Auf E-Auto-Safari durch Tansania

Wilde Tiere in Ostafrikas freier Wildbahn zu beobachten, ist allein schon ein Abenteuer. Richtig spannend wird es, wenn man von der Serengeti bis zum Kilimandscharo ausschließlich im Landcruiser mit Elektromotor unterwegs ist, dessen Reichweite überschaubar ist. Kann das gut gehen?
Denis Lebouteux ist ein Tüftler, ein Daniel Düsentrieb der Serengeti, der sich in den Kopf gesetzt hat, eine komplette Safari-Tour durch den Norden Tansanias ausschließlich mit Elektroautos durchzuführen. Größte Herausforderung ist der 600 Meter tiefe Ngorongoro-Krater. Hinunter ist kein Problem. Doch werden die Autos den steilen Aufstieg hinaus aus dem Vulkantrichter schaffen?
Der 20 Jahre alte Toyota Landcruiser, umgebaut zu einem Elektrofahrzeug, ruckelt die schmale Straße hinab in den Krater, eines der größten Naturwunder der Welt. Rund 25.000 größere Säugetiere – von Elefanten über Hyänen bis zu unzähligen Gnus – tummeln sich in dem Kraterkessel von der halben Größe des Bodensees.
Die Zugangsstraße windet sich zuerst auf 2300 Meter bis auf den Rand der Caldera, dann geht es steil nach unten. Die Aufregung steigt. Der Tag verspricht ein doppeltes Abenteuer. Wird es spektakuläre Wildlife-Szenen geben? Und vor allem: Werden die Batterien durchhalten oder bleibt das Auto irgendwo auf halber Strecke ohne Strom am Kraterhang hängen?
Denis Lebouteux, Chef des E-Safari-Anbieters Tanganyika Expeditions, und seine tansanische Fahrerin Julieth Sumary starren auf die Leuchtanzeigen. 91 Prozent Ladestand, 182 Kilometer verbleibende Fahrzeit sind versprochen. Doch was heißt das schon, wenn es am Ende steil bergauf aus der Senke geht? Eins ist klar: Im Krater, der zum Unesco-Weltnaturerbe zählt, gibt es garantiert keine Ladesäule.
Die Löwen im Ngorongoro-Krater wollen alle sehen
Unten angekommen, sind erst einmal alle Strom-Fragen vergessen. Die Sonne hängt hoch über dem Kraterrand, über den bauchige Wolken schwappen. Der Magadi-See schimmert wie ein glatt geschliffener Opal in der Mitte der Senke. Eine Elefantenherde bummelt über eine Sandpiste und bricht dann in einen dichten Wald aus Fieberbäumen auf.
Fahrerin Julieth drängt zum Weiterfahren. Zunächst geht es über eine topfflache Ebene, auf der sich Hyänen in der Sonne wärmen. Sie sind zu faul, um auch nur zu gucken, als ein Grüppchen Thomson-Gazellen vorbeihüpft – eigentlich ein leckerer Bissen für die gefleckten Raubtiere. Der Landcruiser folgt der Piste Richtung See. Denis schaut mit Genugtuung auf die Batterieanzeige: noch 78 Prozent.
Am Wasser laufen Zebras wie zu einer Parade im Gänsemarsch das Ufer ab und in der Ferne schimmert es rosarot. „Flamingos“, sagt Julieth und drückt das Pedal durch, sodass Staub aufwirbelt. Zeitgleich erhebt sich die rosarote Flamingo-Wolke und entschwebt. Macht nichts. Der Kessel steckt voller weiterer spektakulärer Erlebnisse.
„Was wollt ihr sehen?“, fragt Julieth, als gäbe es eine Wildlife-Menükarte zum Aussuchen. Löwen, lautet die Antwort. Die Raubtiere mit ihren messerscharfen Zähnen stehen ganz oben auf der Hitliste von Safarigästen. Rund 100 der großen Katzen leben im Ngorongoro-Krater. Ihre Lieblingsspeisen – Gazellen, Gnus und Büffel – präsentieren sich ihnen wie auf einem gut gefüllten Buffet.
Geier weisen den Weg zu einem Löwen-Kill. Sie umkreisen einen Büffelkadaver und ziehen mit ihren Hakenschnäbeln Fleischfetzen von den Knochen, die die Löwen zurückgelassen haben. Auch ein paar Hyänen haben Lunte gerochen. Drei Exemplare traben in schaukelndem Gang heran und machen sich über die Reste her.
In Serpentinen geht es durch eine Dschungellandschaft
Es ist Zeit für einen Busch-Lunch. Denis lotst das Fahrzeug an einer recht überlaufenen Raststelle vorbei zu einem Picknickplatz, den er der Parkverwaltung zur exklusiven Nutzung abgeluchst hat. Unter Zeltdächern sind Holzbänke aufgebaut.
Es gibt Wasser aus der Kanne zum Händewaschen und ein Grillbuffet mit Hähnchenspießen, kleinen Steaks und Gemüsesticks für Vegetarier. Einige Gäste genehmigen sich ein lokales Bier der Marke Kilimanjaro. So lässt sich dem bevorstehenden Krateraufstieg entspannter ins Auge blicken. Die Schatten werden länger und Julieth mahnt zur Eile.
Während die dieselgetriebenen Allradwagen vom Rastplatz aus polternd zum Kraterrand preschen, zuckelt der E-Landcruiser leise und gemächlich dahin. Denis lächelt zuversichtlich, Julieth hat die Batterieanzeige fest im Blick. Dann geht es in Serpentinen bergauf durch eine üppig grüne Dschungellandschaft.
So steil ist der Weg, dass die Tiere nur in Notfällen den Krater verlassen. Die Giraffen mit ihren ungelenken Beinen können die Steigung gar nicht bewältigen. Das E-Auto schlägt sich besser: Die Akku-Anzeige sinkt zusehends, doch bei 46 Prozent und 92 Kilometer Restlaufzeit ist der Kraterrand erklommen. Geschafft. Denis schaut selig – zumal der Strom auch noch reicht, um das nächste Camp anzusteuern.
Öffentliche Ladesäulen gibt es in Tansania nicht
Das „Olduvai Camp“ in der Ngorongoro Conservation Area gehört zum Netzwerk von Tanganyika Expeditions. Hier können die Fahrzeuge aufgeladen werden, um die nächste Tagestour zu absolvieren. Denis Lebouteux betreibt 13 Lodges im Norden Tansanias, die alle mit Solaranlagen und Ladestationen ausgestattet sind.
Diese Infrastruktur ist nötig, denn öffentliche Ladesäulen gibt es in Tansania nicht. Während einzelne Safari-Lodges in Afrika, etwa in Botswana und Südafrika, E-Autos ausschließlich für Pirschfahrten nutzen, ist Denis der Einzige, der eine gesamte Reise inklusive Flughafentransfers elektrisch abwickeln kann.
Er ist überzeugt von der Zukunft des E-Autos in Afrika. „Die E-Landcruiser sind leise, sodass sie die Tiere nicht stören, und sie produzieren keine Abgase. Meine Autos fahren zu 85 Prozent mit Solarenergie. Nur im Notfall nutze ich Generatoren“, versichert er.
Nachhaltigkeit und Kostenersparnis sind seine Argumente. Er spart am Diesel ebenso wie an Servicekosten; Wartungen und das Wechseln von Öl- und Luftfiltern alle 5000 Kilometer entfallen. Inzwischen besitzt das Unternehmen 14 E-Fahrzeuge – alles ehemalige Diesel-Landcruiser, die von der in Arusha ansässigen Firma E-Motion mit Elektroantrieb ausgestattet wurden.
Der Bausatz, um ein Auto umzurüsten, bestehend aus Batterien und E-Motor, kostet rund 20.000 US-Dollar, der Umbau 30.000 US-Dollar. Für einen neuen Landcruiser muss man 100.000 Dollar auf den Tisch legen. Am Modell Landcruiser von Toyota führt im Safari-Geschäft kein Weg vorbei. Nur sie gelten als robust genug für Buschfahrten. Sie halten Jahrzehnte und können in jeder Werkstatt repariert werden. Viele gute Gründe für Denis, das Projekt voranzutreiben und seine gesamte Flotte umzurüsten. Jetzt sowieso, da der Stress-Test im Ngorongoro-Krater erfolgreich verlaufen ist.
Mehr Spielraum für Aktivitäten als in der Serengeti
Auf einer E-Auto-Tour mit Tanganyika Expeditions werden alle wichtigen Safari-Stationen im sogenannten Northern Circle in Tansania angesteuert. Zunächst geht es von Arusha nahe dem internationalen Flughafen am Kilimandscharo per Buschflug zum Grumeti Game Reserve westlich der Serengeti in die „Grumeti Hills Lodge“. Das Grumeti-Reservat wird von den örtlichen Gemeinden verwaltet und ist besonders tierreich.
Es gehört zum Ökosystem der Serengeti, bietet aber mehr Spielraum für Aktivitäten als der Nationalpark mit seinen strengen Regeln. Ein Dorado für Denis Lebouteux, denn hier darf er sich mit seinen E-Autos frei bewegen und Löwen, Elefanten oder Leoparden auch abseits der Wege aufspüren. Die Autos fahren praktischerweise so leise, dass man den Tieren sehr nahekommen kann.
Sogar zur Morgenwanderung in den Grumeti Hills gibt es einen elektrischen Begleiter, der lautlos hinterherfährt und schweres Gepäck wie Stative oder Teleobjektive transportiert. Die Idylle stört es nicht. Die Morgensonne steht knapp über dem Horizont und lässt die Akazien bizarr lange Schatten auf das golden schimmernde Gras werfen. Impalas tollen übermütig umher. Sie haben die Nacht überlebt, ohne gefressen zu werden, und freuen sich auf einen neuen Tag.
Eine Herde Gnus läuft zickzack zwischen den Bäumen hindurch. Die Löwen, die nachts ihr markerschütterndes Röhren durch die Dunkelheit erklingen ließen, haben sich verzogen. Nur ein Büffel lässt sich von der guten Laune an diesem Morgen nicht anstecken. Er starrt unverwandt Richtung Safarigrüppchen. „Banker“ ist sein Spitzname, erzählen die Guides, da er Menschen immer so anstarrt, als schuldeten sie ihm Geld.
„E-Autos sind perfekt für eine Safari“
Vom Grumeti Game Reserve geht es in den Serengeti-Nationalpark und dort in das „Togoro Plains Camp“ – zum Lunch und um ein wenig Strom nachzuladen. Ein längerer Stopp wäre ein Traum, denn die Lodge, spektakulär rund um zwei Granitfelsen gebaut, ist Löwen-Land. So viele der hungrigen Raubkatzen streifen umher, dass Denis sein Territorium mit zwei bewaffneten Rangern schützt und zusätzlich vier Massai beschäftigt, die demonstrieren, wie sie Löwen auf traditionelle Weise mit wildem Geklacker ihrer Holzstäbe vertreiben.
Letzte Station nach dem Ausflug in den Ngorongoro-Krater ist das bereits erwähnte „Olduvai Camp“. Es bietet nicht nur eine Ladestation, sondern liegt wunderschön, von Felsen geschützt, inmitten der weiten Graslandschaft der Ngorongoro Conservation Area.
Hier siedeln die Massai, die Mitte der 1970er-Jahre aus dem Krater selbst verbannt wurden. Man kann ihre Dörfer besuchen und kommt mit ihnen schnell, auch zu strittigen Fragen, ins Gespräch. Da die tansanische Regierung plant, weitere Gebiete im Norden Tansanias unter Naturschutz zu stellen, befürchten sie, dass immer mehr Dorfbewohner zur Umsiedlung gedrängt werden.
Die letzte Etappe der E-Auto-Tour führt aus der Ngorongoro-Region nach Arusha und zum Kilimandscharo-Flughafen. Das Hügelland fordert den Batterien noch einmal alles ab, doch mit einem Stand von 27 Prozent und 54 Kilometern Restlaufzeit ist Denis Lebouteux zufrieden. Für ihn steht fest: „E-Autos sind perfekt für Safaris, sie werden in Afrika einen Siegeszug antreten.“ Er könnte recht behalten.
Tipps und Informationen:
Anreise: Ab Deutschland fliegt die Lufthansa-Tochter Discover von Frankfurt über Mombasa zum Kilimanjaro Airport im Norden Tansanias. Umsteigeverbindungen bieten beispielsweise KLM (über Amsterdam), Qatar Airways (über Doha), Turkish Airlines (über Istanbul) oder Ethiopian Airlines (über Addis Abeba).
Einreise: Das Touristenvisum (online oder bei Ankunft) kostet umgerechnet rund 50 Euro.
Reisezeit: Reisezeiten mit guten Chancen auf Tiersichtungen sind Juni bis Oktober und Dezember bis Februar.
Veranstalter: Eine Safari-Rundreise durch den Northern Circle von Tansania mit Unterkünften von Tanganyika Expeditions (Einsatz von E-Autos für Pirschfahrten; tanganyika.com) ist u.a. buchbar beim Reiseveranstalter Diamir Erlebnisreisen, Preisbeispiel: Gruppenreise mit maximal sechs Teilnehmern ab 4690 Euro inkl. Flug. Auch individuell möglich (diamir.de/tansania/reise/TANTSZ). Studiosus hat auf Gruppenrundreisen ebenfalls Unterkünfte von Tanganyika Expeditions (etwa „Grumeti Hills Camp“ und „Olduvai Camp“) im Programm. Preisbeispiel: zehn Tage ab 5690 Euro p.P., ohne Flug (studiosus.com).
Auskunft: voice4africa.de/laender/tansania/; tanzaniatourism.go.tz
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Diamir Erlebnisreisen und Tanganyika Expeditions. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
Source: welt.de