Andritz-Chef verteidigt Stellenabbau c/o Schuler

Im oberschwäbischen Weingarten am Fuße der Basilika Sankt Martin, der größten Barockkirche nördlich der Alpen, geht in diesen Tagen eine mehr als 150-jährige Tradition zu Ende. Der Pressenhersteller Schuler wird den Standort, an dem seit 1872 Blechbearbeitungsmaschinen hergestellt wurden, endgültig schließen. „Im Zuge der Transformation und dem Wechsel zur Elektromobilität kommen neue Anbieter nach Europa, was einhergeht mit einer Schwächung der europäischen Autoindustrie. Deshalb müssen wir unsere Kapazitäten anpassen“, sagt Andritz -Vorstandschef Joachim Schönbeck im Interview mit der F.A.Z. Schuler gehört seit mehr als zehn Jahren zu dem österreichischen Anlagenhersteller. „Es gibt zurzeit keinerlei Hinweise, dass die Nachfrage in absehbarer Zeit wieder auf ein Niveau kommt, wie das vor fünf Jahren der Fall war.“

Schuler mit Stammsitz in Göppingen auf der Schwäbischen Alb ist seit der Übernahme des oberschwäbischen Maschinenbauers Müller Weingarten 2007 der weltgrößte Hersteller von Pressen, mit denen die Automobilindustrie Bleche zu Karosserieteilen presst. „Die Autoindustrie hat darauf gesetzt, dass die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in den nächsten Jahren anzieht. Weil das nicht der Fall ist, stehen die Investitionen auf dem Prüfstand – und die Nachfrage nach unseren Pressen ist eingebrochen“, sagt Schönbeck. Wie sehr, zeigt der Auftragseingang in dem Geschäftsbereich von Andritz, zu dem der Pressenhersteller gehört: Er lag bei den Halbjahreszahlen 43 Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres.

Produktionen in Erfurt, China und Brasilien

Hauptproduktionsstandorte der großen Schuler-Pressen sind Erfurt sowie Fabriken im chinesischen Dalian und im brasilianischen São Paulo. Nachdem Schuler schon 2020 rund 500 Stellen in Deutschland abgebaut hat, hat der Pressenbauer nun ein weiteres Kostensparprogramm angekündigt. Von rund 2400 Stellen in Deutschland wird das Unternehmen in ganz Deutschland 474 Stellen streichen. Den Standort Weingarten mit derzeit etwa 270 Arbeitsplätzen gibt Schuler komplett auf. 140 Stellen werden in Werke der anderen fünf deutschen Standorte verlagert. Zudem fallen Jobs weg durch die Schließung der Produktion in Gemmingen sowie den Verkauf der mechanischen Fertigung und des Schweißwerks in Erfurt. „Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern beginnen jetzt, wir wollen betriebsbedingte Kündigungen vermeiden“, erläutert Andritz-Chef Schönbeck.

In der Sparte „Metals“, zu der neben dem Pressenhersteller Schuler auch der Bau von Anlagen für die Blechherstellung gehört, hat Andritz im ersten Halbjahr einen Umsatz von 894 Millionen Euro erzielt, was etwa den Vorjahreserlösen entspricht. Der Bereich sei zwar „noch leicht profitabel“, dasselbe gelte für Schuler. „Aber wir sind weit von den Renditen entfernt, die wir brauchen, um das Geschäft so betreiben zu können, dass wir die Arbeitsplätze langfristig sichern“, sagt Schönbeck. Die Anpassung der Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa hält Schönbeck aus diesem Grund für unumgänglich. Und das Geschäft auf anderen Märkten rette nicht die Arbeitsplätze in Deutschland. „Unsere Kunden verlangen, dass wir Pressen zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten. Und wenn wir eine Presse von Deutschland nach China bringen, lässt das die Kosten aus dem Ruder laufen.“

Das Ende der Produktion in Weingarten illustriert gleichzeitig die wenig erfolgreichen Versuche von Schuler, sich unabhängiger von der Autoindustrie zu machen. Vor vier Jahren noch hatte der 2023 ausgeschiedene Schuler-Chef Domenico Iacovelli den oberschwäbischen Standort zum Leitstandort für Indus­trietechnik jenseits der Automobilwirtschaft ausgebaut. Weil bei den Indus­triekunden in der Regel keine Presse der anderen gleiche, seien die Ingenieurarbeit und damit das Auftragspotential für Weingarten höher. „Wir halten grundsätzlich an der Strategie fest, auch neue Kunden zu finden, die nicht aus der Automobilindustrie kommen“, sagt Schönbeck. „Das ist aber in der aktuellen Situation sehr schwierig, und aus der Politik gibt es keinerlei Ermutigung, in Deutschland industrielle Arbeitsplätze aufzubauen.“ Die Stadt Weingarten hat sich mit dem Ende der langjährigen Industrieproduktion am Fuße der Basilika schon länger abgefunden. Die Flächen von Schuler sind für einen neuen Stadtteil vorgesehen.