Betriebliche Altersversorgung: Warum die Betriebsrenten zu Händen Zorn sorgen

Die betriebliche Altersversorgung ist eine der beliebtesten Formen des zusätzlichen Sparens, um den Lebensstandard zu sichern. Ihre Beliebtheit hat über die vergangenen Jahre sogar deutlich zugenommen. In einer Befragung der Unternehmensberatung Deloitte gaben im Mai 40 Prozent von 2000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland an, sie hätten diese zusätzliche Sparform ergänzend zur gesetzlichen Rente gewählt. Das war ein fast doppelt so hoher Anteil wie vor sechs Jahren. Damit lagen Betriebspensionen vor Sparbüchern, Immobilien, Riester-Sparplänen, Fonds, privaten Bank- oder Versicherungsprodukten oder Aktien an erster Stelle.

Die Zusage ihres Arbeitgebers, im Ruhestand die Rente aufzustocken, ist vielen Beschäftigten einiges wert. Die Hälfte der Befragten gab an, bei einem Stellenwechsel auf eine vom Arbeitgeber finanzierte betriebliche Altersversorgung zu achten und diese sehr wichtig zu finden. Weitere 36 Prozentpunkte entfielen auf die Antwort, man werde darauf achten, aber es sei nicht so wichtig. In jedem Fall zeigen diese Zahlen, dass Betriebspensionen für viele ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge sind.

Doch das Vertrauen, das Beschäftigte ihren Arbeitgebern entgegenbringen, wird zum Teil strapaziert. Besonders zeigt sich dies, wenn beide Seiten eine Direktzusage des Arbeitgebers vereinbart haben. Diese hat für die Inflationsanpassung nur sehr vage Regeln, die auslegungsbedürftig und regelmäßig Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sind. Besonders für ältere Ruheständler kann es sehr kräftezehrend sein, wenn sie sich mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber vor einem Arbeitsgericht treffen müssen.

Die wirtschaftliche Lage lässt sich leicht schlechtrechnen

„90 Prozent der Verfahren gehen für Arbeitnehmer verloren. Es fehlt an einem Hinweis vom Gesetzgeber, wie vorzugehen ist“, sagt Horst Metz, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands der Betriebsrentner. Die Ungenauigkeit der Regeln produziere Staatsverdrossenheit, kritisiert er. Weltmarktführer könnten ihre wirtschaftliche Lage leicht schlecht rechnen, um ihren Ruheständlern weniger Pension auszahlen zu müssen. Sobald es einem Unternehmen gelinge, sich gegenüber Richtern als gewissenhafter Kaufmann darzustellen, könne es seine Anpassungen niedriger gestalten, als es die tatsächliche Lage zulasse.

Das Anliegen von Metz, der auch als Rechtsanwalt häufig an Verfahren auf beiden Seiten beteiligt ist, sei gut nachvollziehbar, sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (aba). Die Direktzusage ist die traditionelle Form der Betriebspension. Arbeitnehmer werden anders als bei Pensionskassen oder Direktversicherungen nicht am Kapitalanlagerisiko beteiligt.

Die Unternehmen können den Gegenwert künftiger Zusagen als Investitionsmittel für den Betrieb einsetzen oder über Sondervermögen absichern. „Die Finanzverwaltung war der Auffassung, dass die Inflation in mehreren Jahrzehnten unbestimmbar ist und dass deshalb auch keine Rückstellungen dafür begründbar sind“, sagt Stiefermann. Die Inflation musste also aus laufenden Erträgen finanziert werden.

Ein Abwägen zwischen Beschäftigten und Ruheständlern

Gleichzeitig sollten Unternehmen nicht über ihren Geschäftsbericht hinaus dazu gezwungen werden, dass sie über die Aussichten für ihren Fortbestand Auskunft geben. Alle drei Jahre muss der Arbeitgeber prüfen, ob er die Zahlungen an die Inflation anpasst. „Diese Entscheidung muss gegen den Fortbestand des Unternehmens gewichtet werden. Da spielt die wirtschaftliche Lage des Unternehmens eine Rolle – und die ist streitanfällig“, sagt Stiefermann. Entnimmt ein Unternehmen zu viele Mittel aus den aktuellen Erträgen, kann es Gefahr laufen, eine Entscheidung gegen die aktuell Beschäftigten zu treffen. Fällt sie zu gering aus, fühlen sich die ehemaligen Mitarbeiter zu wenig berücksichtigt.

Vor Gericht führe es regelmäßig zu Verwirrung, wenn Unternehmen ihre wirtschaftliche Lage darlegen müssten, sagt Verbandsgeschäftsführer Metz. Der Blick aufs vorhandene Eigenkapital reiche nicht aus. Einige Unternehmen gingen dazu über, eine Eigenkapitalverzinsung von 4,5 Prozent als maßgeblich darzustellen. „Aber wo steht das im Gesetz?“, fragt Metz rhetorisch. Zudem sei der Verweis aufs Eigenkapital und seine Verzinsung bei Tochtergesellschaften irreführend.

„Sie braucht an einem einzelnen Standort kein Eigenkapital und kann sich formal per Rechnung zur Resterampe machen“, kritisiert er. Für sinnvoller hielte er es, wenn das Bundesarbeitsgericht über mehrere Jahre den Jahresüberschuss eines Unternehmens prüfte und als Grundlage für eine Anpassung wählte. „Unternehmer sind kreativ. Deshalb muss man ihm klare Vorgaben machen, sonst sucht er immer nach Auswegen“, sagt Metz.

Das Ministerium möchte keine zu klaren Vorgaben machen

Im Bundesarbeitsministerium von Bärbel Bas (SPD) sind die Folgen dieser gesetzlichen Vagheit bekannt. Betriebsrenten seien aber kein einheitliches System. „Von daher spiegeln sie die sehr vielschichtige Arbeitsrealität wider“, heißt es aus dem Ministerium. Die Kritik, die Norm enthalte zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe, was zu Rechtsunsicherheit führe, ist genauso bekannt wie der Vorbehalt, Arbeitsgerichten fehle es an Kompetenzen, die Norm auszulegen. Am Bundesarbeitsgericht in Erfurt beschäftige sich damit ein eigener Senat.

Die Norm müsse wegen der Vielschichtigkeit der Realität so unbestimmt sein. „Nur mit einer solch abstrakten Regelung lässt sich die jeweilige Situation von Betriebsrentnern und Arbeitgebern angemessen beurteilen und die ganze Breite der möglichen Fallkonstellationen in der Praxis abdecken“, teilt das Arbeitsministerium mit. Ein Unternehmen, das in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sei, dürfe nicht dazu gezwungen werden, die Pensionen anzupassen – insbesondere wenn Beschäftigte mit Lohnverzicht konfrontiert seien. Es geht also um eine Antwort im klassischen Verteilungskonflikt zwischen mehreren Generationen, wie sie für Renten typisch sind.

So bleibt es aber weiterhin nicht aus, dass über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens gerätselt werden muss. „Dass sich ein Eigentümer vor drei Jahren eine neue S-Klasse gekauft hat, ist kein Indiz dafür, dass es dem Unternehmen gut geht“, sagt aba-Geschäftsführer Stiefermann. Auch könne die Entwicklung der vergangenen Jahre nicht einfach fortgeschrieben werden.

Anwalt Horst Metz gibt allerdings zu bedenken, dass Unternehmen auch nicht vorliegende öffentliche oder private Aufträge ignorieren könnten, die Erträge der kommenden Jahre begründen werden. „Die wirtschaftliche Lage ist ein schwieriger Rechtsbegriff, nicht alle Arbeitgeber legen ihn richtig aus“, sagt Stiefermann. „So unterlassen Unternehmen Anpassungen zu unrecht, wenn sie zu schlecht gerechnet werden.“ Und auch der umgekehrte Fall ist möglich: Gesetzliche Anpassungsregelungen könnten Arbeitgeber davon abhalten, weiter Direktzusagen auszusprechen.

Source: faz.net