Betrug durch die „Scheinväter-Mafia“
Jonathan A. hat einen deutschen Pass und lebt in Nigeria. Er hat die Vaterschaft für 24 Kinder von Frauen aus afrikanischen Ländern anerkannt. Den Kindern hat der in Dortmund gemeldete Mann damit die deutsche Staatsangehörigkeit verschafft, den Müttern sowie weiteren Angehörigen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Dafür soll der Scheinvater Geld bekommen haben. Kosten für „seine“ Kinder und die Mütter übernimmt er nicht. Die muss der deutsche Staat tragen. Wie der Westdeutsche Rundfunk berichtete, beziffert der Behördenverbund „Sicherheitskooperation Ruhr“ die jährlichen Sozialausgaben für das Scheinvatergeschäft von Johnathan A. auf mehr als 1,5 Millionen Euro im Jahr.
Nun will die Bundesregierung verstärkt gegen Scheinväter wie Jonathan A. vorgehen. Durch eine Gesetzesreform soll die missbräuchliche Anerkennung von Vaterschaften wirksamer verhindert werden. „Es gibt Fälle, in denen diese Betrugsmasche mehr als ein Dutzend Mal begangen wurde“, beklagt Justizminister Marco Buschmann (FDP). Im Hintergrund kassierten die Scheinväter „erhebliche Geldsummen“. „Mitunter kann man auch von quasi-mafiösen Strukturen sprechen“, so der Minister in einem Video, das sein Haus diese Woche ins Internet stellte. Da die falschen Väter keinen Unterhalt zahlten und die Mütter im Regelfall kein Einkommen hätten, entstünden dem Sozialstaat erhebliche Kosten. Das könne man nicht länger hinnehmen.
Dabei soll vor allem die Ausländerbehörde helfen
Gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat der FDP-Minister nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Geschäftsmodell der „Scheinväter-Mafia“ austrocknen soll. Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen seien „ein Einfallstor in die ansonsten illegale Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“, hob Buschmann hervor. Der Gesetzentwurf sei damit auch „ein Mosaikstein, um illegale Migration nach Deutschland effektiv zu bekämpfen“.
In Zahlen lässt sich das Problem missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung jedoch nicht leicht fassen. Von Anfang 2018 bis Ende 2021 hätten die Ausländerbehörden in Deutschland 1769 Verdachtsfälle bearbeitet, in 290 Fällen sei eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung festgestellt worden, teilte das Innenministerium mit. Die deutschen Botschaften und Konsulate im Ausland hätten im gleichen Zeitraum bei 1859 Verfahren zur Vaterschaftsanerkennung in neun Verfahren wegen Missbrauchs geprüft – nur in einem Fall habe sich der Verdacht bewahrheitet. Es sei aber davon auszugehen, dass das Problem „deutlich größer ist“, hebt das Justizministerium hervor.
Mit dem Gesetzentwurf soll die präventive Kontrolle von Vaterschaftsanerkennungen neu strukturiert und ausgeweitet werden. Dabei soll vor allem die Ausländerbehörde helfen. Sofern abstrakt die Möglichkeit des Missbrauchs besteht, darf die Vaterschaft nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde in das Geburtenregister eingetragen werden. „Ohne die Zustimmung der Ausländerbehörde entsteht die rechtliche Vaterschaft nicht“, heißt es in dem Referentenentwurf. Gesetzlich vermutet wird ein Missbrauch unter anderem, wenn die Mutter und der Anerkennende sich nicht verständigen können, wenn schon mehrfach Kinder verschiedener Mütter anerkannt wurden, Geldzahlungen für die Anerkennung im Spiel sind oder die Mitwirkung am Prüfverfahren verweigert wird.
Der eigentliche Zweck der Vaterschaftsanerkennung besteht darin, einem Kind die stabile Zuordnung zu einem Vater zu sichern. Auch eine bewusst wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung wird zunächst rechtswirksam. Die falsche Anerkennung eines Kindes ist auch nicht strafbar. Wenn ein Mann mit deutschem Pass die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen Frau anerkennt, obwohl er weder zur Mutter noch zum Kind eine genetische oder sozial-familiäre Beziehung hat und diese auch gar nicht aufbauen will, erwirbt das Kind trotzdem durch den Vater die deutsche Staatsangehörigkeit und die Mutter ein Aufenthaltsrecht.
Um derartigem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben, hatte die große Koalition unter Kanzlerin Merkel 2008 ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die nachträgliche behördliche Anfechtung missbräuchlicher Vaterschaften ermöglichte. Die Regelung wurde allerdings 2013 vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Das Karlsruher Gericht sah darin einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit.
Daraufhin wurde im Jahr 2017 eine präventive Kontrolle eingeführt: Wenn konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft bestehen, muss die beurkundende Stelle, etwa der Notar oder das Jugendamt, das Verfahren aussetzen. Doch das bisherige Verfahren hat nach Angaben des Justizministeriums nicht gut funktioniert. Häufig sei die Beurkundung nicht ausgesetzt worden, obwohl ein Verdacht auf Scheinvaterschaft bestanden habe.