Bitcoin unter Donald Trump: Sie mögen ihn nicht, handkehrum er macht sie reich

Um halb zwei nachts, als in den USA die ersten Wahllokale schließen und die ersten Zeichen auf einen Sieg von Donald Trump deuten, wird Alexandra Chen noch ein bisschen reicher. Sie war wach geblieben, wie so viele, um den Ausgang der Präsidentschaftswahl vor dem Fernseher zu verfolgen. Eigentlich hätte sich Chen gewünscht, dass die Demokratin Kamala Harris gewinnt.  

„Harris wäre für die Menschen besser gewesen“, sagt die 32-Jährige. Doch ein Teil von ihr freute sich auch, als Trumps Wahlsieg nach und nach wahrscheinlicher wurde. Denn der Republikaner war eindeutig der bessere Kandidat für ihr Depot. Chen heißt eigentlich anders, weil sie hier einen so tiefen Einblick in ihre Geldanlagen gibt, soll sie anonym bleiben. 

Vor sieben Jahren erbte Chen eine größere Summe. Einen Teil davon, einen sechsstelligen Betrag, legte sie in Bitcoin und andere Kryptowährungen an. Außerdem kaufte sie Aktien, unter anderem von MicroStrategy, einem KI-Unternehmen, das rund 1,2 Prozent aller Bitcoins weltweit besitzt. 

ZEIT ONLINE hat nach der US-Wahl mit mehreren Menschen wie Chen gesprochen, die Bitcoin und andere Kryptowährungen halten. Vielen geht es dabei wie Fußballfans, die gegen die eigene Mannschaft gewettet haben: Fühlt sich falsch an, aber wenigstens gewinnt man ein paar Euro, wenn der Herzensclub verliert. Ein Anleger spricht von einem „moralischen Dilemma“: Er halte den Sieg Trumps „für ein Armutszeugnis für die USA, gleichzeitig war seit Wochen klar, dass es gut für mein Portfolio sein würde.“ 

Man könnte auch sagen: Sie mögen ihn nicht, aber immerhin macht er sie reicher. Der Preis der Krypto-Leitwährung Bitcoin stieg in der Wahlnacht auf ein neues Allzeithoch. Die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen zusammen vermaßen Analysten der DZ Bank auf rund 2,5 Billionen Dollar. Auch Aktien, deren Wert von der Kryptowährung abhängt, wie Coinstar oder eben MicroStrategy, gewannen deutlich. 

Florian Döhnert-Breyer hatte bereits seit langem mit einem Krypto-Höhenflug gerechnet, sollte Trump gewinnen. Der Geschäftsführer des auf Kryptoinvestments spezialisierten Fonds F5 Crypto beobachtete schon Wochen vor der US-Wahl einen deutlichen Anstieg des Bitcoinkurses. Einige Anleger spekulierten damals schon auf einen Sieg von Trump. Dass die aktuellen Preissteigerungen auch daran liegen, dass ein straffälliger, autoritärer, demagogischer Mann Präsident wird, blendeten viele Investoren aus. Viele Menschen, vor allem in Europa, teilten Trumps Auffassungen nicht, „sind aber trotzdem glücklich über steigende Aktien- und Kryptokurse“, sagt Döhnert-Breyer. 

Trump, der Kryptowährungen früher noch verteufelte, hat sich mittlerweile zum Kryptopräsidenten stilisiert. Bereits während des Wahlkampfes hatte er angekündigt, aus den USA das Zentrum der Kryptowelt zu machen. Dafür möchte Trump Bitcoin weniger regulieren und schneller neue Krypto-Produkte genehmigen lassen, sagt Döhnert-Breyer.

Ist Trump wirklich gut für den Bitcoin?

Was Trump konkret plant, hat er bei einem Auftritt auf einer Bitcoin-Konferenz in Nashville vor ein paar Monaten verkündet. Er gab den Krypto-Fans dort drei Versprechen: Am ersten Tag nach seiner Amtsaufnahme wolle er Gery Gensler entlassen. Gensler ist der Chefaufseher der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC und bekannt dafür, Bitcoin besonders hart zu regulieren. Rechtlich ist zwar unklar, ob der US-Präsident das überhaupt darf. Jedoch dürfte Gensler nach der Wahl von Trump derart unter Druck stehen, dass er womöglich einfach selbst zurücktritt.  

Als zweiten Schritt möchte Trump Ross Ulbricht begnadigen. Die Krypto-Ikone war der Gründer der Darknet-Plattform Silk Road, auf der mit Bitcoin bezahlt werden konnte. Insgesamt 1,2 Milliarden Umsatz hatte Ulbricht dort erzielt. Bis ein US-amerikanisches Gericht Ulbricht wegen Geldwäsche in Drogengeschäften zu zweimal lebenslänglich plus 40 Jahren verurteilte. Seitdem fordern Bitcoin-Jünger seine Begnadigung. Etwas, das der US-Präsident laut Verfassung durchaus darf. 

Drittens kündigte Trump an, bei Strafverfahren oder Insolvenzen konfiszierte Bitcoins nicht mehr wie bislang üblich zu verkaufen, sondern damit eine „strategische Reserve“ aufzubauen. Konkret könnte Trump auf einen Gesetzesentwurf zurückgreifen, den die Senatorin Cynthia Lummis in diesem Jahr eingebracht und am Mittwoch nochmals bekräftigt hat. Ihr Vorschlag: Eine Million Bitcoins sollten über fünf Jahre hinweg aufgekauft werden, mit dem Ziel, durch einen Verkauf nach 20 Jahren die Staatsschulden deutlich zu senken. 

Da Trump die volle Rückendeckung des Kongresses hätte, müsste er mit wenig Widerstand gegen seine Pläne rechnen, schreiben die DZ-Bank-Analysten Marcel Heinrichsmeier und Judith Rauch in einer aktuellen Studie. Die Folge: weitere Kursgewinne für Bitcoin und andere Kryptowährungen.  

Es ist üblich, dass Staaten beispielsweise Gold in größeren Mengen lagern, um damit Währungsrisiken auszugleichen und sich für mögliche Krisen zu wappnen. Würde künftig auch Bitcoin in die Riege der Reservewährungen aufsteigen, wäre das „ein Ritterschlag für Bitcoin“. So sieht es jedenfalls Franz König, der seit 2016 in Bitcoin investiert und ebenfalls anonym bleiben möchte.  

Er kann mit dem Wahlergebnis besser leben. Er halte von den Republikanern ohnehin mehr als von den Demokraten, in denen er „Schuldentreiber“ sieht, wie er sagt. Vor allem aber sei die Nachricht, dass der ehemalige Präsident ein Comeback feiert, gut für seine Anlagestrategie. Wie viele Bitcoins er hält, möchte er nicht sagen, nur so viel: „Wer schon 2016 angefangen hat, brauchte keine große Summe zu investieren, um gut Geld zu machen.“ Damals lag der Kurs bei unter 1.000 Dollar, inzwischen ist er 75-mal so hoch. 

König sieht in Bitcoin „die Befreiung von staatlicher Geldpolitik“. Dass der deutsche Staat nicht gezielt in die Kryptowährung investiert und beschlagnahmte Bitcoins verkauft – so wie im Sommer in Sachsen geschehen – empfindet er als „vertane Chance“. Er selbst jedenfalls werde weiterhin auf Bitcoins setzen und die üblichen Schwankungen aussitzen. Er halte es mit Donald Trump: „Der sagt auch, Bitcoins verkauft man nicht!“