Bankkredite pro die ’Ndrangheta
Meistens besorgt sich die Mafia ihr Geld über Drogenhandel, Erpressung oder Prostitution. Sie schleust es in Sektoren wie Bau, Gastronomie, Abfall oder Kryptowährungen. Nicht selten fungiert sie auch als Bank und verlangt Wucherzinsen. Eine seltenere Finanzierungsvariante ist nun dagegen in Italien aufgedeckt worden: Die Mafia geht einfach zur Bank und lässt sich dort Kredite geben, die obendrein noch eine staatliche Garantie genießen.
Mailänder Staatsanwälte haben in dieser Woche daher die Bank Progetto mit Sitz in Rom und Mailand unter eine Form der staatlichen Zwangsverwaltung gestellt. Es besteht der Verdacht, dass die sie über mehrere Jahre Unternehmen aus dem Umkreis der Mafia-Organisation ’Ndrangheta Kredite von insgesamt mehr als zehn Millionen Euro gewährt habe.
Erstmals trifft es eine Bank
Es gilt als Novum in Italien, dass eine Bank in diesem Zusammenhang unter richterliche Aufsicht gerät. An mindestens zwölf Unternehmen sollen die Darlehen geflossen sein, heißt es. Die Bank sei „ein Instrument der Clans“ gewesen und hätte gegen Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung verstoßen. Selbst als die Verhaftung eines Mafiabosses in den Medien verkündet worden war, sei die Finanzierung weitergelaufen, berichten die Staatsanwälte. Die Darlehen gingen an Unternehmen, „die vollständig in eine kriminelle Dynamik eingebunden waren“, vor allem in der Provinz Varese nördlich von Mailand.
Die staatlichen Bürgschaften waren für kleine unter mittlere Unternehmen im Zuge der Covid-Pandemie und des Ukrainekrieges vorgesehen. Sie werden von der staatlichen Bank Mediocredito Centrale verwaltet, die sich bisher nicht geäußert hat. Im Mittelpunkt der Affäre steht der Mafiaboss Maurizio Ponzoni, der die Bank Progetto seit seiner Verhaftung im März 2023 in Vernehmungen belastet hat. Ponzoni gilt zusammen mit dem ebenfalls inhaftierten Vincenzo Rispoli als eine treibende Kraft, welche die aus Kalabrien stammende ’Ndrangheta in der Lombardei verankert hat.
Ponzoni trat nicht offen auf, sondern arbeitete mit einem Netz von Firmen und Strohmännern sowie nach eigenen Angaben mit vielen gefälschten Rechnungen. Die Staatsanwälte sind jedoch der Meinung, dass die Bank die Verbindungen hätte entdecken können. Im April dieses Jahres gab die Polizei bekannt, dass sie in der Provinz Varese rund 100 Immobilien im Wert von knapp zehn Millionen beschlagnahmt habe, die sich Ponzoni durch jahrzehntelange Betrügereien beschafft habe.
Bank: Wir waren sorgfältig
Die Bank Progetto betont, ihre Sorgfaltspflicht gewahrt zu haben. „Wir sind weder eine Polizeibehörde noch das Finanzministerium“, sagt der Vorstandsvorsitzende Paolo Fiorentino in einer Pressekonferenz. Die verdächtigen Personen oder Unternehmen seien nicht Kunden der Bank. Bei zehn von 40.000 ausstehenden Krediten habe die Justiz Kontrollmängel der Bank festgestellt.
Der Vorstandsvorsitzende betont, dass seine Bank weiterarbeiten könne, zumal sie nicht unter eine scharfe Zwangsverwaltung gestellt worden sei. Es habe keinen Abzug von Kundeneinlagen gegeben. Der Skandal kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Die Bank Progetto gehört derzeit noch der amerikanischen Fondsgesellschaft Oak Tree Capital Management. Im September gab sie den Verkauf an die Fondsgesellschaft Centerbridge Partners bekannt, doch die Transaktion ist wegen fehlender Genehmigungen noch nicht abgeschlossen. Die Bank Progetto hat ausstehende Darlehen von mehr als acht Milliarden Euro und steigerte den Nettogewinn 2023 um fast 40 Prozent auf knapp 72 Millionen Euro.