Artenschutz: Nach dem Prinzip Gießkanne funktioniert es nicht

Erinnern Sie sich an die US-amerikanische Fernsehserie Die Dinos? Darin polterte der wuchtige Dino-Papa Sinclair stets mit den Worten „Bin da, wer noch?“ herein, während das Dino-Baby „Nicht die Mama!“ brüllte und mit Kochtöpfen um sich schlug. Und wissen Sie auch, wie die Serie endete? Mit einer Verkettung ökologischer Katastrophen und dem Beginn einer Eiszeit, in der sich die Dino-Familie frierend zusammendrängt, während Dino-Papa Sinclair sagt: „Wir werden es bestimmt schaffen. Wär’ doch gelacht. Und außerdem: Wir Dinos leben schon seit 150 Millionen Jahren auf der Erde. Da werden wir doch nicht so mir nichts, dir nichts zu Flugsauriern.“

Ich denke, es ist kein allzu großer Spoiler, wenn ich Ihnen verrate, dass sie es nicht schaffen. Und jetzt kann man diskutieren, ob es makaber ist, aus dem fünften Massensterben auf der Erde eine Schlusspointe für eine Kinderserie zu machen. Ich möchte aber auf etwas anderes hinaus: Diese Serie ließe sich in Kürze neu auflegen, und zwar mit den Tierarten, die heute auf der Erde leben. Die werden nämlich gerade von dem sechsten Massensterben eine nach der anderen ausgelöscht. Wie wäre es etwa mit dem Marianen-Flughund als Papa, einem gelben Guambrillenvogel als bestem Freund, einem Gelbstirn-Waldsänger als Arbeitskollegen und einem langschnabeligen Schuppenkehlmoho als Widersacher? Das ist keine zufällige Auswahl. Sondern Tierarten, die allein letztes Jahr für ausgestorben erklärt wurden.

1,2 Prozent der Landfläche reicht

Bisschen traurig für die Kleinen? Nun, glücklicherweise ließe sich das verhindern, wenn auch nicht für die genannten Arten, die ja ausgestorben sind. Die können höchstens noch auf den Lazarus-Effekt hoffen, so nennt man das, wenn verschwunden geglaubte Tierarten wiederentdeckt werden – eher unwahrscheinlich. Ein Großteil der noch existierenden bedrohten Arten ließe sich laut einer gerade im Fachmagazin Frontiers in Science veröffentlichten Studie aber relativ leicht retten. Denn sie sind selten und kommen nur in kleinen Gebieten vor. Für ihren Erhalt müssten deswegen auch nur kleine Gebiete geschützt werden: 1,2 Prozent der Landoberfläche der Erde, so die Studie. Das entspricht 1,64 Millionen Quadratkilometern, was ziemlich genau der Fläche des Iran entspricht. Um das sechste weltweite Massensterben zu verhindern, müssen wir also nicht die ganze Welt schützen, sondern „nur“ ein mittelgroßes Land – aufgeteilt auf knapp 17.000 Orte auf der Welt.

Das klingt doch machbar, oder? Um das mal ein bisschen näher an Sie heranzurücken: Die durchschnittliche Körperoberfläche des Menschen sind 1,73 Quadratmeter. 1,2 Prozent davon sind gut zwei Quadratzentimeter, das ist also ungefähr die Fläche ihres Daumen- oder Fingernagels (je nachdem, wie groß ihre Finger sind). Um sich selbst vorm Aussterben zu schützen, müssten sie also nur ihren Daumen- oder Fingernagel schützen.

Wäre allerdings schon gut, wenn Sie wüssten, welchen denn nun. Einfach irgendeinen zu schützen bringt’s auch nicht. Klingt selbstverständlich? Nun, die Weltgemeinschaft macht gerade genau das. Vor zwei Jahren vereinbarte sie, 30 Prozent der Erdoberfläche unter Schutz stellen zu wollen, was ja erst mal löblich ist. Sie schützt bloß die falschen Orte, denn nur sieben Prozent der in den letzten Jahren neu geschützten Flächen beherbergen stark bedrohte Arten. „Es ist fast so, als ob die Länder einen umgekehrten Selektionsalgorithmus anwenden und die nicht seltenen Gebiete auswählen, um sie zu den globalen Schutzgebieten hinzuzufügen“, sagt Eric Dinerstein, US-amerikanischer Umweltschützer und Leitautor der erwähnten Studie.

Also: ein bisschen besser konzentrieren beim Aufstellen der Schutzzäune. Um es mit Dino-Papa Sinclair zu halten: Wir werden es bestimmt schaffen. Wär’ doch gelacht.

Forst und Wüste

Svenja Beller ist freie Journalistin und Buchautorin. Für den Freitag schreibt sie die Kolumne „Forst und Wüste“ über Klimapolitik, Umweltschutz und was sonst noch alles schief geht. Seit einem Jahr berichtet sie im Team „Blue New Deal“ darüber, wie der Ozean noch zu retten ist. Im Sommer erscheint der dazugehörige Podcast