Benetton in dieser Krise: „Ich habe ihm vertraut und wurde verraten“

Das Modeunternehmen Benetton macht zum bevorstehenden Generationenwechsel mit einer überraschenden Enthüllung von sich reden. Luciano Benetton, der 89-jährige Mitgründer des Unternehmens und Verwaltungsratsvorsitzender, hat in einem Interview von einem „Loch“ in der Bilanz über rund 100 Millionen Euro im vergangenen Jahr gesprochen und den amtierenden Vorstandsvorsitzenden Massimo Renon des Missmanagements sowie des Betrugs bezichtigt. „Ich habe ihm vertraut und wurde verraten“, sagte Benetton der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“. Der angegriffene Manager, den Benetton 2020 ins Unternehmen holte, will nach eigenen Angaben bald mit Hilfe seines Anwalts auf die Kritik reagieren.

Luciano Benetton hatte 1965 mit seinen Brüdern die Marke gegründet, die später mit ihren Pullis in grellen Farben und umstrittenen Werbekampagnen zu einem ikonischen Unternehmen wurde. 2012 gab er die Führung an einen seiner Söhne ab, doch fast sechs Jahre später trat er wegen finanzieller Schwierigkeiten des Unternehmens wieder in den Verwaltungsrat ein.

Heute kann das Modegeschäft nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen und ist ein sehr kleiner Bereich der familiären Tätigkeiten geworden. Der Großteil der Einnahmen im Benetton-Reich kommt aus dem Betrieb von Flughäfen, Autobahnen und verschiedenen Mobilitätsdienstleistungen, die in der Bilanz von 2022 mit mehr als 6 Milliarden Euro bewertet werden – gegenüber gut 300 Millionen Euro für Benetton plus der kleinen Textilgesellschaft Olimpias.

Beliebter Patriarch

Doch ist mit dem Namen noch viel emotionaler Wert verbunden. Luciano Benetton, der in seiner Karriere als Senator auch Politiker sowie leidenschaftlicher Rennsportinvestor war, ist bei Arbeitnehmern und Gewerkschaften in der Heimatregion nahe Treviso in Venetien sehr beliebt, weil er sie oft geschützt hat. Jetzt gab es auch schon Rufe nach seinem Verbleib im Unternehmen.

Bei der Hauptversammlung am 18. Juni soll jedoch der Abschied von Luciano Benetton offiziell gemacht werden. Wie es in Unternehmenskreisen heißt, soll dann auch „ein Plan zur Reorganisation und Wiederbelebung der Benetton-Gruppe“ mit einem neuen Management vorgestellt werden. Dabei wird klargestellt, dass es sich bei dem „Loch“ in der Bilanz um ein Minus bei den flüssigen Mitteln (cash flow) von 100 Millionen Euro handele. Dies führte offenbar zu einem Verlust von 230 Millionen Euro bei einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Im Vorjahr lagen die Erlöse auf ähnlichem Niveau, doch der Verlust betrug nur 81 Millionen Euro.

Wie in der Vergangenheit soll die Familienholding der Benettons namens Edizione dem Unternehmen auch diesmal aus der Klemme helfen. Die Rede ist von einem Zuschuss von 260 Millionen Euro. Schon in den drei Jahren davor hat die Gruppe offenbar mit 350 Millionen ausgeholfen, wie es in der italienischen Presse heißt. Seit 2013 sollen sich die Verluste der Benetton-Gruppe auf mehr als eine Milliarde Euro angehäuft haben. Beschäftigt sind insgesamt 6000 Mitarbeiter, die nun negative Konsequenzen befürchten. Gewerkschafter sagten, dass ein Verfehlen der Konzernziele zu erwarten war, doch nicht in dieser Größenordnung.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass Luciano Benetton seinen Manager Versagen vorwirft. Nach dem schlimmen Brückeneinsturz von Genua im August 2018 schrieb er in einem Brief über das Benetton-Unternehmensreich, dessen Autobahntochtergesellschaft wichtige Instandhaltungsarbeiten unterlassen hatte: „Eine Struktur besteht aus Menschen, und ein paar faule Äpfel können sich überall verstecken“, was eine erhebliche Polemik auslöste. Die Familienholding Edizione, der hundertprozentigen Muttergesellschaft von Benetton, ist in den Führungsgremien mit mehreren Benettons besetzt. Präsident ist Alessandro Benetton, der Sohn von Luciano, der einst auch Benetton selbst führte.