Briefe von Anna Seghers: „Soll ich im Stillen verbluten?“

So eine große Sicherheit war in dieser Liebe von Anfang an. So eine große, erstaunliche Sicherheit, dass etwas Besonderes beginnt, etwas, das halten und im gemeinsamen Leben Großes entstehen lassen wird: „Halt nur meine Hand fest. Denn meine Hand, das ist keine gewöhnliche Hand. Du sollst nicht lächeln, sondern mir glauben; diese Hand steht irgendwie mit etwas Unverrückbarem in Verbindung, mit etwas ganz Unantastbarem u Du bist daran geknüpft so lange Du diese meine Hand hast.“

Das war im Frühling 1920 in Heidelberg, als diese Liebe begann. Die Liebe zwischen Netty Reiling, die die Welt nur wenige Jahre später als Anna Seghers kennenlernen wird, und László Radványi, der sich bald Johann-Lorenz Schmidt nennt, sie werden gemeinsame Kinder haben, sie werden in die Welt fliehen, nach Mexiko, Netty wird unter ihrem neuen Namen einen Roman über diese Flucht schreiben, Transit, der einer der berühmtesten und besten Fluchtromane der Weltliteratur sein wird, und schon jetzt, in den Jahren des Kennenlernens und der Vorfreude auf ein gemeinsames Leben, schreibt Netty Reiling weit voraus: „Ich glaube, wenn wir 50 Jahre verheiratet wären, ich könnte mit dem selben Herzklopfen Dich zum Essen erwarten.“ Die Ehe wird am Ende 53 Jahre halten, bis zum Tode Radványis.