Argentinien | Argentinien: Der marktgläubige Präsident Milei hält jeden Klimaschutz zu Händen unbegründet
Die Ressourcen Argentiniens – ob es sich um Rohstoffe oder die Wälder des Landes handelt – sollen maximal ausgebeutet werden. Präsident Milei hält ökologische Rücksichten für deplatziert und indigene Rechte für irrelevant
Nach ihm die Sintflut – Argentiniens Präsident Javier Milei
Foto: Luis Robayo/AFP/Getty Images
Er sieht überall radikale Ökologen am Werk oder einen „fanatischen Umweltschutz“. Der ist für Javier Milei Teil einer „sozialistischen Agenda“. Dafür hat der Leugner eines menschengemachten Klimawandels nichts übrig. Im Gegenteil: Die Ressourcen Argentiniens sollen nach dem Willen seines marktgläubigen Staatschefs ohne lästige Hürden ausgebeutet werden. Im November reiste die argentinische Delegation vom UN-Klimagipfel in Baku vorzeitig ab, bei den Vereinten Nationen stimmte Argentinien allein gegen eine Resolution für die Rechte indigener Völker. Bei Landkonflikten können Argentiniens indigene Gemeinschaften mittlerweile ganz legal geräumt werden. Investitionen seien zu lange blockiert worden, so die Begründung. Davon betroffen sind Indigene in den nördlichen Andenprovinzen Jujuy und Catamarca, wo man sich jahrelang erfolgreich gegen den Lithiumabbau gewehrt hat.
Unter Milei wurde das Umweltministerium zum Unterstaatssekretariat im Innenressort degradiert, dem 2025 ganze 0,07 Prozent an Haushaltsmitteln zugewiesen sind. Auch beim Schutz der Wälder ist die Kettensäge am Werk und der Fonds zum Schutz einheimischer Gehölze gestrichen. Dies geschieht einem Land, in dem häufig Waldbrände wüten wie um die Weihnachtszeit im Nationalpark Nahuel Huapi (Nordpatagonien). Mittel für Forschungsprojekte zum Klimawandel entfallen komplett, so die Regierung. „Ein Dolchstoß“ sei das, findet Umweltanwalt Enrique Viale. Wenn ein Klimakollaps drohe, brauche man „mehr Wissenschaft und mehr Staat“. Eine ernsthafte Umweltpolitik habe es schon unter Mileis Vorgängern nicht gegeben. „Jetzt entfaltet sich ein Klimaleugner, der die sozialökologischen Bewegungen angreift.“
Bisher hätten Politiker auf „lärmende Minderheiten und Umweltverbände gehört, die von ausländischen Millionären finanziert wurden“, findet Präsident Milei. Argentiniens größtes Umweltproblem sei eine extreme Armut, der man nun durch verstärkte Rohstoffexporte beikommen könne. Um Investoren anzulocken, biete seine Regierung niedrige Steuern wie günstige Wechselkurse und Zölle.
In der Andenprovinz Mendoza soll bald Kupfer gefördert werden – das Projekt San Jorge steht nach jahrelangem erbittertem Widerstand der Bevölkerung, die sich um Wasserreserven sorgt, vor der Genehmigung durch die Provinzregierung. Dies alles begleite eine große Stille, sagt die Umweltaktivistin María Teresa Cañas. „Die Menschen haben Angst zu protestieren.“ Wegen der Wirtschaftskrise seien Umweltthemen fast völlig aus der öffentlichen Debatte verschwunden.
Im Vorjahr erreichte der Verbrauch fossiler Brennstoffe den höchsten Stand seit zwei Dekaden. Das geförderte Gas stammt größtenteils aus Vaca Muerta (Tote Kuh), einer Schieferformation von der Größe Belgiens, wo das Fracking-Verfahren die ökologische Balance Nordpatagoniens gefährdet. Erdstöße erschüttern bereits die Häuser der dort lebenden Mapuche. In einigen Jahren soll aus Vaca Muerta Flüssiggas nach Europa exportiert werden. Eine 600 Kilometer lange Pipeline bis zur Atlantikküste ist im Bau. Und am San-Matías-Golf, einer sensiblen Brutstätte für Wale, ist ein Terminal geplant, wogegen sich seit Jahren eine Bürgerinitiative – wohl vergeblich – wehrt. Auch Offshore-Ölförderung werden im Atlantik westlich von Mar del Plata und vor der Küste Feuerlands vorangetrieben.
„Dieser umfassenden Offensive haben wir kaum etwas entgegenzusetzen“, klagt Enrique Viale. Allein der Angriff auf das Gletscherschutzgesetz, das Milei aushebeln wollte, konnte bislang pariert werden, doch die Bergbaulobby lässt nicht locker. Ehrgeizige Provinzpolitiker machen sich für neue Megaprojekte stark oder auch – wie gerade im nordöstlichen Salta – für das Abholzen riesiger Landstriche, sodass in großen Teilen Nordargentinien der Waldverlust voranschreitet. Bäume und Buschwerk werden mit Planierraupen beiseitegeräumt, um für Weideland und Sojafelder Platz zu schaffen.
Enrique Viales Fazit: „Umweltpolitisch führt uns Milei ins 19. Jahrhundert zurück.“ Der träumt zudem von einer strahlenden Zukunft mit einem Argentinien als ziviler Atommacht. Mit einheimischen Kleinreaktoren soll Patagonien in einen „KI-Hub“ verwandelt werden. „Das Potenzial der Künstlichen Intelligenz ist so enorm, dass konventionelle Energie nicht ausreichen wird, die Nachfrage zu befriedigen“, erklärte Milei jüngst im Beisein seines Landsmanns Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien. Freilich stehen die Atomprojekte in einem gewissen Widerspruch zu den Kürzungen bei der wissenschaftlichen Forschung.
Für den Mapuche-Aktivisten Orlando Carriqueo unterwirft sich die Justiz der Regierung, Umweltnormen würden nicht durchgesetzt. Man müsse wohl oder übel vor internationale Gerichten ziehen.