Andrew Tate: Rumäniens Justiz darf sich nicht von den USA einschüchtern lassen
Ein türkisfarbener Koenigsegg Jesko, das schnellste Auto der Welt, Kostenpunkt 2,7 Millionen Euro, raste am Montag, dem 24. März, mit fast 100 Sachen durch das Zentrum von Bukarest. Am Steuer war der selbststilisiert „misogyne“ Influencer Andrew Tate und strahlte ein Gefühl von Unbesiegbarkeit aus, als er an dem imposanten Palast des Parlaments vorbeifuhr.
Zur Überraschung vieler Rumänen – und offen gesagt zu ihrem Horror – waren Andrew und sein Bruder Tristan, gemeinsam bekannt als die Tate-Brüder, aus den USA zurückgekehrt. Sie hielten sich damit an die rechtlichen Auflagen, die im Rahmen der Ermittlungen gegen sie wegen schwerwiegender Vorwürfe von Vergewaltigung, Geldwäsche und Menschenhandel festgesetzt waren.
In Großbritannien sind die beiden in einem separaten Verfahren ebenfalls wegen Vergewaltigung und Menschenhandel angeklagt. Ihre Rückkehr sorgte auf der ganzen Welt für Schlagzeilen auf den Titelseiten – aber für die Menschen hier in Rumänien ist es so viel mehr als eine große Nachrichten-Story. Es ist ein echter Test unseres politischen und Rechtssystems zu einem sehr angespannten Zeitpunkt in unserer Geschichte. Werden sich die Verantwortlichen dem Druck der neuen US-Regierung beugen? Was sagt ihr Umgang mit diesem Fall über das Land aus, in dem wir heute leben?
Übt US-Präsident Donald Trump Druck auf Rumänien aus?
Die Zeichen stehen nicht gut. Nachdem er sich – wie von den Bedingungen des kürzlich aufgehobenen Reiseverbots vorgeschrieben – bei einer Bukarester Polizeistation gemeldet hatte, sagte Andrew Tate Journalisten, er sei „glücklich“, zurück in Rumänien zu sein. Dann bezeichnete er sich selbst als „einen der wichtigsten Leute auf der Erde“ und wies Journalisten zurecht, die ihn fragten, ob er im Lande bleiben wolle. Euphorie verschmolz mit Farce.
Die protzige Rückkehr wurde kurz unterbrochen, als der Super-Sportwagen stehen blieb, Öl auf die Straße floss und die Tates zwang, ihn in eine Werktstatt abzuschleppen. Diese Woche geben die Behörden mehr als ein Dutzend Luxuswagen zurück, die sie während der Ermittlungen konfisziert hatten. Sie ordneten außerdem an, dass die Tates für einen längeren Zeitraum unter „gerichtlicher Kontrolle“ stehen, was bedeutet, dass sie sich regelmäßig bei den rumänischen Behörden melden müssen.
Die Rückkehr der Tate-Brüder erfolgte nach ihrer plötzlichen Ausreise im Februar, als die rumänische Staatsanwaltschaft ihre Reisebeschränkungen aufgehoben hatte. So konnten sie in einen Privatjet in Richtung US-Bundesstaat Florida steigen, nachdem sie zuvor mehrere Monate unter Hausarrest gestanden hatten. Sie feierten ihre Abreise online wie einen Sieg über das System.
Aber die erlaubte Ausreise und die Rückgabe der Autos haben unbequeme Fragen dazu aufgeworfen, ob es sich um eine routinemäßige rechtliche Entscheidung handelte oder das Ergebnis von Einfluss von außen. Berichte, die behaupten, die Regierung von US-Präsident Donald Trump habe Druck auf die rumänischen Verantwortlichen ausgeübt, haben eine angespannte öffentliche Debatte im ganzen Land ausgelöst.
Ein Staatsanwalt kann einseitig Reisebeschränkungen erleichtern, wenn die Angeklagten argumentieren, dass das dazu führt, dass sie bedeutende Mengen Geld verlieren, erklärte mir der frühere rumänische Verfassungsrichter Augustin Zegrean. Angeklagte können dann – und tun es auch häufig – rechtmäßig beantragen, dass die Staatsanwaltschaft diese Verbote – manchmal für lange Zeiträume – aufhebt oder die Bedingungen für ihre Freilassung ändert. Viele, denen die Ausreise erlaubt wurde, kamen nie zurück. Aber die Tates sind zurückgekommen. „Ich möchte nicht glauben, dass wir ein so verachtenswertes Land geworden sind, dass andere uns sagen, was wir tun sollen“, erklärte Zegrean. So wie ihm geht es vielen.
Rumäniens Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
Sollte Washington Bukarest dazu gedrängt haben, die Beschränkungen zu lockern, muss die rumänische Justiz Widerstand leisten. Ein Verbündeter der USA zu sein, heißt nicht, sich Druck zu beugen – insbesondere nicht, wenn es die Rechtsstaatlichkeit aushöhlt. Es zu tun, sendet eine gefährliche Botschaft: Gerechtigkeit hier ist verhandelbar, eine Ware, die von ausländischem Lobbying und Verhandlungen hinter verschlossener Tür abhängt, wenn man reich und einflussreich genug ist.
Das dürfen wir nicht zulassen. Dieses Land hat mehr als 35 Jahre damit verbracht, demokratische Institutionen aufzubauen und zu beweisen, dass es versucht, den Eindruck loszuwerden, dass seine Institutionen korrupt und politisch beeinflussbar sind.
Wenn das rumänische Justizsystem in irgendeiner Form glaubwürdig bleiben will, muss es unabhängig bleiben – nicht nur von Washington, sondern von jedem Einfluss, der von außen kommt oder politisch ist. Richter, Staatsanwaltschaft und Gesetzgeber müssen die Vorwürfe gegen die Tates ernst nehmen, und die Regierung muss unabhängig sein, nicht zuletzt im Interesse derer, die laut Anklage Opfer der Tate-Brüder sind. Einige der Opfer haben sich sehr besorgt über eine mögliche Einmischung der USA in den Rechtsprozess gezeigt. Eine von Andrew Tates Ex-Freundinnen beschuldigte ihn kürzlich der sexuellen Nötigung und Körperverletzung. Laut Tates Anwalt, Joseph McBride, bestreitet sein Mandant die Vorwürfe „entschieden“.
Die politische Lage ist angespannt
Schon vor der Rückkehr der Tates herrschte in Rumänien ein Moment extremer politischer Spannung, nachdem der rechtsextreme Kandidat Călin Georgescu, ein umstrittener prorussischer Außenseiter, der behauptete eine „Null-Budget“-Wahlkampf zu machen, unerwartet die erste Runde der Präsidentschaftswahlen im vergangenen November gewonnen hatte.
Im Dezember annullierte das rumänische Verfassungsgericht die Abstimmung wegen ausländischer Einmischung. Diese Entscheidung wurde im März ausgeweitet, als das Verfassungsgericht den Ausschluss Georgescus von der Kandidatur bei der Wahlwiederholung im Mai bestätigte. Als Grund wurde verfassungswidriges Verhalten genannt, darunter die angebliche Planung eines Aufstands, der an den Sturm des US-Kapitols am 6. Januar nach der Wahlniederlage von Donald Trump 2020 erinnert.
Es folgte ein Feuersturm der Kritik von Trumps Gefolgsleuten, insbesondere von Elon Musk und US-Vizepräsident JD Vance. „Wenn Ihre Demokratie durch ein paar hunderttausend Dollar digitale Werbung aus dem Ausland zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht besonders stark“, spottete Vance, während Musk auf Twitter fragte „Wie kann ein Richter die Demokratie in Rumänien beenden?“
Am 25. März setzte das US-Außenministerium den Beitritt Rumäniens zum Programm für visumfreies Reisen auf unbestimmte Zeit aus. Dieses Programm war von der vorherigen US-Regierung unter Präsident Joe Biden genehmigt worden und hätte Rumänen die visumfreie Einreise in die USA für bis zu 90 Tage ermöglicht. Es ist ein offensichtliches Machtspiel und scheint zu funktionieren.
Ende Februar forderte der rumänische Justizminister Radu Marinescu eine öffentliche Erklärung dafür, warum die Restriktionen aufgehoben wurden, um den Brüdern zu erlauben, das Land zu verlassen. Jetzt lobt er die Brüder für ihre „korrekte Haltung“ dafür, dass sie sich entschieden haben, zurück zu kommen und ihre rechtlichen Auflagen zu erfüllen. Sein Ton scheint sich verändert zu haben. Die Tate-Brüder mögen vorerst ihre Bewegungsfreiheit genießen, aber genau wie ihr Multimillionen-Superauto – das auf den Straßen von Bukarest gestrandet ist und Öl verloren hat – könnte die Illusion der Unbesiegbarkeit zusammenkrachen, wenn die Realität sie einholt. Das rumänische Justizsystem könnte das bewirken. Aber unter Druck könnte es auch selbst zusammenbrechen.