Bernd Montag: Ein Basketballer in jener Medizintechnik

Unter den 40 Unternehmen aus dem Deutschen Aktienindex Dax sind die Vorstandsvorsitzenden, die auf einen Chauffeur verzichten, die Ausnahme. Bernd Montag, Vorstandsvorsitzender des Medizintechnikunternehmens Siemens Healthineers , ist nicht nur deshalb eine Ausnahme. Am Unternehmenssitz in Erlangen gibt es flexible Arbeitsplätze, und Montag nimmt an den täglichen Platzrochaden selbstverständlich teil. Kein Wunder, dass ihn enge Mitarbeiter als „unprätentiös“ beschreiben.
Der 56 Jahre alte Vorstandschef pflegt den engen, direkten Kontakt zur Belegschaft. Dieser findet allerdings nicht „auf Augenhöhe“ statt. Das liegt nicht nur an seiner größeren Verantwortung für ein in der ganzen Welt tätiges Unternehmen mit 73.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von knapp 24 Milliarden Euro. Es liegt auch an der Körpergröße des früheren Basketball-Profis, der 2,05 Meter misst.
Im Konzern tief verwurzelt
Mit Siemens Healthineers ist er seit dem Jahr 2015 für einen Bereich tätig, der im Siemens-Konzern tiefe Wurzeln hat. Sie reichen bis ins Jahr 1847 mit der Gründung der Konzernkeimzelle Siemens & Halske zurück. Nun will der Siemens-Konzern seine Mehrheitsbeteiligung an Healthineers von derzeit 67 Prozent mittelfristig auf eine Finanzbeteiligung von weniger als 20 Prozent reduzieren. Wie schnell, darüber entscheiden die Behörden.
Denn die Direktabspaltung einer an der Börse notierten Gesellschaft – die Siemens-Aktionäre sollen 30 Prozent der Aktien der seit 2018 an der Börse gelisteten Healthineers erhalten – stellt Neuland dar mit komplexen steuerlichen Fragen. Siemens hofft, im zweiten Quartal des kommenden Jahres Klarheit darüber zu haben, wie der Spin-off ausgestaltet sein muss.
Doch Montag wirkt alles andere als davon verunsichert. Er nimmt die noch offenen Fragen stoisch zur Kenntnis und setzt seinen Weg unbeirrt fort. Er ist sich der Chancen und des Werts seines Unternehmens bewusst. Healthineers ist in der Bildgebung mit Tomographen Weltmarktführer. In der Krebsbehandlung zählt das Unternehmen mit der vor fünf Jahren übernommenen, 14 Milliarden Euro teuren US-Gesellschaft Varian zu den führenden Anbietern. Sein Ziel, wie er kürzlich im Gespräch mit der F.A.Z. sagte, ist klar und deutlich: bessere Medizin zu niedrigeren Kosten.
Dissertation in Vielteilchenphysik
Montag ist promovierter Physiker und hat an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen studiert. Seine Dissertation schrieb er in theoretischer Vielteilchenphysik. In der mittelfränkischen Stadt ist Siemens traditionell breit vertreten und verankert. Die Medizintechnik hatte schon immer enge Kontakte zu den naturwissenschaftlichen Fakultäten. In Franken fühlt er sich wohl. Ein Wohnsitz ist in Bamberg, der andere in Berlin. Dabei stammt Montag aus München, wuchs in Ottobrunn auf.
Nach Franken zog es den damaligen Basketball-Jugendnationalspieler, da er in Erlangen das Physikstudium aufnahm und für die TTL Bamberg ab der Saison 1988/89 in der Basketball-Bundesliga spielte. Nach seinem Studium begann er 1995 bei Siemens. Zunächst arbeite Montag in der Hörgerätesparte, um vier Jahre später in den Bereich bildgebende Systeme zu wechseln, heute eine Kernsparte von Healthineers. Dort war Montag als Produktmanager für die Vermarktung von Computertomographen (CT) und Magnetresonanztomographen (MRT) verantwortlich. Den großen Karrieresprung machte er im Jahr 2008, als er die Gesamtleitung der bildgebenden Diagnostik und bildgeführter Therapien übernahm. 2015 wurde die Medizintechniksparte zu einem eigenständigen Unternehmen mit dem Namen Siemens Healthineers. Montag ist seitdem Vorstandsvorsitzender.
Er hat stets die Unabhängigkeit gelobt, die der Eigentümer Siemens seinem Unternehmen in der Entwicklung eingeräumt hat. Nun freut er sich auf den größeren Streubesitz, mit dem er neue Investoren gewinnen will. An der Börse haben die Anfang des Jahres bekannt gewordenen Pläne von Siemens zur Anteilsreduzierung den Kurs belastet. Die Healthineers-Aktie hat seit Jahresanfang 16 Prozent an Wert verloren, der Dax hat in diesem Zeitraum um 19 Prozent zugelegt. Nach Ansicht von Montag ist Healthineers mit einer Marktkapitalisierung von derzeit 48 Milliarden Euro unterbewertet. Noch immer liegt sein Unternehmen im vorderen Drittel der wertvollsten Dax-Gesellschaften. BMW, Deutsche Post und Mercedes sind in Reichweite, sollte die Healthineers-Aktie zur Erholung ansetzen.
Augenmerk auf strategische Weiterentwicklung
Doch die Platzierung in der Dax-Rangliste der wertvollsten Unternehmen ist für Montag nicht entscheidend. Sein Augenmerk liegt auf der strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens, das nun einen „synergetischen Kern“ aufweist: Neben der Bildgebung zählt dazu die neu geschaffene Sparte Precision Therapy. Sie konzentriert sich auf die Bekämpfung von Krebs, Schlaganfällen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerativen Erkrankungen wie zum Beispiel Alzheimer. Diese Krankheiten sind für drei Viertel aller Todesfälle verantwortlich. Healthineers will er zu einem der führenden Anbieter in den Behandlungstherapien machen, zu denen zum Beispiel Operationsroboter gehören.
Daneben hat Siemens Healthineers mit der Diagnostik ein zweites Standbein, das in den vergangenen Jahren eine erfolgreiche Transformation durchlaufen hat. Die schwerpunktmäßig in der klinischen Labordiagnostik tätige Einheit will Montag weiterentwickeln. Mittelfristig wird er aber eine Entscheidung treffen müssen, ob die Diagnostik verkauft wird oder nicht. Er lässt sich zwar nicht von Analysten und Journalisten treiben, die ihn regelmäßig danach fragen, aber er wird die Frage nicht ewig aufschieben können. Dazu hat sich Montag im Gespräch mit der F.A.Z. zu eindeutig geäußert: „Wenn Sie ein Unternehmen haben, das aus zwei Teilen besteht, stellt sich immer die Frage, was für beide Teile und unsere Aktionäre das Beste ist.“
Montag geht beharrlich seinen Weg. Dabei verzichtet er auf laute Töne, sondern spricht auf Pressekonferenzen leise und mit Bedacht. Das kann schon mal in langen Erklärungen ausarten, die sind ihm aber lieber als kurze prägnante Sätze, die von den Zuhörern falsch interpretiert werden können. In einem Interview auf der Website der Friedrich-Alexander-Universität rät Montag als Alumni der Hochschule: „Wenn man nicht liebt, was man tut, ist das Leben zu kurz.“
Eine Lebensweisheit ist für ihn der englische Satz „action precedes motivation“. Die Motivation ergibt sich aus dem Tun und beruht auf Erfahrungen. „Man soll nicht warten, bis man motiviert ist und dann etwas macht. Sondern wenn man einfach etwas anfängt, reinschnuppert und versucht, dann folgt oft die Motivation im nächsten Schritt“, erklärt Montag den Satz auf der Website und begründet damit seine Leidenschaft für theoretische Physik. Damit lässt sich auch sein Führungsstil bei Healthineers beschreiben: Besser, man arbeitet sich in eine Aufgabe hinein, als dass man diese immer wieder aufschiebt. Dass kann Montag bis Februar 2031 vorexerzieren, so lange läuft sein Vertrag als Vorstandsvorsitzender.
Dem Sport ist Montag immer noch verbunden. Seine Leidenschaft gehört mittlerweile dem deutschen Fußballrekordmeister FC Bayern, auch wenn er die erfolgreiche Entwicklung der deutschen Basketball-Nationalmannschaft mit Interesse verfolgt haben dürfte. Dass er täglich Sport treibt, sieht man ihm sofort an: Joggen oder Cross-Trainer gehören in den Morgenstunden zu seiner täglichen Routine, bevor er den langen Arbeitstag antritt. Montag ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Seine Tochter Nadjeschda Ilmberger trat in seine sportlichen Fußstapfen und spielte in der Basketball-Bundesliga.