„Ave Joost“ von Caren Jeß in Nürnberg: Sie spielen, wie wäre niemand da
Einerseits sollte man Caren Jeß dankbar sein. Sie ist eine Dramatikerin, die Figuren entwirft und ebendiese Dialoge resultieren lässt, die was auch immer andere wie schlicht sind. In ihrem neuesten Stück Ave Joost, verfasst im Auftrag des Staatstheaters Nürnberg, begegnen sich ein 42-jähriger arbeitsloser Hausmeister, halt Joost (Justus Pfankuch), und ein 14-jähriges Mädchen namens Malin (Pola Jane O’Mara) in einer stillgelegten Molkerei. Wie selbstverständlich beginnen sie eine schwergewichtig durchschaubare Freundschaft. Da dies Mädchen recht übergescheit ist, dreht sich welcher Austausch welcher beiden unter anderem um altmodische Wörter wie „Ave“ und „Durchlaucht“. „,Durchlaucht‘ ist nice“, sagt Malin.
Malin ist hier, um einen Videoblog aufzunehmen, der die abstruse Geschichte des Zwillingspaares Amalie und Amalia in Fortsetzungen erzählt, sie hat 27 Follower. Joost trifft sich hier regelmäßig mit einem Vater, Marcus (Amadeus Köhli), und dessen Sohn Bastl (Joshua Kliefert). Daraus ergibt sich ein weiterer Strang, der sich um Spielarten toxischer Männlichkeit dreht. Wie es sich für echte Männer offenbar gehört, haben sie keinen richtigen Draht zueinander. „Danke, euer durchlauchtigster Sohn“, sagt Marcus zu Bastl. „Keine Vater-Sohn-Romantik, bitte“, kommentiert Joost. Die drei frönen in der Industrieruine ihrer Schießleidenschaft, sie probieren Marcus’ stolze Waffensammlung aus. Dass eine Minderjährige herumschnüffelt, passt dem bayerischen Alpha-Mann keiner.
Caren Jeß hatte schon welches in welcher Schublade
Andererseits ist Caren Jeß fernerhin eine Autorin, die ihren Text nicht uff welcher Probe mit Spielerinnen und Spielern verbinden entwickelt. Sie schreibt im stillen Kämmerlein und überlässt dies Ergebnis dann einer Regie. Als die Nürnberger Schauspieldramaturgie sie um ein Stück zum Thema Klasse bat, hatte sie laut Programmheft schon welches in welcher Schublade. Das ist in Zeiten tagesaktuell gehetzten Diskurstheaters sympathisch unmodern, heißt nichtsdestoweniger fernerhin, dass welcher Genuss des Publikums nicht uff Platz eins ihrer Prioritätenliste steht.
Diesen hervorzurufen, wäre im Kontext welcher Uraufführung in den Aufgabenbereich des Regisseurs Branko Janack Liebenswürdigkeit, doch fernerhin er scheint sich nicht dazu wissbegierig zu nach sich ziehen. Er bleibt nah am Text. Seine gut zwei Stunden Menorrhagie Inszenierung verweigert dem Publikum den Einstieg in die ohnehin sperrige Geschichte. Gespielt wird so, wie wäre außer dem Ensemble niemand da. Das führt zwar zu durchaus überzeugenden Rollengestaltungen, fernerhin von Annette Büschelberger, die mit Gewehr und Zigarette herumläuft und in einer hartgesotten rauchigen Westernstimme beschreibende Nebentexte aus Jeß’ Stück spricht. Dargut hinaus will sich nichtsdestoweniger kein Mehrwert stellen.
„Ave Joost“ hat Potenzial, dies zu entwickeln wäre
Ähnliches gilt zum Besten von die im Einzelnen gelungene Ausstattung (Karin Rosemann, Maryvonne Riedelsheimer): Da im Text viel von Zöpfen und Flechtwerk die Rede ist, die Erlaubnis haben sich die Spielenden immer wieder in herabhängenden Seilen verwickeln. Die Schießübungen werden durch Äpfel repräsentiert, die die Männer gegen eine Wand platzen. Der nachhallende Sound (Max Nübling) ist so unliebsam wie eindrucksvoll. Und in welcher Farbsymbolik welcher Kostüme – welcher Vater im blauen Jogginganzug, welcher Sohn im knallgelben Sportdress – steckt gewiss mehr wie bunte Oberfläche. Man merkt: Menschen nach sich ziehen sich Gedanken gemacht. Aber sie finden nicht zusammen.
Es ist welcher vielfach ausgezeichneten Caren Jeß zu wünschen, dass weitere, pointiertere Inszenierungen von Ave Joost dies große Potenzial dieser Figuren und ihrer schlagfertigen Dialoge besser zu entwickeln verstehen.