Autohersteller in dieser Krise: Volkswagen muss die Arbeit teilweise ruhen lassen

Gerade erst hat der europäisch-amerikanische Mehrmarkenkonzern Stellantis angekündigt, die Arbeit in mehreren europäischen Autofabriken vorübergehend zu unterbrechen. Der Konzern will das Produktionstempo an den „herausfordernden“ Markt in Europa anpassen und Lagerbestände bis zum Jahresende „möglichst effizient steuern“, wie das Unternehmen in dieser Woche mitgeteilt hat. Viele Stellplätze sind offenkundig mit Neuwagen gefüllt, und der Absatz bleibt hinter den Erwartungen zurück. Besonders das weiterhin schwache Geschäft mit Elektroautos belastet – eine Entwicklung, die inzwischen auch andere Hersteller zu Produktionskürzungen veranlasst.

Zwickau, Emsden, Osnabrück

Nach Informationen der F.A.Z. will Volkswagen die Arbeit in seiner Elektroautofabrik Zwickau in der übernächsten Woche ruhen lassen. Dort werden unter anderem die Modelle ID.3 und Cupra Born gebaut, die in zwei bis drei Jahren nach Wolfsburg verlagert werden sollen. Der Standort in Sachsen steht schon lange unter Druck, weil sich die E-Mobilität schwächer entwickelt als erhofft; beim teils nach Amerika exportierten Audi Q4 E-Tron dämpfen zudem neue US-Zölle das Geschäft. Auch der VW-Standort Emden ist nicht wie geplant ausgelastet. Dem Vernehmen nach laufen dort Gespräche mit dem Betriebsrat über Schließzeiten, eine Entscheidung könnte in der kommenden Woche fallen. Ein Werkssprecher betont, es sei noch nichts entschieden. Zwickau hat die Schließwoche bestätigt.

Verbrenner laufen noch

Der VW-Konzern verringert schon seit Jahren die Kapazität seiner Werke und hatte sich vergangenen Dezember mit dem Konzernbetriebsrat auf ein hartes Sparprogramm verständigt. Die Nachfrageflaute zieht jetzt Eingriffe an mehreren Standorten nach sich. In Hannover steht während der Herbstferien die Produktion fünf Tage still, wegen verhaltener Nachfrage nach dem ID Buzz und dem T7 Multivan. Osnabrück kürzt nach F.A.Z.-Recherchen bis Jahresende jede Betriebswoche um mindestens einen Tag und legt im Oktober eine zusätzliche Schließwoche ein; die Schwäche des Cabriosegments lastet auf der Produktion, Porsche läuft dort nur noch bis Jahresende, und als Überlaufwerk fehlt Osnabrück aktuell die Zusatzfertigung. Anders ist die Lage in Wolfsburg: die Verbrennermodelle Golf, Tiguan und Tayron laufen gut, bis Jahresende sind viele Sonderschichten geplant, und man fragt in Emden, Osnabrück, Zwickau, Hannover und Bratislava nach Aushilfen. Zugleich droht eine Durststrecke, wenn der Golf nach Mexiko verlagert wird. Die Belegschaft soll ihre Zeitkonten jetzt auffüllen, um später die Arbeitszeit reduzieren zu können.

Fixkosten sparen

Produktionseinstellungen werden in der Autobranche meist dann vorgenommen, wenn Maßnahmen wie Verlangsamung, weniger Schichten oder die Stilllegung einzelner Produktionslinien nicht mehr helfen. Fabriken in einem zeitlichen Block herunterzufahren hat auch den Vorteil, dass Fixkosten wie Strom- und Wasserverbrauch stärker sinken. Zudem können Wartungsarbeiten besser vorgenommen werden. Stellantis hat in Italien in diesem Jahr wegen schwacher Nachfrage schon öfter an einzelnen Tagen die Produktion ruhen lassen; der Übergang zu einer längeren Unterbrechung am Stück zeigt nun, dass die Nachfrage deutlich schwächelt und der Lageraufbau bedrohlich groß geworden ist.

Für den Alfa Romeo Tonale fährt Stellantis die Produktion im Werk Pomigliano bei Neapel zwölf Tage herunter. In Madrid, wo der Konzern Citroëns baut, ruht die Arbeit gar zwei Wochen lang. Im Opel-Werk Eisenach wird der Autobau zwei Tage lang zum Stillstand kommen. Dennoch will Stellantis zumindest nach außen nicht schwarzmalen. Nach den jüngsten Zahlen des Herstellerverbands Acea nahmen die Neuzulassungen im August gegenüber dem Vorjahresmonat in Europa um durchschnittlich 2,2 Prozent auf gut 106.000 Personenwagen zu. Doch in den acht Monaten August ergibt sich ein Rückgang von 7,4 Prozent und ein Schwinden des Marktanteils von 16,2 auf 14,9 Prozent. VW hat seinen Marktanteil dagegen leicht von 26 auf fast 27 Prozent erhöht. Bei Stellantis ist ein Hoffnungsträger die Marke Alfa Romeo, die ihre Verkäufe bis August um fast 36 Prozent gesteigert hat.

Alfa Romeo legt zu, sonst weitgehend Flaute

Im August erhöhten sich die Neuzulassungen bei Alfa Romeo sogar um mehr als 62 Prozent. Allerdings fallen die Stückzahlen von Alfa Romeo kaum ins Gewicht. Die Volumenstärkste Stellantis-Marke, Peugeot, kommt bis August auf ein Plus von 3,3 Prozent. Citroën, Opel-Vauxhall und Fiat liegen in diesem Jahr dagegen deutlich im Minus. Besonders stark sind die Rückgänge bei Lancia und Chrysler, bei denen die Neuzulassungen seit Januar um fast drei Viertel zurückgingen.

Die Entscheidung der vorübergehenden Produktionseinstellung geht nach Ansicht von Branchenkennern auch darauf zurück, dass die Flottenkäufe von Unternehmenskunden, die sich meist auf das Jahresende konzentrieren, als schwach erwartet werden. Zudem verlor Stellantis wohl Marktanteile wegen Verzögerungen bei der Markteinführung von Schlüsselmodellen wie dem Grande Panda oder dem Citroën C3 Aircross, schätzen die Analysten der Investmentbank Mediobanca. Schwach ist ferner weiterhin der Markt für leichte Nutzfahrzeuge.