Arbeitszeit: Die Viertagewoche – kürzer ist nicht immer besser

Das Modell Viertagewoche birgt viel Faszination. Sind wir nicht alle am Freitag müde und unproduktiv? Würden wir nicht alle dasselbe schaffen, wenn wir an einem Dreitagewochenende die Akkus soweit aufladen würden, dass wir die liebe kurze Arbeitswoche über voll durchziehen könnten, sodass es am Ende für das Unternehmen aufs Gleiche rauskommt? Und dem Individuum mehr Spaß macht? Könnten nicht alle Vorgesetzten, die unter Personalnot leiden, mit Viertagewochenmodellen punkten?

Die Ergebnisse des gerade veröffentlichten Modellversuchs in Deutschland sind jedenfalls nicht problemlos auf die Gesamtwirtschaft zu übertragen. Denn an der Studie lässt sich vieles kritisieren. Die Größe der Stichprobe. Die Selbstselektion der Teilnehmer. Oder dass am Ende im Durchschnitt gar nicht die Stundenzahl eines ganzen Arbeitstags reduziert wurde.

Die Euphorie, die manche mit der Idee einer kürzeren Arbeitswoche verbinden, lässt sich aber auch noch mit weiteren Überlegungen bremsen: Individuelle Arbeitszeitwünsche sind unterschiedlich; kürzere Zeiten machen nicht alle glücklich. Arbeitgeber werden durch das Angebot einer Viertagewoche nur attraktiver, solange das etwas Besonderes bleibt. Und dann wäre da noch die demographische Lage. An fast jedem Geschäft oder Restaurant hängen „Mitarbeiter gesucht“-Schilder, weil spürbar wird, dass immer mehr Babyboomer in Rente gehen. Gesamtwirtschaftlich gesehen müssten wir eigentlich mehr arbeiten statt weniger.

Ungenutzte Arbeitskraft schlummert bei den Eltern

Im Wettbewerb um die (Betriebstreue der) besten Talente ist aber das Angebot von mehr Freizeit nur eine von vielen Möglichkeiten. Viel ungenutzte Arbeitskraft schlummert zum Beispiel noch dort, wo Mütter (oder immer häufiger auch Väter) mittags nach Hause gehen, weil in der Hausaufgabenbetreuung die Vokabeln doch nicht gelernt werden, weil das Schulessen unzumutbar ist, weil die Kita nicht verlässlich ist, Zeiten reduziert oder Gruppen schließt.

Gute Rahmenbedingungen für Eltern oder auch Pflegende wären ein Hebel, um für mehr statt weniger Arbeit zu werben. Denn die Sehnsucht nach der Viertagewoche hat ihre Ursache oft genug im privaten Stress, der durch Zeitmangel entsteht, weil eine Vollzeitstelle organisatorisch neben familiären Verpflichtungen nur äußerst schwierig zu meistern ist.