Bayer will von Bayer lernen

Der Vorstandsvorsitzende des angeschlagenen Pharma- und Agrarchemiekonzerns Bayer will sich ein Vorbild an dem gleichnamigen Fußballverein nehmen. „Wir sind stolz auf unsere Kollegen von Bayer 04“, sagte Bill Anderson, der den Dax-Konzern seit Mitte letzten Jahres führt. Kürzlich habe sich der Vorstand mit Trainer Xabi Alonso und Sportdirektor Simon Rolfes zum Mittagessen getroffen. Es sei ein „wirklich interessantes Gespräch“ gewesen, berichtete Anderson. „Sie hatten Fragen an uns, und wir hatten Fragen an sie. Ich denke, wir können immer von großer Führungsqualität lernen.“

Während der Fußballverein nicht nur erstmals Deutscher Meister geworden, sondern auch seit 50 Spielen ungeschlagen ist und die Chance auf zwei weitere Pokale hat, steckt Bayer in der Krise. Seit seinem Amtsantritt im Juni krempelt der Amerikaner Anderson den Dax-Konzern gehörig um und hat unter anderem ein neues Organisationsmodell namens „Dynamic Shared Ownership“ eingeführt. Damit soll das Unternehmen von Bürokratie befreit und schneller werden. Allein im ersten Quartal habe Bayer 1500 Stellen gestrichen.Wie viele Arbeitsplätze abgebaut werden und was das für den Heimatmarkt bedeutet, konkretisierte Anderson hingegen nicht. Aus dem Programm erwartet Bayer in diesem Jahr Einsparungen von 500 Millionen Euro und 2 Milliarden für das Jahr 2026.

Bürokratie, Rechtsrisiken und Verschuldung

Forderungen von Investoren, das angeschlagene Unternehmen mit seinen drei Sparten Pharma, Agrar und rezeptfreien Produkten aufzuspalten, stellt sich der Bayer-Chef entgegen. Stattdessen konzentriere sich der Vorstand darauf, die Pharma-Pipeline zu stärken, die rechtlichen Risiken insbesondere im milliardenschweren Streit um das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup zu begrenzen und die hohe Verschuldung zu reduzieren. Sie lag zuletzt bei 37,5 Milliarden Euro.

Gerade rund um Glyphosat ist noch offen, wie das gelingen soll. Zwar hat Bayer 14 von 20 Fällen vor Gericht gewonnen, doch auch schon mehr als 10 Milliarden Dollar für Vergleiche bezahlt. Gleichzeitig stehen für 57.000 Ansprüche von Klägern Einigungen aus, zuletzt stieg die Zahl der angemeldeten Glyphosat-Klagen leicht um 3000 auf insgesamt etwa 170.000 an. Anderson sagte, dass Bayer alle Optionen prüfe, um sich dagegen zu wehren. „Die unbegründeten Attacken auf unser Unternehmen von Seiten der Klage-Industrie müssen aufhören“, sagte er. Mit der milliardenschweren Übernahme des amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto im Jahr 2018 hatte sich Bayer große Rechtsrisiken eingekauft. Der Aktienkurs ist seitdem um 70 Prozent gefallen, das Unternehmen nur mehr die Hälfte wert von dem, was es für Monsanto bezahlte.

Pharmageschäft zeigt sich robust

Am Dienstag lag der Kurs von Bayer gleichwohl leicht im Plus. Das lag vor allem daran, dass sich Bayer im ersten Quartal in einem schwierigen Marktumfeld besser schlug, als Analysten erwartet hatten. So sank das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) zwar um 1,3 Prozent auf gut 4,4 Milliarden Euro, die Analysten hatten aber mit größeren Rückgängen gerechnet. Vor allem die Agrarsparte litt unter niedrigeren Preisen für Glyphosat und unter einer geringen Nachfrage nach Herbiziden und Fungiziden.

Robust zeigte sich das Pharmageschäft, während die Umsätze mit den Kassenschlagern Xarelto und Eylea stabil blieben, stiegen die Erlöse mit neuen Medikamenten wie dem Krebsmittel Nubeqa oder dem Nierenmedikament Kerendia. Die sollen zukünftig Einbußen abfedern die aus Patentabläufen des Gerinnungshemmers Xarelto und der Augenspritze Eylea entstehen. Auf Konzernebene schlugen Währungseffekte durch, sie belasteten die Bilanz mit mehr als einer halben Milliarde Euro. Weil diese Belastungen zunahmen, erwartet Bayer für 2024 ein bereinigtes Ebitda zwischen 10,2 und 10,8 Milliarden Euro (vorher 10,4 bis 11 Milliarden).