Anna Netrebko in „Nabucco“: Eine alttestamentarische Befreiungsgeschichte

Sie singt erneut unter ukrainischer Flagge, das ist gleich schon
mal bemerkenswert an diesem Abend: Am Fahnenmast auf dem Dach der Berliner
Staatsoper flattern wie seit Beginn des Angriffskriegs Russlands als Solidaritätsbekundung der Berliner Kulturinstitutionen die ukrainischen Farben, während unten im Saal Anna Netrebko das
Publikum in beglückte Beifallsstürme treibt. Kein Protest, nirgends, hier
gilt’s der Kunst, von besagter Beflaggung einmal abgesehen. Das hatte weltweit in
den vergangenen Jahren schon anders ausgesehen, wenn die russische Sängerin mit
dem österreichischen Pass auftrat oder auftreten sollte. Diverse Engagements
wurden seit Russlands Überfall auf die Ukraine wegen Netrebkos einstiger Putin-Nähe
abgesagt, ansonsten gab es regelmäßig Demonstrationen und immer Debatten. Im vergangenen Jahr auch in Berlin an selber Stelle. Vor der Lindenoper standen da Sicherheitsabsperrungen, die Polizei war vor Ort und ließ nur Ticketbesitzer durch. Denn es waren auch einige Hundert Demonstranten dort, die gegen Netrebkos Auftritt bei der Wiederaufnahme von Harry Kupfers Inszenierung von Giuseppe Verdis Macbeth protestierten und die hineinströmenden Opernbesucher mit „Schande! Schande!“-Rufen überzogen, während später im Saal manches Buh ertönte.