Betrugsfälle: Milliardenschaden durch gefälschte Klimaschutzprojekte in China
Die Branche für erneuerbare Energie im Verkehr schlägt Alarm. Seit Monaten machen vor allem Produzenten von Biokraftstoffen herbe Verluste. Eine Mitschuld gibt die Branche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne): Das Umweltministerium und das nachgeordnete Umweltbundesamt (UBA) schluderten bei der Aufarbeitung mutmaßlich betrügerischer Klimaschutzbeiträge aus China, heißt es. Bis zu 9 Millionen Tonnen CO₂-Einsparungen hätten vermutlich nicht stattgefunden. Durch gefälschte Klimaschutzprojekte und falsch deklarierten Biodiesel sei ein Gesamtschaden von fast 8 Milliarden Euro entstanden.
Das hat Folgen: Der Hochlauf der E-Mobilität sei gefährdet; Dutzende Investitionsprojekte in die E-Mobilität sowie die Wasserstoff- und Biokraftstoffindustrie in Deutschland seien bereits gestoppt. Das Umweltministerium weist die Vorwürfe als „nicht nachvollziehbar“ zurück. Zudem fehle eine Grundlage für die seriöse Berechnung finanzieller Schäden und ausgebliebenen CO₂-Minderungen.
Die Warnrufe kommen von einer neu gegründeten Initiative „Klimabetrug stoppen“. Zusammengeschlossen haben sich knapp ein Dutzend Interessenverbände aus dem Bereich erneuerbare Energien sowie 40 Unternehmen, deren Geschäftsmodell maßgeblich daran hängt, dass die Politik den Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehrssektor vorantreiben will. Das zentrale Instrument dafür ist die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote), die die Mineralindustrie dazu verpflichtet, den CO₂-Ausstoß ihrer Kraftstoffe zu senken.
Kritik am Umgang mit zweifelhaften Biokraftstoffen
Dafür können die Kraftstoffanbieter verschiedene Optionen nutzen, etwa den Einsatz nachhaltiger Biokraftstoffe sowie Nachweise für die Minderung von Treibhausgasen bei der Erdöl- und Erdgasförderung im Ausland. Die Anrechnung dieser sogenannten UER-Zertifikate wird aber nur noch bis 2025 möglich sein, neue UER-Projekte werden seit Juli dieses Jahres nicht mehr genehmigt.
Das Lemke-Ministerium zog damit Konsequenzen aus dem mutmaßlichen Betrugsskandal mit Klimaschutzprojekten in China. Bei 40 der 66 chinesischen UER-Projekte hat das Umweltbundesamt, dem die Kontrolle obliegt, mittlerweile den Verdacht, dass Betrug unter Beteiligung deutscher Prüfer im Spiel sei. Am Freitag teilte das UBA mit, wegen „ermittelter Unregelmäßigkeiten“ würden acht laufende Klimaschutzprojekte in China nicht freigeschaltet. Es gehe um rund 215.000 Tonnen CO₂, für die nun keine Klimaschutzzertifikate auf den Markt kommen. Das UBA setze die Überprüfungen fort, was aber dadurch erschwert werde, dass die Projektträger Kontrollbesuche an den chinesischen Standorten zum Teil verweigerten.
Das Bündnis „Klimabetrug stoppen“ nannte es „ernüchternd“, dass bisher nur acht Projekte abschließend untersucht seien. Es sei alarmierend, dass das Umweltministerium und das UBA „durch mangelnde Abstimmung mit der Industrie einen Milliardenschaden nicht verhindern konnten“, sagte ein Sprecher. Die Kritik des Bündnisses zielt auch auf den Umgang von Politik und Behörden mit zweifelhaften Biokraftstoffen aus China. Es besteht der Verdacht, das große Mengen nicht, wie ausgewiesen, aus Abfällen und Reststoffen hergestellt wurden, sondern aus frischem Pflanzenöl.
Dazu heißt es aus dem Umweltministerium, die Bundesregierung setze sich mit Nachdruck für eine bessere Betrugsprävention bei der Zertifizierung von Biokraftstoffen auf EU-Ebene ein. Bislang habe man es aber mit „unbewiesenen Verdachtsfällen“ zu tun. Deswegen lasse sich auch der entstandene Schaden nicht abschätzen. Die genannten Zahlen dazu seien „mindestens unseriös und in Teilen sachlich falsch“.
Auch Betriebe des Nahverkehrs betroffen
Die Brancheninitiative rechnet vor, deutschen Unternehmen, die in den Klimaschutz für die Verkehrswende investiert hätten, seien 4,4 Milliarden Euro an Kapital entzogen worden. Grund dafür sei der dramatische Preisverfall beim THG-Quotenhandel. Die Fälschungen bei Klimaschutzmaßnahmen hätten zu einem deutlichen Überangebot an THG-Quoten geführt. Das habe Folgen für alle, die auf den Verkauf von THG-Quoten angewiesen seien und jetzt nur noch ein Viertel des ursprünglichen Preises bekämen.
Betroffen seien etwa auch Betriebe des Nahverkehrs, die das Geld aus der THG-Quote für den Kauf von E-Omnisbussen benötigten. Besitzer von E-Fahrzeugen verzeichneten durch den Preisverfall der THG-Quote teilweise Mindereinnahmen von 80 Prozent. Da Mittel für Investitionen in die Transformation des Straßenverkehrs fehlten, ergebe sich außerdem ein Schaden durch Mindereinnahmen von bis zu 1,3 Milliarden Euro Körperschaftsteuer. Als weiteren Schadensposten nennt das Aktionsbündnis Strafzahlungen von 2,2 Milliarden Euro, die eigentlich wegen unterbliebener CO₂-Einsparungen infolge des Betrugs zu zahlen wären.
Die Unternehmen und Verbände fordern unter anderem, für die unterbliebenen CO₂-Einsparungen müsse ein „Ausgleich“ geschaffen werden, indem die Mineralölindustrie die Lücke durch den Einsatz etwa von Elektromobilität fülle. Dazu heißt es aus dem Umweltministerium, Zertifikate könnten nur aberkannt werden, wenn der Kraftstoffanbieter wusste, dass die Nachweise gefälscht sind oder er grob fahrlässig gehandelt hat. Die Untersuchung des UBA und der Staatsanwaltschaft dauerte noch an.