Aufwind für jedes die Union – Wie sich Merz‘ „All in“ jetzt auszahlt

Kanzlerkandidat Merz und seine Union schneiden im Deutschlandtrend deutlich besser ab als zuletzt. Aber das Vorgehen, für Gesetzesvorhaben AfD-Stimmen in Kauf zu nehmen, spaltet die Bevölkerung. Und erstaunlich viele Deutsche glauben, dass Merz seine Absage an eine schwarz-blaue Koalition brechen werde.

Zuletzt brach sich vielerorts Wut gegen die CDU Bahn: Weil Kanzlerkandidat Friedrich Merz und die Union in der vergangenen Woche bei migrationspolitischen Abstimmungen Stimmen der AfD-Fraktion in Kauf genommen hatten, grenzten sich SPD und Grüne mit teils drastischer Rhetorik von diesem Kurs ab. Hunderttausende gingen demonstrieren, immer wieder wurden gar „Nazi“-Vorwürfe gegen Merz und Co. laut. Radikale aus dem linken Lager überschritten zudem die Grenze des Legalen – durch Vandalismus, Hausfriedensbrüche und Morddrohungen in Richtung der Christdemokraten. Und auch in ersten Umfragen nach der turbulenten Bundestagswoche deutete sich ein Abwärtstrend für CDU/CSU an.

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Im neuen Deutschlandtrend zeigt sich hingegen ein deutlich anderes Bild: Sowohl die Union als auch Merz bekommen von der Bevölkerung spürbaren Rückenwind. In der Befragung, die Infratest Dimap im Auftrag von ARD-„Tagesthemen“ und WELT durchgeführt hat, legt die CDU/CSU bei der Frage, wer die nächste Bundesregierung „anführen“ sollte, um vier Punkte auf 36 Prozent zu. Weit dahinter folgen die SPD mit unverändert 17 Prozent, die AfD mit zwölf (minus ein Punkt) und die Grünen mit acht Prozent (minus zwei Punkte).

Merz persönlich schiebt sich im Zufriedenheitsranking der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl an die Spitze – im Vergleich zu Ende Januar um vier Punkte auf 32 Prozent. Damit liegt Merz aktuell vor Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), mit dem 27 Prozent (minus zwei Punkte) der Bürger „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ sind. Am deutlichsten hat sich der Wert von FDP-Chef Christian Lindner verbessert – er gewinnt sechs Punkte und liegt mit 23 Prozent gleichauf mit Kanzler Olaf Scholz (SPD, minus ein Punkt). Dicht dahinter folgen AfD-Chefin Alice Weidel mit unverändert 22 Prozent und die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht mit 20 Prozent (minus ein Punkt). Linke-Spitzenkandidat Jan van Aken liegt bei sechs Prozent.

Wohlgemerkt: Jeweils eine deutliche Mehrheit ist mit allen Spitzenkandidaten „weniger“ oder „gar nicht“ zufrieden – wobei Merz hier mit „nur“ 62 Prozent noch am besten abschneidet (sieht man von Linke-Politiker van Aken ab, der den Befragten schlichtweg kaum bekannt ist, was die geringe Unzufriedenheit mit ihm erklärt).

Die Demoskopen fragten zudem die Kanzlertauglichkeit der Kandidaten Merz, Habeck, Scholz und Weidel ab. Auch hier liegt der CDU-Chef deutlich vorn: 33 Prozent gilt er als „guter“ möglicher künftiger Kanzler – ein Plus von fünf Punkten im Vergleich zu Mitte Dezember 2024. Dahinter folgt der Wirtschaftsminister mit 26 Prozent (minus ein Punkt) – damit liegt Habeck nur noch knapp vor Scholz, der sechs Punkte hinzugewinnt und auf 25 Prozent kommt. Die AfD-Vorsitzende wäre für 18 Prozent (plus ein Punkt) eine „gute Kanzlerin“. Auch hier auffällig: Mehrheitlich wird die Kanzlertauglichkeit der vier Politiker jeweils als „nicht gut“ bewertet – wobei Merz‘ Wert 55 Prozent im Vergleich der niedrigste ist.

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Auch die Sonntagsfrage zur Bundestagswahl hält eine gute Nachricht für die Union bereit: Sie verbessert sich im Vergleich zu Ende Januar um einen Punkt auf 31 Prozent. Ansonsten legt nur die AfD zu – um ebenfalls einen Punkt, sie liegt nun bei 21 Prozent. Die SPD bleibt bei 15 Prozent, die Linke bei fünf. Die Grünen verlieren einen Punkt und kommen auf 14 Prozent. FDP und BSW würden mit je vier Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Bei den Koalitionswünschen der Deutschen ist Schwarz-Rot mit 31 Prozent (minus ein Punkt) weiterhin das mit Abstand beliebteste Szenario. 19 Prozent finden, die Union sollte entgegen Merz‘ Positionierung ein Bündnis mit der AfD eingehen (plus ein Punkt). „Akzeptabel“ fänden eine schwarz-blaue Koalition gerade mal 28 Prozent aller Befragten – das Gegenteil geben zwei Drittel der Befragten an.

Schwarz-Grün verliert leicht an Beliebtheit: Diese Option erhält Zuspruch von 14 Prozent der Bürger (minus zwei Punkte) und ist damit nur noch leicht beliebter als Schwarz-Gelb (13 Prozent, plus ein Punkt).

Bemerkenswert: Lediglich 44 Prozent der Bürger glauben, dass Merz sein dezidiertes Versprechen, niemals eine Koalition mit der AfD einzugehen, halten werde. Fast genauso viele (43 Prozent) gehen davon aus, dass er dieses Versprechen brechen werde.

Nach Parteianhängern betrachtet, glaubt jeweils eine Mehrheit der Anhänger von Grünen, AfD, SPD und Linkspartei, dass Merz ein schwarz-blaues Bündnis bilden werde – lediglich die Unions-Anhänger sind mehrheitlich vom Gegenteil überzeugt (73 Prozent); die Erwartungen von FDP- und BSW-Unterstützern konnten nicht gesondert erfasst werden, da die beiden Parteien unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen.

AfD-Stimmen in Kauf nehmen?

Und wie sehen die Deutschen das „All in“ von Merz in der Migrationspolitik, also bei der Abstimmung über Gesetzentwürfe der Union auch AfD-Stimmen in Kauf zu nehmen, wenn diese zur Verabschiedung nötig sind?

Die Demoskopen fragten konkret nach den Abstimmungen über einen Entschließungsantrag zu Zurückweisungen an Grenzen (erfolgreich) und über das „Zustrombegrenzungsgesetz“ zur Einschränkung des Familiennachzugs von Asylbewerbern (abgelehnt) in der vergangenen Woche. 43 Prozent finden Merz‘ Vorgehen „grundsätzlich richtig, auch mit in Kauf genommenen AfD-Stimmen“. 23 Prozent finden den migrationspolitischen Kurs der Union zwar „grundsätzlich richtig“, lehnen aber das Akzeptieren der AfD-Stimmen ab. Und 27 Prozent erklären das Vorgehen für „grundsätzlich falsch“.

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Zudem wurde auch die allgemeine Akzeptanz der Taktik erhoben, eigene Gesetzesvorhaben notfalls mit AfD-Stimmen zu beschließen. Fast die Hälfte (49 Prozent) findet das „nicht akzeptabel“, für 44 Prozent ist es hingegen „akzeptabel“. Deutlicher wird die Diskrepanz bei der Frage nach einer Einbringung von Gesetzen „gemeinsam mit der AfD“: Für eine Mehrheit von 56 Prozent wäre dies „inakzeptabel“ – 38 Prozent hätten damit kein Problem.

Nach Parteianhängern betrachtet, ist eines auffällig: „Akzeptabel“ finden die oben geschilderten Arten der Zusammenarbeit mehr Unterstützer der Linkspartei – auf sehr niedrigem Niveau – jene der SPD und der Grünen. Und immerhin elf Prozent der Linke-Anhänger sind offen für ein schwarz-blaues Bündnis; von den Unterstützern der SPD sind es zwei Prozent, von jenen der Grünen nur ein Prozent.

Keine drei Wochen vor der Bundestagswahl nehmen die Sorgen der Bürger vor politischer Instabilität deutlich zu: 69 Prozent machen sich „sehr große“ oder „große“ Sorgen, keine stabile Regierung zu bekommen – ein Plus von zehn Punkten. „Wenig“ oder „gar keine“ Sorgen haben aktuell hingegen lediglich 27 Prozent der Deutschen (minus elf Punkte).

Zur Methodik: Für den Deutschlandtrend hat Infratest Dimap vom 3. bis 5. Februar 1302 wahlberechtigte Bürger in 775 Telefon- und 527 Online-Interviews befragt. Die Fehlertoleranz liegt zwischen zwei und drei Prozentpunkten.

Johannes Wiedemann ist Leitender Redakteur im Ressort Politik Deutschland.

Source: welt.de