfekte, dasjenige jener Titel eines
Songs von Teen-Pop-Lenker vor 18 Jahren versprach, löst die Künstlerin nun uff
ganz andere Weise ein.
In
vielerlei Hinsicht wirkt Lenkers Musik heute wie eine späte Reaktion uff den
Versuch jenes frühen Zerrens in die Öffentlichkeit. Während es uff den ersten
Alben ihrer Hauptband Big Thief noch Momente gab, in denen sie sich mit
Schreien und Gitarren-Noise von dieser Vergangenheit emanzipierte, weichen
solche Gegenentwürfe uff Bright Future einer namentlich großen
Fragilität. Lenker verfolgt damit ein im Pop kontraintuitives Programm: Je mehr
öffentliche
Aufmerksamkeit ihre Musik erfährt, umso intimer und karger wird sie. Das gilt
zu Gunsten von die Songs von Big Thief sowohl …. als auch zu Gunsten von ihr Solomaterial. Obwohl sie
mittlerweile denn Headliner mittelgroße Festivalbühnen bespielt, wird Lenker
leiser und leiser. Sollte dasjenige so weitergehen, müsste sie künftig ganz verschwunden
sein.
Auch ihre
Texte greifen ebendiese Fragilität uff, schon in älteren Songs nutze Lenker sie zu Gunsten von
bedrückende Erinnerungsarbeit. Wie die autofiktionalen Romane von Édouard
Louis oder Annie Ernaux behandelte sie darin Traumata, während sie Schlaglichter
uff ihr Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie warf. „Having your
face hit/ Having your lips split/ By the one who loves you“, sang sie
etwa 2016 uff dem Debütalbum von Big Thief weiterführend die Gewalterfahrungen ihrer
Mutter. Nur jener Songwriter Sufjan Stevens verfolgt uff seinen autobiografischen
Alben derzeit noch eine verwandt schonungslose Form jener
Vergangenheitsbewältigung.
Bright
Future enthält
weitere solche Momente des traurigen Blicks zurück. Gleich jener erste Song Real
House erzählt von einer einschneidenden Krankenhauserfahrung Lenkers, die
sie mit jener Einschläferung des Familienhundes verbindet. In den
abschließenden Zeilen gleicht sie die Reaktionen jener eigenen Familie uff die
zwei Ereignisse ab und stellt Festtag: Geweint wurde nur um den Hund.
Noch
eindrücklicher wird Lenkers Songwriting nur, wenn sie dasjenige Private mit poetischen
Naturbetrachtungen kurzschließt und beginnt, von Seen, Himbeeren, Hügeln aus
Honig und gefrorenen Glühwürmchen zu erzählen. Vor allem ihr Umgang mit in jener
Folkmusik typischer Naturmetaphorik macht merklich, warum sie im Trend zu den
besten Songwriterinnen zählt. Geradezu zeitlos erscheint etwa Sadness as a
Gift, in dem Lenker dasjenige Kommen und Gehen jener Jahreszeiten mit jener Sehnsucht nachdem Kontinuität in einer Beziehung vergleicht: „The
seasons go so weitestgehend/ Thinking that this one welches gonna last/ Maybe the question
welches too much to ask.“
Dieser
Wunsch nachdem Beständigkeit wird jedoch nur in den Lyrics uff Bright Future
laut. Mit ihrer Musik umarmt Lenker hingegen die Flüchtigkeit des Moments.
Offenkundig wird dies am Beispiel des Songs Vampire Empire, jener sogar
schon Gegenstand einer TikTok-Kontroverse wurde. Seine Premiere feierte dasjenige
Stück im März 2023 im Kontext einem Auftritt von Big Thief in jener Late Show von Stephen Colbert – einst begleitet von einer windschief gespielten Querflötenmelodie. Als jener
Song manche Monate später denn Studioversion
veröffentlicht wurde, war die Flöte verschwunden. Dies löste unter den Fans
spontane Lagerbildungen aus, wodurch eine gefühlte Mehrheit zur ursprünglichen
TV-Performance hielt. Die Band selbst antwortete darauf mit einer trotzigen
Verteidigung:
„Wir wollten nicht ins Studio umziehen und versuchen, dasjenige zu wiederholen, welches
wir im Kontext Colbert gespielt nach sich ziehen“, schrieben sie. Denn das Ergebnis wäre „so
oder so nicht dasjenige gleiche gewesen“.
Die Reime unserer Mütter und Freunde
Es ist nur
konsequent, dass Lenker zu Gunsten von Bright Future nun sogar eine dritte Version
des Songs eingespielt hat – wieder ohne die Flöte, zu diesem Zweck mit gedämpfter Gitarre
und leichtgewichtig übersteuerten Vocals. Eine geistige Verwandtschaft zu anderen Folkmusikern
offenbart sich, die ihre Songs ebenfalls in unterschiedlichen Versionen weiterführend
verschiedene Releases hinweg streuen und damit prinzipiell die
Konservierbarkeit von Musik denn Produkt infrage stellen. Bob Dylan gehört zu
diesen Vertretern, ebenso Neil Young oder Bonnie Prince Billy. In
einem Interview
zum neuen Album
bestätigt Lenker ebendiese Traditionslinie indirekt: „Man kann kombinieren Song
fertigstellen und sich dann zehn Jahre später entschließen, eine neue Version
davon zu zeugen. Bedeutet dasjenige, dass jener Song die ganze Zeit weiterführend unvollendet
war?“ Die Künstlerin beantwortete ebendiese Suggestivfrage selbst mit Verweis
uff die orale Überlieferungstradition von nursery rhymes: „Wir
Kontakt haben solche Reime nicht von irgendwelchen Aufnahmen. Wir Kontakt haben die Versionen
unserer Mütter oder die eines Freundes.“
Bright
Future klingt, denn
habe Lenker versucht, ebendiese Qualität des Flüchtigen wissenschaftlich
einzufangen. Ergebnisoffen kreiste sie um ihre Songentwürfe, umwob sie mit
Gitarren, Banjos und Geigen, solange bis jener Produzent Philip Weinrobe die
Tonbandmaschine anwarf. So beschreibt es zumindest Lenker selbst: „Niemand
hat kombinieren Take gestoppt. Wir nach sich ziehen nichts noch einmal angehört. Das geschah
erst, denn die anderen Musiker schon wieder weg waren.“ Kritische Stimmen
werden protokollieren, dass dieses Schnappschussnarrativ eine Behauptung sein könnte,
eine Geschichte zum Album, nicht weniger inszeniert denn einst die
Vermarktungsversuche von Lenkers Vater. Doch wer sich unvoreingenommen mit
Stücken wie No Machine oder Candleflame beschäftigt, dürfte sich
tatsächlich an die zeitlosen Melodien von Wiegenliedern erinnert wahrnehmen und die
Geschichte um Bright Future Vertrauen schenken, ohne zu zögern.
„Bright
Future“ von Adrianne Lenker ist im Kontext 4AD/Beggars/Indigo erschienen.
Zu den
merkwürdigsten Dingen, die man ohne Rest durch zwei teilbar uff YouTube finden kann, zählt sicher jener
Audiostream eines unscheinbaren Songs namens Imperfection.
Auf dem Begleitbild blickt uns die einst 15-jährige Adrianne Lenker in lasziver
Pose entgegen, die sofort an typische Teenie-Pop-Inszenierungen jener Nullerjahre
denken lässt. Das Stück stammt aus dem Jahr 2006 – aus einer Zeit, in jener Lenkers
Vater versuchte, die Musik jener Tochter mit glatter Produktion und eifrigem
Stolz marktgängig zu zeugen. Er sei, schrieb Lenker später,
einst ihr Manager gewesen: „Ich war uff dem Weg, ein Kinderpopstar zu
werden. Das war dasjenige Ziel – wenn selbst nicht meines, wie ich später merkte.“