Baden-Württemberg: Polizeiinspekteur wegen Vorwurfs sexueller Nötigung in Stuttgart vor Gericht

Im Prozess gegen den mittlerweile suspendierten Inspekteur der baden-württembergischen Polizei, Andreas Renner, hat die Verteidigung die Vorwürfe sexueller Nötigung zurückgewiesen und seinerseits Anschuldigungen gegen die Anzeigenerstatterin erhoben. Die 34-jährige Kriminalhauptkommissarin, die den höchstrangigen Polizisten des Landes der Nötigung beschuldigt, habe in einem Lokal in der Öffentlichkeit mit ihm sexuelle Handlungen ausgeübt, Küsse ausgetauscht und viele Intimitäten, sagte die Anwältin des Polizisten am Freitag zum Prozessauftakt. Sie bezichtigte die Anzeigenerstatterin der Lüge. Die Kommissarin, die sich zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt im Auswahlverfahren für den höheren Polizeivollzugsdienst befand, ist Nebenklägerin in dem Prozess. Der Fall schlug riesige Wellen in Polizei und Politik.

Duldung und Vornahme sexueller Handlungen

Renner soll die Polizistin in der Nacht vom 12. auf den 13. November 2021 bei einem Kneipenbesuch sexuell genötigt haben. Laut Anklage hätten die beiden am Nachmittag zunächst im Dienstzimmer des Inspekteurs bei einer Flasche Sekt ein Personalgespräch geführt. Nach einem abendlichen Kneipenbesuch mit Kollegen habe der Inspekteur die Kommissarin dazu bewegt, allein noch einen Absacker in einer Bar zu nehmen, so die Staatsanwältin. In den frühen Morgenstunden habe der Angeklagte die Polizistin zur Duldung und Vornahme sexueller Handlungen veranlasst.

Die Frau habe Ekel empfunden, sei aber aufgrund des dienstlichen Abhängigkeitsverhältnisses nicht in der Lage gewesen, sich zu widersetzen, so die Staatsanwaltschaft. Einige Tage später soll Renner ihr zudem in einem Videotelefonat unter Hinweis auf seine Stellung eindeutige Angebote gemacht haben. Davon liegt der Staatsanwaltschaft ein Mitschnitt vor.

Anzeigenstellerin soll mehrfach die Unwahrheit gesagt haben

Im November erklärte Renners Anwalt Jens Rabe gegenüber dem SPIEGEL, er bedauere, dass die Staatsanwaltschaft »bei dieser Beweislage« Anklage erhoben habe. »Mein Mandant wird sich in der anstehenden Hauptverhandlung nun konsequent im Hinblick auf einen Freispruch verteidigen.«

In einer im Gerichtssaal verbreiteten Erklärung warf er der 34-Jährigen nun vor, bewusst ältere und höher gestellte Männer gesucht zu haben, um die Kontakte zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen. Sie habe zudem mehrfach gegenüber der Polizei die Unwahrheit gesagt. Auch sei auf einem dreistündigen Video von dem Kneipenbesuch mit Renner zu sehen, dass die Anzeigenerstatterin zahlreiche intime Handlungen »eigeninitiativ« ausgeübt habe. Der Angeklagte sei in dem Verfahren das Opfer und müsse freigesprochen werden.


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Die Ermittlungen gegen den Spitzenbeamten hatten auch für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ein juristisches Nachspiel. Weil er gesetzeswidrig Dokumente zu dem Verfahren an Journalisten gab, musste er einen Strafbefehl akzeptieren. Im Landtag befasst sich derzeit ein Untersuchungsausschuss mit der Affäre. Neben dem Strafverfahren droht dem angeklagten früheren Spitzenbeamten der Polizei auch ein Disziplinarverfahren.


swe/dpa/afp