Batterie-Recycling soll Mercedes unabhängiger zeugen
Das, was Mercedes-Produktionsvorstand Jörg Burzer „Mine für die Batterien von morgen“ nennt, hat nichts mit einem Bergwerk zu tun. Ein grünes Förderband steht am Anfang und schickt die Module auf die Reise, an deren Ende Säcke mit Kobalt und Nickel sowie Fässer mit Lithium-, Mangan- und Kupferlösungen stehen sollen. Die Mine ist die neue Batterie-Recyclingfabrik, in der der Autohersteller künftig die Module alter Batterien verwertet, um so wertvolle Materialien für neue Batterien in elektrischen Fahrzeugen zu gewinnen.
„Mit der Recyclingfabrik kommen wir einer echten Kreislaufwirtschaft sehr nahe und steigern die Rohstoffunabhängigkeit“, sagte Mercedes -Chef Ola Källenius bei der Eröffnung am Montag im badischen Kuppenheim bei Karlsruhe. Einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag hat der Autohersteller in die Fabrik gesteckt, die Bundesregierung steuert zwischen 15 und 17 Millionen Euro bei. Nach Angaben des baden-württembergischen Unternehmens ist es die erste Recycling-Fabrik, die eine mechanische und eine sogenannte metallurgische Aufbereitung verbindet. „Wir extrahieren die Elemente nicht im Hochofen, sondern in einem chemischen Prozess – und zwar sortenrein“, sagte Källenius.
Wertvolle Metalle in schwarzer Masse
Üblicherweise besteht eine Autobatterie aus acht bis zehn Zellmodulen, die am Anfang des Aufbereitungsprozesses zerschreddert werden. Nachdem die Anlage einen Teil der schwarzen Masse, in der ein Großteil der wichtigen Rohstoffe steckt, ausgewaschen hat, filtern Siebe, Luftdüsen und Magnete Kunststoffe, Aluminium, Eisen und Kupfer heraus und füllen die Rohstoffe als Granulat in Säcke ab. Übrig bleibt wiederum schwarze Masse, die gemeinsam mit der ausgewaschenen schwarzen Masse danach in die chemische Aufbereitung gegeben wird. Dort werden unter Zugabe von Schwefelsäure, Ammoniak und Wasserstoffperoxid zuerst Aluminium und Eisen und danach Kupfer, Mangan, Kobalt, Nickel und Lithium ausgefällt. Die Rückgewinnungsquote beträgt nach Angaben von Mercedes mehr als 96 Prozent.
Ausgelegt ist die Fabrik für die Aufbereitung von rund 50.000 Modulen im Jahr – das wären Batterien für 5000 bis 6250 Elektroautos. Nach Angaben von Produktionsvorstand Burzer kann Mercedes die Kapazität in den nächsten Jahren „noch etwas hochfahren, nicht mit dem Faktor 100, aber das Ende der Fahnenstange ist mit den 50.000 Modulen noch nicht erreicht“. In der Fabrik arbeiten künftig rund 100 Mitarbeiter, die alle aus der Entwicklung von Verbrennungsmotoren und Getrieben kommen.
Mercedes will mit der Fabrik einen weiteren Schritt hin zu einer effektiven Kreislaufwirtschaft machen, um Wachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Klar ist aber auch, dass hinter dem Projekt handfeste wirtschaftliche und strategische Motive stehen. „Wir gehen davon aus, dass das Gewinnen von Rohstoffen durch Recycling langfristig wirtschaftlicher ist als das Beziehen dieser Rohstoffe auf dem Markt“, erklärt Burzer. „Außerdem machen wir uns so in gewisser Weise strategisch unabhängig.“ Dass Mercedes die benötigten Rohstoffe irgendwann allein durch die Wiederaufbereitung gewinnt, hält der Produktionsvorstand dagegen für unrealistisch – eine Unabhängigkeit zu zwei Drittel sei dagegen „ein interessanter Wert“.
Der Autohersteller, der keine eigene Zellproduktion unterhält, hat den Standort Kuppenheim auch wegen der geografischen Nähe zu Kaiserslautern gewählt: Dort plant der Batteriehersteller ACC , hinter dem neben Mercedes der Autohersteller Stellantis und der Ölkonzern Totalenergies stehen, eine Batteriezellfabrik. Wegen fehlender Nachfrage hat der ACC den Bau jedoch vor einigen Monaten vorläufig gestoppt und will erst Anfang 2025 bekannt geben, wie es weitergeht. „Wir denken auch an ACC als Kunden für die in Kuppenheim gewonnenen Rohstoffe“, sagt Burzer. „Und dann schauen wir, wer sonst noch was braucht.“