„… An jener Ostfront sterben?“ – Schüler nachdem Meme darüber hinaus Bundeswehr-Offizier angeklagt
Ein Bundeswehrsoldat warb vor Schülern für die Armee, nun droht wohl ein gerichtliches Nachspiel. Weil einer der Gymnasiasten anschließend ein provokantes Internet-Meme zu dem Besuch bastelte, wurde der Freiburger angezeigt.
Der Fall „Bentik“ zieht im Internet Kreise: Es gibt einen Spendenaufruf bei „Go Fund Me“, eine Website von Unterstützern für den Schüler und einen strafrechtlichen Vorgang: Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat demnach Anklage gegen einen Schüler des Angell-Gymnasiums erhoben. Dem Oberstufenschüler wird die Beleidigung eines Jugendoffiziers der Bundeswehr vorgeworfen. Darüber berichtet aktuell auch die „Berliner Zeitung“.
Der Vorfall liegt dem Blatt zufolge schon einige Monate zurück, die Anzeige sei zudem nicht von der Bundeswehr selbst, sondern von einem der Offiziere ergangen, der in der Klasse für die Bundeswehr warb.
Anschließend habe, so lässt sich der Vorgang im Internet rekonstruieren, der Schüler, der im Internet als „Bentik“ benannt wird, mindestens ein satirisches Internet-Meme erstellt. Zu sehen (etwa bei Instagram) ist beispielsweise eine Art Cartoon – tarnfarben koloriert – von einem Klassenraum. Vor der Tafel (mit der Aufschrift: „Demokratie verteidigen, aber wie?“) und den Schülern steht ein Bundeswehrangehöriger, der eine Waffe quer im Arm trägt. Darüber wurde der Schriftzug gelegt: „Also Kinder, wer von Euch würde gerne an der Ostfront sterben?“
Dafür – oder womöglich auch für andere Darstellungen – muss sich der Schüler nun offenbar verantworten. Eine für ihn gestartete Spendensammelaktion auf der Plattform „Go Fund Me“ ist mittlerweile beendet, laut den Initiatoren wurde das Spendenziel mit über 1500 Euro sogar überschritten. Die Gerichtskosten seien demnach gedeckt, heißt es dort. Ob es überhaupt zu einer Verhandlung kommt, soll in den kommenden Wochen entschieden werden, heißt es bei dem Portal „Nius“, das ebenfalls über den Fall berichtet.
Unterstützer des Schülers – laut „Nius“ ist er 18 Jahre alt – werden auf den eigens errichteten Instagram-Account verwiesen, mit dem Hinweis: „(…) Wir werden auch weiterhin auf der Straße, in unseren Schulen und vor Gericht gegen die voranschreitende Militarisierung aktiv sein.“ Der Account „Kein Verfahren für Bentik“ – Untertitel: Die Bundeswehr kommt an unsere Schulen – und die Schüler vor Gericht“ – wird unter anderem von der Linksjugend Freiburg unterstützt. Unter den namentlich einsehbaren Spendern im Internet findet sich zudem ein weiterer Politiker der Partei die Linke, schreibt die „Berliner Zeitung“, und benennt den Bundestagsabgeordneten Vinzenz Glaser.
Zuständig ist das Amtsgericht Freiburg
Über den persönlichen Hintergrund des Schülers ist aktuell nichts weiter bekannt, wohl aber über die Art der Strafverfolgung.
Laut „Berliner Zeitung“ wurde die Anzeige nicht von der Bundeswehr, sondern von dem betroffenen Offizier persönlich gestellt. Dies habe eine Anfrage direkt beim Bundesverteidigungsministerium ergeben, schreibt die Zeitung.
Vorgeworfen wird „Bentik“ demnach, dass er nach einer Veranstaltung des Offiziers an der Schule zwei Fotos bearbeitet und verbreitet haben soll. „Diese Darstellungen, so die Staatsanwaltschaft, unterstellten dem Offizier ‚persönliche Verbindungen zur nationalsozialistischen Organisation SS‘ sowie eine ‚verfassungswidrige, menschenverachtende Grundeinstellung‘“, schreibt die Zeitung. Eine Anklage sei bereits erhoben worden, und zwar am 28. August 2025 vor dem Amtsgericht Freiburg.
Nun stelle sich die Frage, ob die Abbildungen – ob das auch bei X vielfach geteilte Bild vom „Ostfront“-Klassenzimmer darunter fällt, ist wie beschrieben noch unklar – vor Gericht als Satire oder Straftat eingestuft werden. Die Unterstützer von „Bentik“ interpretieren die Kritik offenbar als ironische Überspitzung der aktuellen Rekrutierungsstrategie der Bundeswehr an Schulen.
„Bentik“ macht Schule und Ermittlern schwere Vorwürfe
„Bentik“ selbst äußerte sich in einem Interview im Online-Magazin „Perspektive“. Demnach habe der Vortrag im Februar 2025 stattgefunden, zu Gast gewesen sei ein Jugendoffizier der Bundeswehr. In der Schülerzeitung der Montessori-Schule sei vorab schon kritisch berichtet worden, erzählt „Bentik“, der Besuch selbst sei dann ohne Störungen verlaufen. Anschließend aber sei ein Meme in der Schülerzeitung veröffentlicht worden, auf das dann strafrechtlich reagiert worden sei.
Ein paar Wochen später (lag) „ein gelber Brief in meinem Briefkasten und ich wurde zur Polizei vorgeladen. Durch Akteneinsicht wissen wir inzwischen, dass versucht wurde, den Standort des Handys zu ermitteln, von dem aus das Meme gepostet wurde und sogar mein Vater zur Zeugenaussage eingeladen wurde“, kritisiert der Schüler, der anonym bleiben will.
Die anschließende Anzeige habe ihn „überrascht“, so „Bentik“. „Ich glaube, niemand hätte erwartet, dass die Bundeswehr wegen eines Memes tatsächlich Anzeige erstattet und das Verfahren sogar vor Gericht landet. Ein Meme fällt doch wohl in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit.“
Von seiner Schule – die er mittlerweile nicht mehr besuche – habe er wenig Unterstützung erhalten, so der junge Mann weiter. Die Schulleitung selbst habe ihm zufolge das kritische Meme weitergeleitet, er sei dann aus dem Unterricht genommen und „eingeschüchtert“ worden. Sein – nun ehemaliger – Schulleiter werde wohl in dem Verfahren auch gegen ihn aussagen.
Er selbst, so „Bentik“ in „Perspektive“ weiter, finde den ganzen Vorgang „absurd“, sehe darin aber auch System: „Es zeigt auch, zu welchen Mitteln Bundeswehr und Staat greifen, wenn jemand es wagt, den Kurs der Bundesregierung – also Aufrüstung und Militarisierung – öffentlich zu kritisieren“, wird er zitiert.
Seit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und der seitdem angespannten Sicherheitslage werden in der deutschen Politik und in der schwarz-roten Koalition eine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder auch neue Wehrdienstmodelle diskutiert.
Aktuell verfügt die Bundeswehr über 180.000 Kräfte. Als Zielgröße werden seitens des Verteidigungsministeriums rund 203.000 Soldaten bis etwa 2031 genannt.
krott
Source: welt.de