Beratungen zum ÖRR: Welche Rundfunkreform werden die Länder bestimmen?
Auf Instagram zeigt die „Tagesschau“, wozu öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch taugt: zu Reklame in eigener Sache, auf Kosten der Beitragszahler, mit den Mitteln dumpfer Propaganda. Da werden ein paar Infokacheln geschwärzt, mit der Frage versehen „Was ist hier los?“, und der Erklärung, dass, wenn die Reform des Medienstaatsvertrags so kommt, wie die Rundfunkkommission sich das vorstellt, es an dieser Stelle bald viel weniger Nachrichten zu sehen gäbe: „Wir könnten euch schlimmstenfalls nicht mehr in vollem Umfang mit Nachrichten und aktuellen Themen beliefern, die für euch wichtig sind.“ Viel Erklärung, worum es beim Streit um die „Presseähnlichkeit“ geht, finden wir hier nicht. Das ist die Aufforderung zum Shitstorm, ein Armutszeugnis für eine Redaktion und ein Sendesystem, dass höchste Seriosität für sich in Anspruch nimmt und sich als Demokratieretter und Fake-News-Killer geriert
Auf 3sat gibt es auch Kultursendungen
Währenddessen weiß die Kulturstaatsministerin Claudia Roth nicht wirklich, was sie sagen soll. Für den Kultursender 3sat, dessen Angebot in Arte „überführt“ werden soll, macht sie sich in Interviews in derart schwacher Weise stark, dass man es gar nicht zitieren will. Wobei die 3sat-Idee der Länder auf den real existierenden Zustand des Kanals verweist: Da gibt es zwar Kultursendungen, doch sind sie in der Minderzahl. Die Sender, die 3sat tragen, reißen sich nicht gerade ein Bein aus. ARD und ZDF melden sich nur zaghaft mit Kritik, der österreichische ORF ebenfalls, die Schweizer Partner wollen sowieso raus.
Und trotzdem lässt sich 3sat dem deutsch-französischen Kulturkanal Arte nicht einfach zuschlagen, weil – Arte ein kompliziertes Konstrukt ist, auf das sich Deutschland und Frankreich vor mehr als 30 Jahren mit einem völkerrechtlichen Vertrag geeinigt haben. Zu Zeiten des NDR-Intendanten und zeitweiligen Arte-Präsidenten Jobst Plog (um die Jahrtausendwende) wäre das sofort aufgefallen. Dass von den Sendern zu dem Thema wenig kommt, zeigt, wie wenig sie mit Kulturprogramm an sich am Hut haben.
Erstaunlich ruhig wird auch der Vorschlag aufgenommen, eine Reihe von Kanälen 2033 linear zu beenden. Bei den Infosendern erscheint das (bis auf Phoenix) sinnvoll, von denen gibt es schlicht zu viele; beim Kinderkanal Kika muss man das nicht unbedingt für richtig halten; Verbände, die sich für die Belange von Kindern einsetzen, warnen davor. Aber die Lobby ist nicht groß und nicht laut.
Entweder Beitrag oder nichts?
So sind wir gespannt, was die Ministerpräsidenten zur Rundfunkreform beschließen und ob sie es jetzt überhaupt tun. Dass die 16.000 Eingaben, die es zum Entwurf der Rundfunkreform gab, schon alle gewürdigt worden sind, können wir uns nicht vorstellen; auch nicht, was aus dem Ganzen werden soll, wenn die Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Markus Söder sagen, es gibt jetzt keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags, und der Hamburger Mediensenator Carsten Brosda entgegenhält: Gibt es keine Einigung über den Beitrag, was im Klartext heißt, er wird erhöht, dann gibt es gar nichts. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer glaubt, die große Rundfunkreform komme jetzt. „Das ist das große Ziel – da gab es auch in den letzten Tagen und Wochen schon Einvernehmen“, sagte er am Donnerstag.
Gar nichts gibt es auf jeden Fall zu einem Thema, dessen Fehlen die Medienwissenschaftler Martin Andree und Karl-Nikolaus Peifer in der F.A.S. bemängelt haben: Um die Digitalmonopolisten, deren Macht und Wirken die Demokratie gefährdet (vor allem das von Elon Musk) und die Medienvielfalt einschränkt, kümmert sich der Medienstaatsvertrag nicht, null, nada, niente. Was zeigt, wie provinziell die deutsche Medienpolitik dann doch ist.
Ausgerechnet Irland, das bislang als Laisser-faire-Paradies der Techgiganten galt, weshalb sie ihre europäischen Quartiere auch in Dublin aufschlugen, setzt hier gerade ein Zeichen. Vor ein paar Tagen hat die irische Medienaufsicht, die Coimisiún na Meán, ein Regelwerk aufgesetzt, an das sich die Plattformen halten müssen. Es verbietet nicht nur strafbare Inhalte und legt Wert auf den Schutz von Kindern, sondern nennt eine ganze Reihe von inhaltlichen Qualitätskriterien, denen Facebook und Instagram genauso genügen müssen wie Tiktok oder X, wollen sie nicht eine Strafe in Höhe von 20 Millionen Euro oder zehn Prozent ihres Jahresumsatzes riskieren. Damit setzt Irland das Digitalgesetz der EU um, für das bei uns die Bundesnetzagentur und die Landesmedienanstalten zuständig sind. Den Bundesländern stünde es indes gut an, dem eine grundlegende Ordnung für den Informationswettbewerb hinzuzufügen, in der es nicht nur um private und öffentlich-rechtliche Sender und die Presse geht. Was dazu wohl der „Tagesschau“ auf Instagram einfällt?
Source: faz.net