Beabadoobee: Diese Frau bringt Schwung in Gitarrenmusik

Beatrice Kristi Ilejay Laus alias Beabadoobee sitzt an einem Tisch im Schatten der Stadtautobahn Westway und schreibt Autogramme. Ein Gewerbehof mit Schreinern und Landschaftsarchitekten. Auf dem Viadukt nebenan rumpeln Züge der Hammersmith Line vorbei. Einige Querstraßen weiter liegt die Haltestelle Ladbroke Grove, die ins Reich der Retro-Träume führt. Dort steigen urlaubende Familien mit Vätern in The-Who-T-Shirts aus, um am nahen Portobello Market ein kleines Rock-’n’-Roll-Erinnerungsabenteuer zu erleben. Eine Londoner Mischung wie früher – mit Bierpreisen von heute.

Die Sängerin und Gitarristin, deren Schlafzimmer-Produktion „Coffee“ in der Duett-Version des kanadischen Rappers Powfu beachtliche 1,6 Milliarden Streams erreichte, ist gerade dabei, ihr drittes Album „This Is How Tomorrow Moves“ auf den Weg zu bringen. Noch hat die Vierundzwanzigjährige kistenweise Vinyl-Klappcover mit ihrem Konterfei vor sich. Treue Fans bekommen auch einen längeren Gruß. „Manche von ihnen sind von Anfang an dabei. Ich bin auf Tour und im Studio erwachsen geworden“, sagt sie. Harte Arbeit, seit sie 17 ist.

Weltweiter Erfolg: Beababeedoo bei einem Auftritt in New York
Weltweiter Erfolg: Beababeedoo bei einem Auftritt in New YorkTheo Wargo / Getty Images

Auch ihr Indielabel Dirty Hit, das auf dem Gelände in einem containerartigen Gebäude residiert, funktioniert nach klassischem Muster. Eine unabhängige Plattenfirma, bei der Laus in guter Gesellschaft ist mit den Manchester-Rockern von The 1975 oder dem wilden Quartett Wolf Alice. Das Geschäftsteam arbeitet weltweit an der Vermarktung und überlässt den Musikern die künstlerische Lufthoheit. Passend zur Portobello-Umgegend verdient man hier mit dem traditionellen Musikgeschäft gutes Geld. Old School, aber auf Zukunft getrimmt.

Der Karriereweg von Laus liest sich wie ein globalisiertes Einwandererschicksal. Sie stammt aus Iloilo City auf den Philippinen und kam im Alter von drei Jahren mit ihren Eltern nach England. Diese heuerten beim staatlichen Gesundheitsdienst NHS an, weil sie sich ein besseres Leben für sich und die Kinder erhofften. Nach der Grundschule, in der es nicht viele gab, die so aussahen wie sie, besuchte Laus die Sacred Heart High School in Hammersmith. Rote Backsteinmauern und ein bisschen katholisches Ethos. „Bei uns gab es keine strengen Nonnen. Stattdessen viele Mütter aus dem Westen Londons“, sagt sie mit einem Seitenhieb gegen die Upper Middle Class. Sie schwänzte den Unterricht, ließ Prüfungen sausen und wehrte sich gegen den latenten Rassismus, bis man sie wegen schlechter Noten und „unangepassten Verhaltens“ vor die Tür setzte.

Das schräge Gitarrenmädchen aus dem Internet

Ihr Vater kaufte ihr eine gebrauchte Gitarre, in der Hoffnung, ihre Laune ein wenig aufzuhellen. Sie brachte sich die Griffe mithilfe von Tutorial-Clips auf Youtube selbst bei. So ist 2017 letztlich die feine Ballade „Coffee“ entstanden, die dann in der Sample-Version massiv viral ging. Seitdem war Beababeedoo ein schräges Gitarrenmädchen aus dem Internet, das für eigenwillige Wechselbäder aus verzerrten Teenage-Rocksongs und niedlichen Balladen stand.

Noch im blaugrünhaarigen Jugendzimmer-Look schrieb sie etwa die krachige Einfachkomposition „I wish I was Stephen Malkmus“. Eine Hommage an den Sänger der 1990er-Alternative-Band Pavement. Weniger naive Bewunderung als Abgrenzung und Selbstbestimmung über die Indie-Helden von gestern, die aber morgen schon wieder passé sein können. „Cause I get tired of the same shit. Got new hair, a new phase. I’m from outer space”, heißt es im Text.

Eine Geschichte aus dem
Frankfurter Allgemeine Quarterly,
dem Zukunftsmagazin der F.A.Z.

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Laus kann sich durchaus für Techno oder Hip-Hop begeistern, doch das bleibe dann privates Vergnügen, sagt sie. „Das ist die Musik, zu der ich ausgehe. Wir sind zu Dutzenden von Raves gegangen. Doch mit der Gitarre bin ich ehrlich und auch verletzlich, das ist mein Ding. Auf meiner Schule hieß unsere Gang die „drug group“, wir haben The Smiths und The Cure gehört. Diese Nostalgie war wohl Teil unserer Persönlichkeit.“

So ist Beabadoobee zu einer jugendlichen Ikone in der Gitarrenmusik geworden. Nicht ganz alltäglich für eine junge Frau asiatischer Herkunft. „Es ist lästig, darüber zu reden, dass man eine ‚weibliche Musikerin‘ ist, wenn man einfach nur eine verdammte Musikerin ist. Doch man muss mehr Mädchen inspirieren, wenn wir an einen Punkt kommen wollen, wo das alles selbstverständlich ist. Ich würde gerne denken, dass ich Mädchen, die wie ich aussehen, dazu inspiriere, zur Gitarre zu greifen.“

Laus verleiht „1990er-Alt-Rock einen cineastischen Glanz“

Viele Communitys des ehemaligen British Empire haben in London ihre Viertel und Clubs. Die philippinische Gemeinde kann auf keine Tradition zurückblicken. Es gibt bestenfalls Karaoke-Treffpunkte. „Und da muss man einiges gewohnt sein. Das ist sehr spezieller Kitsch“, sagt Laus. Das Video zu ihrem Liebeslied „Glue Song“ hat sie in der Heimat ihrer Familie gefilmt. „Meine Referenz dorthin sind legendäre Rockbands wie die Erazerheads oder die Rockabilly-Truppe Ichi-Bons. Ganz besonders ist die Apo Hiking Society, eine Vocalband, die an Simon & Garfunkel erinnert. Ich mag ihr Songwriting und wie sie über Liebe schreiben. Sie sind sehr poetisch, manchmal auch nur Trash. Ich verehre sie nicht, doch ich habe diese Musik so oft gehört, dass sie sich sicherlich in meiner DNA eingebrannt hat.“

Das britische Musikmagazin „Fader“ befindet, dass Beabadoobee „1990er-Alt-Rock einen cineastischen Glanz“ verleihe, für Style-Adressen wie „Esquire“ oder „Vogue“ ist sie gar eine Ikone der 2020er. Immerhin war sie bereits mit 19 Jahren nominiert für einen 2019er-BRIT-Award in der Kategorie „Rising Star“. Über 18 Millionen Menschen hören monatlich ihre Musik allein auf Spotify. Die Songs „The Perfect Pair“ oder „Glue Song“ werden neunstellig gestreamt. Sie erzählt, dass sie bei manchen ihrer Konzerte über zwei Drittel weibliche Fans hat. Ihr 2022 veröffentlichtes Album „Beatopia“ erreichte Platz vier der britischen Charts und übertrumpfte damit deutlich ihr Debütalbum „Fake It Flowers“ von 2020. Ein kontinuierliches „nach oben“.

Die Beatles als Vorbild

Für die Produktion des neuen Albums „This Is How Tomorrow Moves“ verbündete sie sich mit dem rauschebärtigen Superproduzenten Rick Rubin und zog für sechs Wochen nach Kalifornien, ins Shangri-La-Studio in Malibu. „Ich wollte mal was Neues ausprobieren und bin mittlerweile selbstbewusst genug. Letztlich war es Rick, der signalisiert hatte, dass er sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnte. Es wäre eine verschwendete Gelegenheit gewesen, so etwas auszuschlagen. Wir haben erst mal lange diskutiert über Musik. Inwieweit wir meine Demoaufnahmen lassen sollen und ob wir den Gesang im Vordergrund lassen sollen. Er hat sich komplett auf meine Art eingelassen. In diesem ganzen Prozess gab es viele Musikbeispiele. Natürlich die Beatles, aber auch Fiona Apple und Elliott Smith oder US-Gitarristin Aimee Mann. Alles Quellen der Inspiration.“

Das Innencover des fertigen Albums zeigt sie in einer Montage aus der Ära der großen Songwriterinnen. Ihre Texte erkunden eine weitere Ära ihres bewegten Lebens. Wo steht sie mit 24? In der Single „Take A Bite“, ein knurrender 1990er-Jahre-Rocker, räsoniert sie über die chaotischen Anfänge. Und auch über die eigene Verantwortung für ungesundes Verhalten in Beziehungen. Auch die Sonne Kaliforniens scheint durch lockere Rock-Riffs. Das glitzernde Klavier und die hüpfenden Rhythmen von „Real Man“ erinnern an entspannte Folksongs, während sie sich bei „A Cruel Affair“ im Bossa nova versucht und bei „Everything I Want“ ein beswingter Country-Twang zu hören ist. Aus dem Teenager mit bunten Haaren ist eine erwachsene Frau geworden. 

Source: faz.net