„Brandmauer“ zur AfD: Aktivisten prangern AfD-Kontakt an

Im Streit über den Umgang mit der AfD setzt Campact Inhaber und Vertreter von Unternehmen mit einer fragwürdigen Aktion unter Druck. Die Kampagnenorganisation für „progressive Politik und Stärkung der Demokratie“, forderte per Mail dazu auf, Auskunft über die Mitgliedschaft in dem Verband „Die Familienunternehmer“ zu erteilen. Die Wirtschaftsvereinigung selbst macht dazu keine Angaben.

In der Nachricht, die Campact an Unternehmen verschickte, heißt es: „Aktuell steht der Verband „Die Familienunternehmer” für seine Entscheidung in der Kritik, AfD-Politiker*innen einzuladen und sich damit an die rechtsextreme Partei anzunähern. Unsere Recherchen weisen darauf hin, dass Ihr Unternehmen bzw. ein Vertreter Ihres Unternehmens Verbandsmitglied bei „Die Familienunternehmer” ist. Wir bitten Sie hiermit um eine kurze schriftliche Bestätigung oder Zurückweisung der Verbandsmitgliedschaft bis Mittwoch, den 26. November, um 11 Uhr. Wenn wir bis zum Fristende keine Antwort von Ihnen erhalten, gehen wir davon aus, dass Ihr Unternehmen bzw. ein Vertreter Ihres Unternehmens Mitglied im Verband der Familienunternehmer ist.“ Die Mail mit dem Ultimatum liegt der F.A.Z. vor.

Rossmann und Vorwerk verlassen Verband

Eine Sprecherin von Campact bestätigte die Authentizität der Anfrage. Es seien 36 Unternehmen angeschrieben worden, von denen man aufgrund von Recherchen annehme, die Inhaber könnten Mitglied der Familienunternehmer sein. 18 Unternehmen hätten sich bisher zurückmeldet. Davon hätten fünf eine Mitgliedschaft in dem Verband bestätigt. Mehrheitlich hätten sich diese fünf überrascht oder irritiert über den AfD-Beschluss der Familienunternehmer gezeigt. Die Liste mit den Namen der Unternehmen liegt der F.A.Z. vor.

Mit der Drogeriekette Rossmann und dem Haushaltsgerätehersteller Vorwerk haben zwei bekannte Unternehmen die Familienunternehmer im Zuge der aktuellen Debatte verlassen. „Wir unterstützen die Haltung des Verbands ‚Die Familienunternehmer’ nicht und haben die Mitgliedschaft gekündigt“, teilte Rossmann mit.

Vorwerk, vor allem bekannt für den Kochautomaten Thermomix und den Staubsauger Kobold, teilte auf Anfrage mit, man habe sich entschieden, die „seit längerer Zeit ruhende“ Mitgliedschaft in dem Verband „nicht wieder aufleben zu lassen und auch formal aus dem Verband auszutreten“. Für Vorwerk sei klar: „Die AfD steht in ihrem Auftreten und Teilen ihres politischen Handelns in wesentlichen Punkten nicht im Einklang mit demokratischen Grundwerten und rechtsstaatlichen Prinzipien“.

Kaffeeröster Melitta zeigt sich „sehr überrascht“

Vorwerk hatte sich im vergangenen Jahr im Vorfeld der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen im Rahmen der Kampagne „Made in Germany, Made by Vielfalt“ öffentlich sehr deutlich für Offenheit und Toleranz stark gemacht. Die Initiative, in der sich Dutzende bekannte Familienunternehmen engagieren, machte damals auch deshalb Schlagzeilen, weil der AfD-Politiker Björn Höcke den teilnehmenden Unternehmen „schwere wirtschaftliche Turbulenzen“ gewünscht hatte.

Der Kaffeeröster Melitta überdenkt seine Mitgliedschaft bei den Familienunternehmen noch. Über die veränderte Position der Verbandsführung sei man „sehr überrascht“, teilte das Unternehmen mit. Der Dialog mit der Politik werde zwar befürwortet, nicht jedoch mit Parteien, die auch nur in Teilen als extremistisch eingestuft würden. „Wir haben unsere Haltung dem Verband mitgeteilt.“

„Wir sagen ihnen ins Gesicht, was wir von ihrer Politik halten“

Die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, hatte diese Woche bekannt gegeben, der Verband habe beschlossen, das auf Bundesebene bestehende „Kontaktverbot“ zur AfD aufzuheben. Dazu hatte Ostermann der F.A.Z. gesagt: „Unsere Meinung über die AfD hat sich nicht geändert. Ihre Politik ist demokratieschädigend und wirtschaftsfeindlich. Der einzige Unterschied ist jetzt: wir sagen ihnen ins Gesicht, was wir von ihrer Politik halten.“ Als ersten AfD-Vertreter hatte der Verband im Oktober den Wirtschaftspolitiker Leif-Erik Holm zu einem parlamentarischen Abend eingeladen.

Rund 3500 Unternehmer und Unternehmerinnen verschiedener Branchen gehören dem Verband an. Mitglied kann werden, wer mindestens 40 Jahre alt ist und ein Familienunternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern führt. Das Unternehmen muss einen Umsatz von mindestens einer Million Euro erwirtschaften und im Handelsregister oder in der Handwerksrolle eingetragen sein. Die Familienunternehmer veröffentlichen nicht, wer ihre Mitglieder sind. Ein Verbandssprecher wollte sich dazu nicht äußern, auch nicht zu den Austritten und der E-Mail-Aktion der Aktivisten.

„Wir wollen gute Kommunikation“

Die Campact-Sprecherin sagte der F.A.Z, die Anfragen zur Mitgliedschaft bei den Familienunternehmern habe man aus Transparenzgründen gestartet. Die Aktion sei Teil der Kampagnen für die Zivilgesellschaft und gegen Rechtsextremismus. „Für uns ist es wichtig, klar zu benennen, welche Unternehmen Mitglied des Verbands sind und ob diese den Kurs der Verbandspräsidentin mittragen, sich gegenüber der AfD zu öffnen”, sagte die Sprecherin. Dass die Offenlegung der Mitgliedschaft womöglich auf negative Reaktionen bei Geschäftspartnern oder Kunden stoßen könne, habe man im Kopf gehabt.

Campact widersprach aber, dass die Aufforderung womöglich als Drohmail aufgefasst werden könnte. „Wir wollen gute Kommunikation und zugleich möchten wir sicherstellen, dass wir gehört und ernst genommen werden“, sagte die Sprecherin.

Zum weiteren Umgang mit den Antworten auf die Abfrage sagte sie, Campact werde die Mitgliedsunternehmen auffordern, Stellung zu dem AfD-Beschluss der Familienunternehmer zu beziehen. „Wir achten aber stets darauf, dass unsere Aktionen angemessen sind und die Privatsphäre respektieren“, fügte sie hinzu.

Organisation nach amerikanischem Vorbild

Die Organisation wurde 2004 nach amerikanischen Vorbild gegründet, um vor allem „progressiv denkende Wähler“ zu erreichen, wie es Campact-Vorstand und Mitgründer Christoph Bautz einmal formulierte. Mit Demonstrationen und Online-Petitionen kämpfte Campact 2014 zum Beispiel gegen das Handelsabkommen TTIP. Außerdem mischte die Organisation immer wieder in Wahlkämpfen mit, zuletzt vor allem, um Erfolge der AfD zu verhindern.

Nachdem Campact zunächst vor allem über einen großen Mailverteiler Anhänger mobilisierte und auf Demonstrationen vor Ort setzte, nutzt die Organisation mittlerweile vermehr soziale Plattformen. Campact erzielte im Jahr 2024 nach eigenen Angaben Einnahmen in Höhe von 24,63 Millionen Euro, überwiegend durch Beiträge von Förderern und Spenden von mehr als 4,25 Millionen Unterstützern.