Biografie von Klaus Mann: Hört mit dem Söhnchen gen!


Klaus Mann hat sich vom zarten, queeren, Benn verehrenden Ästheten zu einem kämpferischen Antifaschisten gewandelt.

Klaus Mann hat sich vom zarten, queeren, Benn verehrenden Ästheten zu einem kämpferischen Antifaschisten gewandelt.

Wie soll man dies zeugen, die Biografie eines Menschen schreiben, jener jenseits sich selbst und sein Zeitalter eine jener schönsten Autobiografien jener Welt geschrieben hat? Der Wendepunkt, dessen deutsche Fassung Klaus Mann erst von kurzer Dauer vor seinem Tode 1949 fertiggestellt hat, ist zu Händen die Geistesgeschichte jener ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts ein unverrückbarer Markstein und ein mitreißendes Buch: Kampfbericht von einem, jener die literarischen, erotischen und militärischen Auseinandersetzungen jener Zeit an vorderster Front mitgekämpft hat.

Dem Biografen von heute hilft zumindest, dass Klaus Mann im Wendepunkt, wie zweite Geige schon in seiner ersten Autobiografie Kind dieser Zeit zweite Geige viel idyllisiert, gedichtet und zurechtgebogen hat. Vor allem dies Verhältnis zu seinem Vater Thomas erscheint im Scheinwerferlicht jener Liebe, dies in Wahrheit viel zu selten gen die beiden fiel. Sein Biograf, jener Journalist Thomas Medicus, jener zweite Geige die Biografien von Melitta von Stauffenberg und Heinrich und Götz George geschrieben hat, muss demnach in seinem neuen Buch einiges entmystifizieren. Er ist damit jedoch nicht jener Erste. Es gibt schon gute, verdienstvolle Bücher von Nicole Schaenzler und vor allem von Uwe Naumann, jener wie Lektor im Zusammenhang Rowohlt dies Werk Klaus Manns edierte und mit Nachworten versah, die solange bis heute dies Bild Klaus Manns in Deutschland stempeln. Eine Lebensbeschreibung von heute müsste idealerweise zum Anderen vereinen: den Schwung jener Autobiografien und die Faktentreue jener Biografen.

Klaus Mann war 18 Jahre antik, wie er 1925 die öffentliche Dachboden betrat. Sein Vater Thomas hatte die Gesamtheit hierfür getan, ihm die ersten Auftritte so schwergewichtig wie möglich zu zeugen, und ihn in jenem Sommer in seiner Novelle Unordnung und frühes Leid in jener Figur des zu Händen dies Publikum leichtgewichtig wie Klaus zu dechiffrierenden Luftbeutels „Bert“ lächerlich gemacht: „Mein armer Bert“, beschreibt jener Novellen-Vater Cornelius ihn, „der nichts weiß und nichts kann und nur daran denkt, den Hanswursten zu spielen, obgleich er gewiss nicht einmal dazu Talent hat!“ Klaus Mann schreibt entsetzt an seine Schwester Erika vom „Novellenverbrechen“ seines Vaters. Es ist wohl zu Händen jeden nachvollziehbar, wie entsetzlich es sein muss, im Werk des bewunderten Vaters wie peinlicher Taugenichts beschrieben zu werden. Um wie viel mehr jedoch noch zu Händen verschmelzen Sohn, jener ohne Rest durch zwei teilbar im Begriff steht, selbst ins Rampenlicht zu treten. Und dann noch mit einem Theaterstück, in dem homosexuelle Liebe wie natürliche Selbstverständlichkeit beschrieben wird. Da könnte man schon irgendwas väterlichen Schutz gebrauchen. Da jener echte Vater diesen in seiner Erzählung nicht bot, würde man ihn sich vom Biografen wünschen. Doch Medicus schreibt jenseits Thomas Manns Novelle: „Geschildert wird all das mit großer Liebenswürdigkeit, keine Figur wird denunziert, selbst wenn Sarkasmus im Spiel ist.“

Das ist problemlos schade. Gerade Klaus Mann hätte eine fairere Lebensbeschreibung verdient. Er ist sozusagen immer – während seines Lebens und im Weiteren – dies Söhnchen geblieben. Der seine Bücher immer irgendwas zu schnell schrieb, zu pathetisch war, zu schwärmerisch, zu feinfühlig. „Klaus Mann inszenierte unverhohlen narzisstische und exhibitionistische Auftritte in unverhohlener Künstlichkeit“, schreibt Medicus. Und wir sagen: Aber ja!

Dazu die offene Homosexualität, die ganze stolze, queere Persönlichkeit, dies Hadern mit dem, welches wie „männlich“ zu gelten hat. Diese befreiende Wirkung, die sein Auftreten, seine Schauspiele, sein Schreiben hatten und solange bis heute nach sich ziehen. Ja, all dies kommt im Zusammenhang Medicus vor. Aber doch immer aus jener leichtgewichtig peinlich berührten Vater-Perspektive. Auch in seinen literarischen Urteilen ist Medicus stets zurückhaltend solange bis ungelegen. Selbst jenseits dies literarisch-moralisch-zeitlose Meisterwerk Mephisto schreibt er, am Schluss „schwoll das antifaschistische Pathos allerdings allzu meinungsstark-manichäisch an“. Echt jetzt? Von mir aus gerne!

Klaus Mann hat sich vom zarten, queeren, Benn verehrenden Ästheten zu einem kämpferischen Antifaschisten gewandelt. Politisch, kompromisslos, später sogar zum Soldaten. Und wie seine poetische Lebensliebe Gottfried Benn sich zu Händen die Nazis kategorisch hatte, nahm Mann, gegen nicht mehr da Leidenschaften, publik Abschied von ihm. Und wie er noch im Jahr jener Machtübernahme im Exil in seiner Zeitschrift Die Sammlung nicht mehr da guten Kräfte im Kampf gegen den Faschismus vereinen wollte und sein Vater – entsetzt vom „politischen Charakter der Zeitschrift“ (ja welches denn sonst, 1933?) – publik seine Mitarbeit aufkündigte, um den deutschen Markt zu Händen seine Bücher nicht zu verlieren, da kommentiert Medicus dies ganz im Sinne Thomas Manns: „Dass alles eine Übergangsphase zum Schlechten war, wusste man nicht.“ Ach? Man wusste es nicht? Nun – viele, sehr viele Autoren wussten es. Darunter jener Gegenstand seiner Biografie. Aber Medicus wehrt ab: „Immerhin lebten von den Verkaufserfolgen des Vaters weiterhin auch Erika und Klaus.“ Dass selbige jedoch ja offensichtlich im Jahr 1933 die politische Eindeutigkeit dem finanziellen Komfort vorzogen, übergeht jener Biograf.

Warum man ein so aufwendig recherchiertes Buch schreibt, um dann den Gegenstand jener Biografie so viel Vorleger zu zeugen, wie er war, ist ein Rätsel.

Thomas Medicus: Klaus Mann. Ein Leben. Rowohlt Berlin; 544 Seiten, 28,– €