Atomkraft in Tschechien: Wie Tschechien seine Atomindustrie wiederbelebt
Es ist Tschechiens größtes Investitionsprojekt seit Jahrzehnten: Mehr als 30 Milliarden Euro will das Land in die Hand nehmen, um im großen Stil in neue Atomkraftwerke zu investieren. Bis zu vier neue Reaktoren sollen bis 2050 gebaut werden, dazu sollen zahlreiche kleine modulare Reaktoren („Small Modular Reactors“, SMRs) für die Strom- und Wärmeversorgung kommen.
Dafür soll der mehrheitlich staatliche Energiekonzern ČEZ selbst in die Entwicklung von SMRs einsteigen, er hat dafür einen Anteil von rund 20 Prozent am britischen Unternehmen Rolls-Royce SMR erworben, das sich auf die Fahne geschrieben hat, mit Mini-Atomreaktoren „günstige und saubere Energie für jeden“ zu liefern. Die Kosten liegen in Euro im dreistelligen Millionenbetrag. 2050 soll der Kernenergieanteil in Tschechien zwischen 43 und 56 Prozent am Strommix betragen. Geht der Zeitplan der Regierung auf, soll der
erste neue Reaktor ab 2029 gebaut werden und
2036 in den Probebetrieb gehen.
Tschechien ist damit das jüngste Nachbarland Deutschlands, das seine Energieversorgung mit Kernkraft sichern will. Frankreich setzt auf bis zu 14 neue Reaktoren bis 2050, die Niederlande planen vier neue Reaktoren bis 2040 und Polen sechs Reaktoren bis 2043. Nur Österreich, Dänemark und Deutschland sehen in der Atomkraft keine Zukunft. Allerdings hatte nicht nur CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, sondern auch CSU-Chef Markus Söder zumindest die Beteiligung an ausländischen Atomkonzernen nicht ausgeschlossen.
Nur: Der Bau neuer Atomkraftwerke – ob groß oder klein –ist technologisch riskant (PDF). Neue Meiler sind nicht rentabel und teurer als erneuerbare Energien. Jüngste Projekte in Finnland und Frankreich zeigen: Der Bau von neuen Kernkraftwerken ist mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden und gelingt selten im vorgesehenen Zeitrahmen, allein in Finnland verzögerte sich die Inbetriebnahme des Reaktors Olkiluoto um 14 Jahre.
Südkorea liefert bis zu vier neue Reaktoren
Dennoch plant Tschechien, seine Atomindustrie wiederzubeleben. Die Republik könne „aufgrund ihrer geografischen Lage“ die CO₂-arme Energiesicherheit und -unabhängigkeit nur mithilfe von Kernenergie erreichen, ist Tomáš Ehler überzeugt, der Leiter der neuen Abteilung für Kernenergie und neue Technologien im Industrieministerium. Derzeit sind in Tschechien zwei AKW mit insgesamt sechs Reaktorblöcken am Netz: in Dukovany nahe Österreich und Temelín, etwa 60 Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt. Sie produzieren rund 37 Prozent des Stroms des Landes.
Der Ausbau der Kernkraft ist allerdings auch in Tschechien kein Selbstläufer. Seit Wochen wird um die Finanzierungspläne der neuen Meiler gestritten. Das Energieunternehmen ČEZ wählte im Sommer den südkoreanischen Energiekonzern Korea Hydro & Nuclear Power für den Bau von vier neuen Kernkraftwerken aus. Regierungsmitglied Ehler begründete das mit dem „sehr wettbewerbsfähigen Preisrahmen“, zudem habe der halbstaatliche Konzern Garantien für Baukosten und den Zeitraum gewährt.
Das allerdings kritisieren Fachleute. „Die Regierung rechtfertigte die Ausschreibung für vier statt für nur einen Reaktor damit, dass ein Rabatt von 25 Prozent gewährt wurde“, erklärt Oldřich Sklenář, Energieexperte bei der Prager Denkfabrik Association for International Affairs. Doch es handele sich schließlich nicht um Obst im Supermarkt. „Natürlich ist es viel komplizierter. Daher habe ich starke Zweifel am Rabattargument.“
Der Staat geht in Vorleistung
Jeder der Meiler soll etwa acht Milliarden Euro kosten – die Kreditkosten einmal außer Acht gelassen. Vollkommen unklar ist die Höhe der Finanzierungskosten: „Einen konkreten Erzeugungspreis kann man nicht festlegen, weil es unter anderem von der genauen Höhe der Finanzierungskosten abhängt – und wie der Ausbau vorankommt“, gibt Ehler zu. Die Kreditkosten könnten sogar noch einmal zwei Drittel der Kapitalkosten betragen, schätzt er.
Der bisherige Plan sieht vor, dass sich ČEZ auf den Märkten Geld für diese Finanzierung leihen muss. Dieses wird dann 30 Jahre lang samt Zinsen zurückgezahlt. Ehler ist sich sicher: Schaue man sich die Kosten für den Stromnetzausbau an, seien Kernkraftwerke günstiger als die dezentralen und nicht steuerbaren erneuerbaren Energien.
Doch Fachmann Sklenář bezweifelt, dass sich der geplante massive Ausbau in Zukunft rechnen wird: Neben der Netzperspektive müsse man andere wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, etwa die Börsenstrompreise. Immer häufiger gebe es Stunden mit negativen Strompreisen. „Das ist schlecht, weil es einen starken Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit jeder neuen Energiequelle hat.“ Kämen dann zwei oder sogar vier neue Atomkraftwerke hinzu, müsse man wegen der Überkapazitäten am Ende wählen – zwischen weniger erneuerbaren Energien oder stillstehenden Atomkraftwerken. „Damit wären sie nicht mehr rentabel“, sagt Sklenář.
Es ist Tschechiens größtes Investitionsprojekt seit Jahrzehnten: Mehr als 30 Milliarden Euro will das Land in die Hand nehmen, um im großen Stil in neue Atomkraftwerke zu investieren. Bis zu vier neue Reaktoren sollen bis 2050 gebaut werden, dazu sollen zahlreiche kleine modulare Reaktoren („Small Modular Reactors“, SMRs) für die Strom- und Wärmeversorgung kommen.
Dafür soll der mehrheitlich staatliche Energiekonzern ČEZ selbst in die Entwicklung von SMRs einsteigen, er hat dafür einen Anteil von rund 20 Prozent am britischen Unternehmen Rolls-Royce SMR erworben, das sich auf die Fahne geschrieben hat, mit Mini-Atomreaktoren „günstige und saubere Energie für jeden“ zu liefern. Die Kosten liegen in Euro im dreistelligen Millionenbetrag. 2050 soll der Kernenergieanteil in Tschechien zwischen 43 und 56 Prozent am Strommix betragen. Geht der Zeitplan der Regierung auf, soll der
erste neue Reaktor ab 2029 gebaut werden und
2036 in den Probebetrieb gehen.